«Nationaler Zusammenhalt wäre nur noch ein leeres Wort»
Nach jahrelangem Streit steht die Reform des nationalen Finanzausgleichs kurz bevor – doch aus dem Wallis gibt es Widerstand.

Steile Bergwelt hier, hohe Glasfassaden dort: Topografisch und wirtschaftlich trennen die Kantone Wallis und Zug Welten. Ein gutes Abbild dafür sind die Geldflüsse im nationalen Finanzausgleich NFA. Während die Walliser nächstes Jahr 730 Millionen Franken von den Miteidgenossen erhalten, muss der Kanton Zug 330 Millionen einzahlen. Jeder fünfte Franken, den der Kanton Wallis ausgibt, stammt aus dem NFA. Umgekehrt fliesst jeder fünfte Franken des Zuger Kantonsbudgets in den NFA.
Nun prallen die beiden Welten auf der politischen Bühne aufeinander. Ende Jahr kommt eine Reform des NFA ins Parlament. Wenn sie gelingt, müssen die Geberkantone wie Zug, Zürich oder Basel zwar weniger einzahlen als heute, aber immer noch mehr als ursprünglich – bei der NFA-Einführung 2008 – vereinbart. Die Geberkantone stehen geschlossen hinter diesem Kompromiss, die meisten Nehmerkantone ebenfalls. Offen bekämpft wird er nur von den Wallisern und Jurassiern, unzufrieden sind zudem Bern, Freiburg und Neuenburg. Sprich: Die Mehrheit der Kantonsregierungen unterstützt die Vorlage.
«Kein gutes Gefühl»
Trotzdem ist die Reform gefährdet. Das zeigt ein scheinbar harmloser Vorstoss des Walliser CVP-Nationalrats Thomas Egger, umtriebiger Cheflobbyist der Berggebiete. Er verlangt vom Bundesrat eine Übersicht über die langfristigen Folgen der NFA-Reform und der Vorlage zu den Unternehmenssteuern (Steuervorlage 17), die zurzeit ebenfalls im Parlament ist. «Beide Reformen haben gravierende Auswirkungen auf die Nehmerkantone», sagt Egger. Der Bundesrat weigere sich aber, eine Gesamtbilanz zu erstellen, da es sich um zwei separate Vorlagen handle. Die Intransparenz ist laut Egger umso grösser, als beide Reformen diverse Übergangslösungen für die Nehmerkantone vorsehen. «Ich habe den Verdacht, man will uns mit diesen Zückerli kaufen.» Heute wisse niemand genau, was die Folgen für Kantone wie das Wallis seien. Auf dem Spiel stünden dreistellige Millionensummen pro Jahr. «Bei einem solchen Blindflug machen wir nicht mit», sagt Egger. Für ihn ist eine Verschiebung der Reform um weitere vier Jahre eine «ernsthafte Option». Dann wisse man auch mehr über die Folgen der Steuervorlage.
In der Tat liegt keine Übersicht über beide Vorlagen vor. Fachleute beim Bund begründen das damit, dass solche Prognosen sehr unsicher wären, da niemand weiss, wie sich die einzelnen Kantone im nächsten Jahrzehnt entwickeln. Allerdings zeigen die bekannten Zahlen zur Steuervorlage 17 tatsächlich, dass Geberkantone wie Zug und Schwyz zu den grossen Nutzniessern gehören.
Den Walliser Vorstoss hat man auch am fernen Zugersee registriert. Heinz Tännler (SVP), Finanzdirektor des weitaus grössten NFA-Geberkantons Zug, ist beunruhigt. «Ich habe kein gutes Gefühl», sagt er. Tännler ärgert sich über den plötzlichen Widerstand im Parlament. Es sei reiner Zufall, dass die Steuervorlage 17 nun gleichzeitig diskutiert wird. «Aber für die Gegner ist das natürlich ein perfekter Vorwand, um die NFA-Reform hinauszuzögern.»
Die Zuger schreiben, ein Scheitern wäre ein «klarer Affront gegen jene Kantone, welche die Basis für den nationalen Wohlstand bilden».
Sorgen macht sich Tännler nicht nur wegen Eggers Vorstoss, sondern auch wegen Ständerat Claude Hêche (SP) aus dem Jura, der Vorstösse in dieselbe Richtung eingereicht hat. Die grosse Frage ist, ob die Wallis-Jura-Connection eine Mehrheit zur Verschiebung der NFA-Reform zustande bringt. Dieses Risiko sei real, sagt der Zuger Tännler. Beunruhigt ist er vor allem, weil das Parlament den NFA-Entscheid mitten im Wahljahr 2019 fällen muss. Somit könnten Egger, Hêche und ihre Mitstreiter alle Parlamentarier aus Nehmerkantonen unter Druck setzen, befürchtet Tännler. Welcher National- oder Ständerat wolle sich im Wahlkampf schon vorrechnen lassen, wie viel Geld sein Kanton seinetwegen verliert.
Angesichts dieser Risiken arbeiten Tännler und seine Zuger Regierungskollegen bereits an einer Drohkulisse. In ihrer Stellungnahme an den Bundesrat schreiben sie, ein Scheitern wäre ein «klarer Affront gegen jene Kantone, welche die Basis für den nationalen Wohlstand bilden». Und: «Solidarität und nationaler Zusammenhalt wären nur noch leere Worte.» Man werde sich sogar überlegen, ob man in nationalen Gremien wie den interkantonalen Regierungskonferenzen überhaupt noch mitwirken soll.
Eine leere Drohung? «Nein, das ist unser voller Ernst», sagt Heinz Tännler. Warum solle Zug in nationalen Gremien mitarbeiten, wenn man nach vielen Jahren des Bemühens noch immer nichts erreicht habe? Es wäre nicht das erste Mal, dass eine NFA-Debatte eskaliert. Genau dasselbe ist 2015 geschehen, als das Parlament wie alle vier Jahre festlegen musste, wie gross die Umverteilung von «reichen» zu «armen» Kantonen sein soll. Die Debatte geriet zu einem wüsten Schacher. Nach geschlagener Schlacht rauften sich die Kantone zusammen und einigten sich auf den Kompromiss, der nun die Basis der geplanten NFA-Reform bildet. Diese soll Zerreissproben künftig verhindern, kann aber auch neue auslösen.
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