Frühlingssession im TickerRentenreform steht Ständerat lässt Bundesrat bei Iran-Politik gewähren
Im Bundeshaus tagten National- und Ständerat. Wir berichteten laufend.

Die Frühjahrssession fand vom 27. Februar bis zum 17. März statt. Die thematischen Schwerpunkte waren:
Berufliche Vorsorge
Altersvorsorge
Energie
Kriegsmaterial
Sexualstrafrecht
Asyl
Gesundheitskosten
Familien
Landwirtschaft
Verhüllungsverbot
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Meinungen
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Die Pensionskassenreform steht. Das Parlament hat die Vorlage am Freitag in der Schlussabstimmung verabschiedet – der Nationalrat mit 113 zu 69 Stimmen bei 15 Enthaltungen, der Ständerat mit 29 zu 8 Stimmen bei 5 Enthaltungen. Eine Volksabstimmung gilt als sicher.
Das Parlament diskutierte die BVG-Reform in den vergangenen 15 Monaten während Dutzenden Stunden. Dazu kamen ellenlange Debatten in den vorberatenden Kommissionen. Nun verabschiedete das Parlament die Änderungen beim Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge.
Diese Vorlage ist in den Augen einer bürgerlichen Mehrheit zielgerichtet und mehrheitsfähig, wie in den vergangenen Wochen verschiedentlich zu hören war.
Anders sieht das die Ratslinke: Sie droht seit längerem mit einem Referendum, weil die Reform aus ihrer Sicht eine «Abbauvorlage» ist. Doch auch Bürgerliche sind nicht restlos glücklich. Beispielsweise der Bauernverband erachtet die Kosten der Reform als «nicht mehr tragbar».
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Der Nationalrat will Menschen helfen, die vor Jahren um Asyl gebeten und einen abschlägigen Bescheid erhalten haben, aber nicht ins Heimatland zurückkehren können und seit langem von Nothilfe leben. Sie sollen eine einmalige Gelegenheit erhalten, ihren Aufenthalt in der Schweiz zu regularisieren.

Der Nationalrat hiess am Donnerstag mit 100 zu 81 Stimmen und mit 5 Enthaltungen eine Motion der früheren Nationalrätin Marianne Streiff-Feller (EVP/BE) gut. Sie geht nun an den Ständerat.
Für die Regularisierung sollen laut Motion klare und objektive Kriterien gelten. Die Motion betrifft Personen im altrechtlichen Verfahren, die vor Ende Februar 2019 ein Asylgesuch gestellt und kein Asyl erhalten haben, aber nicht ausreisen können.
Betroffen insbesondere Menschen aus Tibet
Rund 3000 Menschen steckten Ende 2019 in der Nothilfe fest, wie es in der Motion gestützt auf Angaben des Bundes hiess. Sie müssten ohne Perspektive mit acht bis zehn Franken im Tag auskommen, sagte Nik Gugger (EVP/ZH), der die Motion übernommen hatte. Es gehe darum, «die letzten Narben der langwierigen Asylverfahren» zu kurieren. Betroffen seien namentlich Menschen aus Tibet.
Der Bundesrat war gegen die Motion und erinnerte an die Einzelfall-Regelung für Härtefälle. Wer einen abschlägigen Asylentscheid bekommen habe, sei zur Ausreise verpflichtet. Diese Menschen kollektiv mit einer Regularisierung zu belohnen, sei nicht vertretbar. Profitieren würden auch Menschen aus Staaten mit tiefen Schutzquoten, etwa aus Algerien, Marokko und Georgien.
Prämienschulden sollen Selbstständig-Erwerbende nicht in den Konkurs treiben. Der Nationalrat wünscht dafür eine Anpassung des Gesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) und fordert, offene Prämienrechnungen der Grundversicherung als Privatschulden zu behandeln.
Mit 94 zu 93 Stimmen und einer Enthaltung sagte die grosse Kammer am Donnerstag Ja zur entsprechenden Motion ihres Präsidenten Martin Candinas (Mitte/GR). Die Motion geht nun an den Ständerat.
Wer im Handelsregister eingetragen und mit den Prämien im Rückstand sei, werde nach geltendem Recht auf Konkurs betrieben, heisst es im Motionstext. Dies sei der Fall, obwohl Prämienschulden mit der geschäftlichen Aktivität nichts zu tun hätten. Berufliche Existenzen so zu zerstören, sei fragwürdig.
Mit einem Pfändungsverfahren, wie es gegenüber Privatpersonen aufgenommen werde, könnten Konkurse vermieden und die Verfahren schneller abgeschlossen werden, hiess es in der Begründung der Motion.
Der Bundesrat plädierte jedoch für ein Nein zu einer solchen Ausnahmeregelung: Die Pfändung vermeide Konkurse von überschuldeten Selbstständigen nicht, sondern verzögere sie nur, und zwar zu Lasten der Gläubiger. Bei den Prämien wäre zudem mit einer schlechteren Zahlungsmoral zu rechnen.
Die Reform der beruflichen Vorsorge steht. Die Räte haben sich am Donnerstag in den letzten Details der Vorlage geeinigt. Noch gibt es zwei weitere Hürden zu meistern: die Schlussabstimmung am Freitag sowie eine als sicher geltende Referendumsabstimmung.
Der Ständerat will den Bundesrat nicht zu mehr Unterstützung für die iranische Zivilgesellschaft im Kampf für die Rechte der Frauen und die Menschenrechte generell verpflichten. Anders als der Nationalrat hat er einen entsprechenden Vorstoss mit knappem Mehr abgelehnt.
Zu befinden hatte die kleine Kammer am Donnerstag über eine Motion ihrer Aussenpolitischen Kommission (APK-S). Diese wollte den Bundesrat beauftragen, Massnahmen zu ergreifen, soweit diese sinnvoll und angemessen sind. Der Ständerat verwarf den Vorstoss knapp mit 20 zu 19 Stimmen bei einer Enthaltung.

In der vergangenen Woche hatte der Nationalrat eine ähnliche Motion seiner eigenen Aussenpolitischen Kommission gutgeheissen. Diese verlangt allerdings zusätzlich die Übernahme aller Sanktionen, die die EU im Zusammenhang mit der gewaltsamen Unterdrückung der Protestbewegung im Iran ergriffen hat.
Über die Sanktionspolitik hatte der Ständerat am Donnerstag nicht zu befinden. Er wird sich mit der Frage zu einem späteren Zeitpunkt befassen – bei der Behandlung der Motion aus dem Nationalrat.
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Kritik an Symbolpolitik
Mit dem Entscheid vom Donnerstag setzte sich eine ablehnende Minderheit der Kommission durch. Diese sah in dem Vorstoss reine Symbolpolitik. Eine Annahme des Vorstosses könnte sich als kontraproduktiv erweisen, sagte Marco Chiesa (SVP/TI).
Die Schweiz müsse die diplomatischen Türen offenhalten, um ihre Vermittlerrolle spielen zu können, kritisierte Thomas Minder (parteilos/SH). Ohnehin bewirke die Sanktionspolitik gegen den Iran kaum etwas.
Auch der Bundesrat stellte sich gegen die Kommissionsmotion. Er verwies auf den Menschenrechtsdialog mit Teheran. «Dieser Dialog ist nicht wirkungslos», betonte Aussenminister Ignazio Cassis. Man habe auch konkrete Fälle von Hinrichtungen bedrohter Personen diskutieren können. Es gebe nur wenige Staaten, die ihre Kritik an der iranischen Regierung so offen anbringen könnten.
Eine Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen sei zudem risikoreich, da Aktivistinnen und Aktivisten Repressalien drohten, gab Cassis zu bedenken. Die Schweiz habe die Menschenrechtsverletzungen im Iran mehrfach verurteilt.
Hunderte Menschen getötet
Angesichts der Art und Weise, wie das iranische Regime Menschenrechte mit Füssen trete, sei eine Unterstützung der Zivilgesellschaft das Mindeste, was die Schweiz tun könne, warb Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU) erfolglos für die Annahme der Motion.
Hintergrund der Diskussion ist die jüngste Protestwelle im Iran. Ausgelöst hatte die Massenkundgebungen gegen das islamische Herrschaftssystem der Tod der jungen Kurdin Jina Mahsa Amini.
Amini war im September 2022 in Teheran festgenommen worden, weil sie angeblich ihr Kopftuch nicht korrekt getragen hatte. Wenige Tage später starb sie in Polizeigewahrsam. Laut ihrer Familie war die junge Frau vor ihrem Tod misshandelt worden. Laut Menschenrechtsorganisationen töteten Angehörige der Sicherheitskräfte seit Beginn der Proteste hunderte Demonstrierende.
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Betreiber kritischer Infrastrukturen sollen Cyberangriffe mit grossem Schadenspotenzial künftig melden müssen, innerhalb von 24 Stunden. Das hat der Nationalrat am Donnerstag entschieden. Wer der Meldepflicht vorsätzlich nicht nachkommt, riskiert eine Busse.
Die grosser Kammer hiess die nötigen Änderungen im Bundesgesetz über die Informationssicherheit beim Bund mit 132 zu 55 Stimmen gut. Die Vorlage geht nun an den Ständerat.
Auf Antrag seiner Sicherheitspolitischen Kommission (SIK-N) beschloss der Nationalrat eine Ausweitung der Meldepflicht. Diese soll nicht nur für Cyberangriffe mit grossen Schadenspotenzial umfassen, sondern auch schwerwiegende Schwachstellen in Computersystemen. Die Kommission versprach sich davon präventive Wirkung.
Zentrale Meldestelle für Cyberangriffe soll das Nationale Zentrum für Cybersicherheit (NCSC) sein. Es soll ein elektronisches Meldeformular zur Verfügung stellen. Meldungen könnten dadurch einfach erfasst und auf Wunsch direkt weiteren Stellen übermittelt werden, schrieb der Bundesrat.
Der Bund soll Kosten und Aufwand für die Beantwortung von Vorstössen der Räte nicht ausweisen müssen. Ebensowenig soll er vor der Behandlung in den Räten die geschätzten Kosten einer allfälligen Annahme von Motionen und Postulaten offenlegen müssen.
Der Nationalrat lehnte am Mittwoch zwei parlamentarische Initiativen mit knappen Mehrheiten ab. Beide sind vom Tisch. Sie fanden bei der SVP, der FDP und einem Teil der Mitte-Fraktion Zustimmung.
Mit der ersten Initiative forderte Fabio Regazzi (Mitte/TI), dass der Bund Kosten und den Zeitaufwand der Verwaltung für das Beantworten von Vorstössen offenlegen müsse.
Über 6000 Franken pro Vorstoss
Rund 2000 Vorstösse im Jahr reichten die Ratsmitglieder mittlerweile ein, argumentierte Regazzi, und dies ohne die Fragen aus der Fragestunde mitzuzählen. Die Bearbeitung jedes Vorstosses habe 2007 im Durchschnitt 6120 Franken gekostet, schrieb er zur Initiative. Inzwischen dürfte der Betrag weiter gestiegen sein.
Eine knappe Mehrheit der Staatspolitischen Kommission wollte von Preisschildern nichts wissen. Greta Gysin (Grüne/TI) befürchtete, dass damit ein Druck auf die Verwaltung entstehe, möglichst günstig zu arbeiten und gleichzeitig das Parlament geschwächt würde. Vorstösse als Kostenfaktor anzusehen, sei fehl am Platz.
Schweizer und niedergelassene Steuerpflichtige sollen neu einen Teil ihrer Einkommenssteuer freiwillig direkt von ihrem Lohn abziehen lassen können, als Quellensteuer. Der Nationalrat will so Steuerschulden vermeiden und der öffentlichen Hand zu ihren Mitteln verhelfen.
Mit 96 zu 88 Stimmen und mit 6 Enthaltungen hiess die grosse Kammer am Mittwoch eine parlamentarische Initiative von Emmanuel Amoos (SP/VS) gut. Für die Initiative hatten in der vorberatenden Kommission Vertreterinnen und Vertreter von SP, Grünen und GLP gestimmt. Im Rat setzte sich diese Minderheit durch.
Das Begehren geht nun an die Wirtschaftskommission des Ständerates (WAK-S). Stimmt sie zu, muss die Nationalratskommission einen Gesetzesvorschlag ausarbeiten – sie hat die Initiative zur Ablehnung empfohlen. Findet das Anliegen bei der WAK-S kein Gehör, hat der Ständerat zu entscheiden.
Der Nationalrat will strengere Transparenzregeln für Parlamentsmitglieder mit Mandaten bei Krankenversicherern und Krankenkassen-Verbänden. Diese sollen nach dem Willen der grossen Kammer ihre Entschädigungen offenlegen müssen.
Der Nationalrat nahm am Mittwoch mit 106 zu 69 Stimmen bei 14 Enthaltungen eine parlamentarische Initiative von Lorenzo Quadri (Lega/TI) an. Als Nächstes muss sich die Staatspolitische Kommission des Ständerats mit der Initiative befassen.
Für die Initiative stimmten nebst SP und Grünen auch zahlreiche Mitglieder der SVP-Fraktion, der Quadri angehört. Vereinzelte Ja-Stimmen gab es auch aus anderen Fraktionen.
Der Nationalrat will nichts wissen von einem Verkaufsverbot von neuen Autos und leichten Nutzwagen mit Verbrennermotor ab dem Jahr 2035. Er hat eine parlamentarische Initiative von Gabriela Suter (SP/AG) abgelehnt.
Suter hatte ihre Initiative mit Verweis auf einen Entscheid des EU-Parlaments eingereicht, welches beschlossen hat, ab 2035 keine Autos mit Verbrennermotor mehr zuzulassen. Noch müssen diesem Entscheid aber die EU-Staaten zustimmen.
Der Nationalrat hat die Forderung von Rot-Grün nach einer zusätzlichen Ferienwoche für Arbeitnehmende abgewiesen. Mit 121 zu 68 Stimmen lehnte er am Mittwoch einen Vorstoss von Baptiste Hurni (SP/NE) ab. Damit ist das Anliegen vom Tisch.
Hurni verlangte mit einer parlamentarischen Initiative eine Anpassung des Obligationenrechts (OR). Angestellte sollten Anrecht auf wenigstens fünf Wochen Ferien haben und unter 20-Jährige auf wenigstens sechs Wochen. Heute schreibt das OR wenigstens vier beziehungsweise fünf bezahlte Ferienwochen vor.
Hurni begründete seine Forderung mit der ständigen Erreichbarkeit und der Gesundheit der Angestellten, etwa Burnouts. Man müsse besonders an jene denken, die die Schweiz während der Pandemie am Laufen gehalten hätten. Es gehe vor allem um Menschen mit tiefen Löhnen und wenig Ferien, doppelte Tamara Funiciello (SP/BE) nach.
Die Mehrheit der Rechtskommission (RK-N) war gegen die Initiative. Sie erinnerte an das Nein zur Volksinitiative für sechs Wochen Ferien von 2012. Es sei nicht erwiesen, dass mehr Ferienwochen weniger Stress bedeuteten, weil die gesamte Arbeitsbelastung dadurch nicht sinke.
Der Nationalrat will das absolute Moratorium für den Bau neuer Atomkraftwerke nicht aufweichen. Er hat im Rahmen der Debatte zum Energie-Mantelerlass mehrere entsprechende Anträge aus den Reihen der SVP und FDP abgelehnt. Das AKW-Bauverbot bleibt damit bestehen.
Der Nationalrat hatte am Mittwoch über insgesamt sieben Anträge zur Änderung des Kernenergiegesetzes zu befinden. Die von der SVP-Fraktion vorgebrachten Anträge waren vielseitig: So wurde etwa eine vereinfachte Bewilligung neuer AKWs an bereits bestehenden Standorten vorgeschlagen. Weiter stand die Forderung im Raum, den Bau von AKWs der dritten Generation zu ermöglichen.
Christian Wasserfallen (FDP/BE) verlangte zudem mit einem Einzelantrag die Aufhebung des heute absolut geltenden Verbots für den Bau neuer AKWs. Er stellte in seiner schriftlichen Begründung klar, dass die Streichung des Technologieverbots kein Freipass für künftige Atomkraftwerke sei. Am Ende müsse sowieso das Volk über neue Atomkraftwerke befinden.
Alle Anträge scheiterten im Nationalrat deutlich. SP, Grüne, GLP stimmten jeweils geschlossen gegen die Aufweichung oder Streichung des AKW-Bauverbots. Auch die Mitte und die FDP stimmten grossmehrheitlich Nein. In der entscheidenden Abstimmung lautete das Stimmenverhältnis 131 Nein zu 59 Ja bei 2 Enthaltungen
Der Ständerat lässt vom Bundesrat prüfen, welche Auswirkungen die Unternehmenssteuerreform auf die Beiträge an die AHV hat. Im Auge hat er Zahlungen an Gesellschafterinnen und Gesellschafter von Unternehmen, die diese Personen gleichzeitig beschäftigen.
Oppositionslos überwies die kleine Kammer am Mittwoch ein Postulat von Eva Herzog (SP/BS), das über ein Dutzend Ratsmitglieder aus mehreren Fraktionen mit unterschrieben hatten. Der Bundesrat erklärte sich einverstanden mit dem Auftrag.
Es geht um Gesellschafterinnen und Gesellschafter, die an einem Unternehmen zu mindestens zehn Prozent beteiligt und gleichzeitig dessen Angestellte sind. Die Unternehmenssteuerreform II habe die steuerliche Doppelbelastung für sie gemildert, begründete Herzog den Vorstoss.
Wiederholt aufgetaucht, aber vom Bundesrat wenig konkret beantwortet worden sei die Frage, wie sich diese steuerliche Entlastung auf das Beitragssubstrat der Sozialversicherungen auswirke. Es gehe um Korrekturmöglichkeiten, die über die bisherige «einzelfallgerechte Missbrauchsbekämpfung» hinausgingen.
Selbstständige gewännen mit der Gründung einer juristischen Person die Vorzüge der privilegierten Dividendenbesteuerung, hiess es im Postulat. Gleichzeitig profitierten sie von einer weitgehenden sozialversicherungsrechtlicher Beitragsbefreiung. Der Verlust des Beitragssubstrates für die Sozialversicherungen sei offensichtlich.
Laut der Begründung des Postulats könnte geprüft werden, ob Zahlungen an Gesellschafter und Gesellschafterinnen, die im Wesentlichen ein Lohn für Arbeit seien, als AHV-pflichtiges Einkommen behandelt werden müssten. Für das eingebrachte Kapital könnte es einen Abzug geben.
Der Ständerat lehnt die 2021 eingereichte Volksinitiative der Jungfreisinnigen für eine Koppelung des Rentenalters an die Lebenserwartung ab. Nach dem Ja des Volks zur AHV-21-Vorlage hält er eine weitere Anpassung des Rentenalters derzeit nicht für angebracht.
Mit 30 zu 11 Stimmen folgte der Rat am Mittwoch dem Antrag des Bundesrats und seiner vorberatenden Kommission, die Renteninitiative dem Volk zur Ablehnung zu empfehlen. Einen Gegenvorschlag brauche es nicht. Das Geschäft geht nun in den Nationalrat.
Im Ständerat hiess es, der Bundesrat arbeite ohnehin an einer Vorlage zur Stabilisierung der AHV für die Zeit von 2030 bis 2040. Diese Arbeiten sei abzuwarten. Zudem findet die Mehrheit des Ständerats, es wäre falsch, einen Automatismus zum Rentenalter in die Verfassung zu schreiben.
Die Jungfreisinnigen fordern mit ihrer Initiative, das Rentenalter in einem ersten Schritt für beide Geschlechter auf 66 Jahre zu erhöhen. Danach soll das Rentenalter pro Monat zusätzlicher Lebenserwartung um 0,8 Monate steigen.
Lesen Sie mehr dazu in unserem Ticker zur Debatte.
Das Bundesparlament stellt sich gegen die Initiative «Für ein besseres Leben im Alter». Nach dem Nationalrat hat am Mittwoch auch der Ständerat das Volksbegehren für einen Rentenzuschlag im Umfang einer 13. AHV-Rente abgelehnt.
In der kleinen Kammer setzte sich die bürgerliche Mehrheit mit 28 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung durch. Für die 13. AHV-Rente setzten sich SP und Grüne ein. In der Wintersession hatte schon der Nationalrat Nein zur Initiative des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) gesagt.
Die Mehrheit des Rates beurteilte wie der Bundesrat die Mehrkosten des Vorhabens als nicht tragbar. Laut der Landesregierung hätte eine Annahme der Initiative im Jahr 2032 Mehrausgaben von rund fünf Milliarden Franken zur Folge – zusätzlich zum prognostizierten Umlagedefizit von 4,7 Milliarden Franken.
SP und Grüne argumentierten, wegen sinkender Pensionskassenrenten und steigender Krankenkassenprämien hätten viele Rentnerinnen und Rentner immer weniger zum Leben. Dem müsse das Parlament entgegenwirken.
Der Nationalrat setzt beim raschen Ausbau der einheimischen Energiequellen prioritär auf 15 Wasserkraftprojekte. Bei den weiteren Beratungen zum sogenannten Energie-Mantelerlass hat er sich zudem gegen eine umfassende Solarpflicht auf Gebäuden ausgesprochen.
Die grosse Kammer setzte am Dienstag die Beratungen zum Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien fort. Auch am zweiten Tag der Marathondebatte folgte sie fast überall den Anträgen der Mehrheit der vorberatenden Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek-N).
So müssen die Kantone beispielsweise keine neuen Massnahmen im Gebäudebereich umsetzen. Zahlreiche von SP, Grünen und GLP befürwortete Effizienzmassnahmen – etwa die obligatorische Sanierung von Elektroheizungen oder das Verbot von Elektroboilern – wurden wie im Ständerat abgelehnt.
Das Parlament will einen indirekten Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei. Nach dem Ja des Nationalrats im Juni ist am Dienstag der Ständerat auf die Vorlage eingetreten. Deren Kern ist, Kostenziele im Gesundheitswesen gesetzlich festzuschreiben.
Die kleine Kammer lehnte einen Nichteintretensantrag aus den Reihen von SVP und FDP mit 23 zu 19 Stimmen und ohne Enthaltungen ab. Die Detailberatung ist noch im Gange.
Gemäss dem Gegenvorschlag soll der Bundesrat künftig nach Anhörung aller Akteure im Gesundheitswesen Kosten- und Qualitätsziele für die Leistungen für die darauffolgenden vier Jahre festlegen. Jeder Kanton kann sich daran orientieren und ebenfalls Kosten- und Qualitätsziele für die darauffolgenden vier Jahre festlegen.
Vorgaben, was passieren soll, wenn Ziele nicht erreicht werden, enthält die Vorlage nicht. Der Nationalrat hatte im Sommer entsprechende Bestimmungen gestrichen.
Das Parlament erhöht die Zielwerte für den angestrebten Ausbau der Wasserkraft und der anderen erneuerbaren Energien deutlich. Der Nationalrat will dabei die Restwasservorschriften bei der Neukonzessionierung von Wasserkraftwerken sistieren.
Die grosse Kammer ist am Montag bei den ersten materiellen Entscheiden zum Energie-Mantelerlass auf Konfrontationskurs mit den Umweltverbänden gegangen. Mit 95 zu 94 Stimmen bei einer Enthaltung stimmte sie einem Antrag der Kommissionsminderheit zu.
Demnach sollen die Restwasservorschriften bei Neukonzessionierungen von Wasserkraftwerken sistiert werden, bis die ambitionierten Ausbauziele erreicht sind. «Die Restwassermengen werden nicht kleiner als heute, aber erst später grösser», stellte Nicolo Paganini (Mitte/SG) klar. Mit den geltenden Restwasservorschriften seien die definierten Ziele nicht erreichbar. Der Ständerat muss darüber noch befinden.
«Nicht akzeptabler Entscheid»
Für Linke und Umweltschützer ist mit dem Entscheid des Nationalrats eine erste rote Linie überschritten. Nadine Masshardt (SP/BE) sprach von einem «unnötigen Angriff auf den Gewässerschutz und die Biodiversität». Angemessene Restwassermengen seien an der Urne mehrmals bestätigt worden. Eine Sistierung «wäre ein grosser Vertrauensbruch».
Laut Christophe Clivaz (Grüne/VS) riskiert der Nationalrat mit diesem «nicht akzeptablen Entscheid» das Referendum der Umweltschützer. Martin Bäume (GLP/ZH) gab zu bedenken, dass damit der von der Kommission ausgearbeitete Kompromiss mit Umwelt- und Fischereiverbänden gebrochen werde.
Auch Energieminister Albert Rösti warnte vergeblich vor einem Angriff auf die Restwassermengen. Der Bundesrat habe ein Postulat zu diesem Thema entgegengenommen. Er werde dieses so schnell wie möglich beantworten.
Die erneuerbare Energieproduktion in der Schweiz soll in den nächsten Jahren und Jahrzehnten deutlich ausgebaut werden. Darüber herrscht im Nationalrat Einigkeit. In der Eintretensdebatte sind aber auch die Streitpunkte beim Energie-Mantelerlass deutlich geworden.
Die grosse Kammer trat am Montag oppositionslos auf das Bundesgesetz über eine sicherere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien ein. Nun beginnt die Detailberatung, die sich über die nächsten zwei Tage erstrecken wird.
Während der anderthalbstündigen Grundsatzdebatte war klar zu erkennen, dass es bei der 141-seitigen Vorlage um viel geht. Kommissionssprecher Matthias Samuel Jauslin (FDP/AG) listete während rund zehn Minuten verschiedene Kernpunkte auf: ein Ausbau der Solarpflicht bei Gebäuden, eine beschleunigte Digitalisierung des Stromnetzes, eine zusätzliche Winterstromproduktion.
Er bilanzierte: Der sogenannte Energie-Mantelerlass sei die Voraussetzung für einen raschen und gezielten Ausbau der erneuerbaren Energien. «Die Signalwirkung ist sehr gross.» Jauslin plädierte dafür, der «austarierten und mehrheitsfähigen» Vorlage der Kommission zuzustimmen. Dabei gelte es zuweilen über den eigenen Schatten zu springen.
Plädoyers für «naturfreundliche Energiewende»
Die Linke machte sogleich klar, dass der Ausbau der Energiestrategie nicht zulasten der Umwelt gehen könne. Die Nutz- und Schutzinteressen müssten sich die Waage halten, sagte Nadine Masshardt (SP/BE). Der Ständerat als Erstrat habe verschiedene rote Linien überschritten. Der Schutz der Biotope und der Restwassermengen unterhalb von Wasserkraftwerken dürfe nicht aufgeweicht werden.
Auch Bastien Girod (Grüne/ZH) trat für eine «naturfreundliche Energiewende ohne unnötige Eingriffe in die Natur» ein. Die Nationalratskommission habe erste Fehlentscheide der kleinen Kammer korrigiert. «Man könnte es aber noch besser machen.»
Mögliches Referendum
Die Bürgerlichen forderten «pragmatische Lösungen». Die zu bewältigenden Herausforderungen seien zahlreich, betonten mehrere Rednerinnen und Redner. Sie zählten die Dekarbonisierung, die Entwicklung der Elektromobilität, den Ersatz von fossilen Heizungen durch Wärmepumpen und das Bevölkerungswachstum auf.
Energieminister Albert Rösti appellierte während seiner ersten grösseren Debatte als Bundesrat dafür, den dringend nötigen Zubau von erneuerbaren Energien zu ermöglichen. «Wir brauchen in diesem Land dringend mehr Strom, insbesondere im Winter.» Die Solarpflicht für bestehende Bauten sei aus Sicht des Bundesrats aber gefährlich. Dies gelte es noch zu korrigieren.
Jugendliche Straftäterinnen und Straftäter sollen verwahrt werden können, wenn sie Dritte gefährden. Der Ständerat will über Anpassungen im Jugendstrafrecht debattieren. Gegen den Willen seiner vorberatenden Kommission ist er auf die Vorlage eingetreten.
Der Ständerat entschied dies am Montag mit 22 zu 17 Stimmen und bei einer Enthaltung und gegen den Willen einer knappen Mehrheit seiner Rechtskommission (RK-S). Die Schweiz verfüge bereits über ein sehr gut funktionierendes Jugendstrafrecht, hatte diese den Antrag auf Nichteintreten begründet.
Der Bundesrat hatte die Vorlage im Auftrag des Parlaments erstellt. 2016 hatte dieses eine Motion von Andrea Caroni (FDP/AR) angenommen. Caroni forderte, dass junge Straftäterinnen und -täter, die wegen der Altersgrenze aus dem Vollzug entlassen werden müssten, dort bleiben können müssten, wenn die Sicherheit Dritter es erfordere.
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