Nehmen die Nehmer noch mehr?
Im zähen Ringen um den Finanzausgleich stehen die Empfängerkantone kurz davor, noch mehr Geld herauszuholen. Das schreibt die Denkfabrik Avenir Suisse in einer neuen Studie.

Momentan herrscht Ruhe nach dem Sturm. 2015 lieferten sich die Kantone monatelang in aller Öffentlichkeit einen harten Schlagabtausch um den Finanzausgleich (NFA). Zurzeit versuchen sich die kantonalen Finanzdirektoren im stillen Kämmerlein zu einigen, wie das NFA-Volumen künftig berechnet werden soll, ohne ständig für Ärger zu sorgen. Was dabei herauskommt, ist offen.
Nun bringt eine neue Studie von Avenir Suisse, der Denkfabrik der Wirtschaft, etwas Licht ins Dunkel der Hinterzimmergespräche. Demnach ist die zahlenmässig überlegene Allianz der Nehmerkantone von Graubünden über Uri bis Bern auf gutem Weg, für sich noch etwas mehr herauszuschlagen als bisher. Schon der erste Vorschlag, den eine Arbeitsgruppe der Kantone letzten Sommer vorgestellt hatte, war für die Empfänger relativ attraktiv.
Im Zentrum steht dabei die sogenannte Mindestausstattung – quasi das Existenzminimum, das der NFA dem «ärmsten» Kanton (zurzeit Jura) garantieren soll. Dieser Wert ist entscheidend für das Ausmass der innereidgenössischen Umverteilung. Je höher er ist, umso besser für die Nehmerkantone – umso mehr Geld erhalten sie vom Bund und den Geberkantonen von Zug bis Zürich. Aktuell wird die gesetzliche Vorgabe des NFA stark übertroffen, da das Parlament den Bundesrat 2015 daran hinderte, den Geldhahn zuzudrehen.
NFA-Konstruktionsfehler
Das Verhalten der Nehmerkantone im Kampf um den NFA fassen die Autoren der neuen Studie, Lukas Rühli und Natanael Rother, so zusammen: Nur dank eines Fehlers in der NFA-Konstruktion seien diese Kantone in den Genuss erhöhter Zahlungen gekommen. Doch das hindere sie nun nicht daran, bei der Korrektur dieses Fehlers einen erheblichen Teil dieser so gewonnenen Privilegien gesetzlich abzusichern. Man kann das auch ganz einfach knallharte Machtpolitik nennen. Was man mal hat, gibt man freiwillig nicht wieder her.
Und das funktioniert sogar. Laut den – offensichtlich gut informierten – Autoren der Studie wollen die Geberkantone den Geldempfängern nun sogar noch etwas stärker entgegenkommen, als bisher geplant.
Höheres Minimalziel
Konkret geht es dabei wieder um die Mindestausstattung. Sie ist heute im Gesetz nur als Richtwert definiert, was die Studienautoren kritisieren. Die Finanzkraft des schwächsten Kantons soll dank NFA möglichst 85 Prozent des Durchschnitts aller Kantone erreichen. Gemäss der heutigen Berechnungsmethode müssen aber Bund und Geberkantone so viel einzahlen, dass der Kanton Jura 2017 eine Finanzkraft von fast 88 Prozent des Durchschnitts erreicht.
Sprich: Der Status quo ist für die Nehmerkantone überaus attraktiv. Darauf wollen sie nicht verzichten. Im ersten Anlauf hatten die Geberkantone letzten Sommer schon erklärt, eine Erhöhung des gesetzlichen Minimalziels von 85 auf 86 Prozent zu akzeptieren, falls sich dafür die Berechnung der Transferzahlungen neu verbindlich am Ziel der Mindestausstattung orientiert.
Das lehnten die Nehmerkantone ab. Sie wollen mehr. Gemäss der Studie wird in den Verhandlungen mittlerweile bereits ein Mindestwert von 86,5 Prozent angepeilt. Der Kommentar von Avenir Suisse dazu: «Das zeigt deutlich, dass die individuellen finanziellen Interessen der Kantone die inhaltlichen Argumente im Zweifelsfall überwiegen.»
Denn inhaltlich sei der Fall klar: Bei der Aushandlung des neuen Finanzausgleichs, der seit 2008 in Kraft ist, hätten sich die Kantone auf ein Minimalziel von 85 Prozent geeinigt. Es gebe keinen Grund für eine Erhöhung, zumal die Unterschiede in der Steuerbelastung zwischen Gebern und Empfängern in den letzten Jahren kleiner geworden seien.
Strikte Linie aussichtslos
Avenir Suisse plädiert für eine strikte Linie: Die Umverteilung soll statt höher werden schrittweise über mehrere Jahre hinweg wieder auf das ursprüngliche Niveau von 2008 sinken. Politisch ist diese Position mutmasslich aussichtslos, da die Geberkantone bereits Hand zum Kompromiss bieten. Ob und wie die Einigung gelingt, bleibt jedoch offen. Nach dem Fahrplan der Konferenz der Kantonsregierungen soll die freundeidgenössische Friedenspfeife im März dampfen.
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