Naturtalent ohne Führerschein
Formel Renault 2.0
Draussen regnet es in Strömen, und es ist ganz schön kalt. Im hübschen Hause Müller ist der Kamin passend dazu in Betrieb; die Familie macht es sich auf der Couch gemütlich. Dass Nico, der Sohn, unter ihr weilt, ist aussergewöhnlich. Meist verbringt der aufstrebende Automobilpilot die Wochenenden auf den Rennstrecken Westeuropas. «Ich geniesse es, auch mal zuhause zu sein – im Kreise der Familie.» Freizeit ist für den Gymnasiasten rares Gut; sitzt er nicht im Cockpit, gibt er in der Schule Gas. Er steht kurz vor Beendigung der Matur, die Schlussarbeit hat er bereits geschrieben. In Thun drückt er die Schulbank, den Stoff kriegt er alternierend in Englisch und Deutsch vermittelt, Spanisch ist das Schwerpunktfach. «Es war eine kluge Entscheidung von Nico, das Gymnasium mehrsprachig zu absolvieren», sagt Ursula Müller, Nicos Mutter, mit einer grossen Portion Sarkasmus. «Das geht schon», verteidigt der Sohnemann, der nach eigenen Angaben in der Schule nicht gerade ein Überflieger ist. Die Episode soll nicht trügen: Die Müllers mögen einander sehr, regelmässiges Zusammensein ist ihnen wichtig. Unterstützung seiner Eltern zu erfahren – das ist für Nico Müller essenziell. Trotz eines Haupt- und mehrerer kleinerer Sponsoren muss die Familie jährlich eine Stange Geld aufbringen. Müllers Konkurrenten sind grösstenteils Söhne sehr reicher Eltern. Herr und Frau Müller gehen eigenen Angaben zufolge «ganz normalen» Arbeiten nach; der Verdienst sei dementsprechend. Wie viel Nicos Hobby pro Jahr kostet, sei nur schwer eruierbar. «Drei schöne Autos könnte man damit wohl schon kaufen», behauptet Nico, während seine Mutter diesbezüglich zur Vorsicht mahnt. Der automobile Rennsport jedenfalls ist ein teures Hobby. Müller musste aus Kostengründen auch schon auf Testfahrten verzichten. Senkrecht gestartet An Geld mag es Nico Müller mangeln – Talent aber hat er reichlich. Regelmässig schafft er es in die Fachpresse, die ihn bereits mit Sebastien Buemi, seinem Idol, vergleicht. Erst als 11-Jähriger war Müller auf den Autorennsport aufmerksam geworden, bis dahin fuhr er bloss Rad. Ein Bekannter nahm ihn an eine Kartbahn mit, und Müller demonstrierte sogleich, eine Begabung dafür zu haben. Diese wurde rasch gefördert. Nico Müller – ein Naturtalent? «Jedenfalls bin ich nicht so schlecht», sagt er. Als 12-Jähriger betrieb er Rennsport bereits zunehmend professionell, aus Beschäftigung war Leidenschaft geworden. Im Jahre 2005 nahm er erstmals an der Schweizer Meisterschaft teil, die er gleich auf Rang zwei beendete. 24 Monate später gefiel er bei einer Talentsichtung. Er wurde Dritter, worauf Kontakt entstand zu Andreas Jenzer. Von ihm bekam er für die Saison 2008 einen Kontrakt, und seither gehört er dessen Team an. «Darüber habe ich mich riesig gefreut.» Müller ist ein Senkrechtstarter. In der Formel Renault 2.0 kam er auf Anhieb zurecht: In seinem zweiten Rennen wurde er schon Vierter. Die Formel Renault kann durchaus ein Sprungbrett sein; Kimi Räikkönen, Formel-1-Weltmeister, ist das beste Beispiel dafür. Üblich ist es, danach in die Formel 3 und später zur Serie GP2 zu wechseln, ehe man allenfalls in der Königsklasse landet. Red Bull möglicher Förderer Die Zukunft Nico Müllers ist ungewiss. Ihn reizt das Förderprogramm von Red Bull. In den USA würde er Nascar-Rennen fahren und studieren. Vorerst aber will er die Matur abschliessen, was gemäss Vater Christian Vorrang geniesst. Nico stimmt widerwillig zu und gibt zu bedenken, dass ausserdem die Fahrprüfung ansteht. Eine Herausforderung wird das aber wohl kaum sein. Auf den Tresen im Wohnzimmer liegen Zeitschriften. Und auf einer steht: «So siegt ein Weltmeister.» Das Riesentalent tut gut daran, sie zu lesen. Adrian Horn;>
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