YB verliert eine treue SeeleNach 16 Jahren verlässt Piserchia die Young Boys
Mehrmals war Assistent Erminio Piserchia bei YB als Interimstrainer eingesprungen. Zuletzt trainierte er den Nachwuchs, bald geht der 56-Jährige neue Wege.

Egal in welcher Situation und Position er bei YB gerade war, Erminio Piserchia verfolgte stets den gleichen Grundsatz: «Ich habe einen Auftrag zu erfüllen.» Nie ging es ihm darum, Werbung in eigener Sache zu betreiben. Die Loyalität gegenüber dem Club und dem Cheftrainer war dem Assistenten stets das Wichtigste. Deshalb sind seit seinem ersten Training am 15. Oktober 2003 mit dem damaligen Coach Hans-Peter Zaugg nun 16,5 Jahre vergangen. Wenn er jetzt auf das bevorstehende Ende angesprochen wird, versagt Piserchia am Telefon die Stimme. YB ist dem 56-jährigen Baselbieter ans Herz gewachsen.
Nach Bidu Zaugg hiessen seine Cheftrainer Gernot Rohr, Martin Andermatt und Vladimir Petkovic. Alle mussten vorzeitig gehen. Aber keiner war ihm böse, dass er geblieben war und für ihn kurzzeitig das Ruder übernommen hatte. «Bei keinem Trainer habe ich hinter dessen Rücken gehandelt. Wenn ich anderer Meinung war, sprach ich dies an. Danach wurde die Angelegenheit ausdiskutiert und war erledigt.» Die Ehrlichkeit hat sich ausbezahlt. Noch heute ist der Sohn italienischer Einwanderer mit den ehemaligen Cheftrainern befreundet. «Im schnelllebigen Fussballgeschäft bedeuten mir diese guten Verhältnisse viel.»
Das Lob der Töchter
Die Rolle des loyalen Assistenztrainers wirkte bei Piserchia nie aufgesetzt. Und wenn ihm die Töchter sagen, dass er sich in all den Jahren als Mensch nicht verändert habe, ist das für ihn das schönste Kompliment. Vorübergehend hatte er mit den beiden Kindern während ihrer Ausbildung in Bern sogar eine Wohngemeinschaft gebildet. Domizil der Familie Piserchia ist aber stets Therwil BL geblieben.
Um seine ruhige und bodenständige Art zu begründen, erzählt Piserchia ein wegweisendes Erlebnis aus seiner Aktivzeit, als er 1983 von Concordia Basel zu den Grasshoppers wechselte. «Karl Oberholzer besprach mit mir die Modalitäten und reichte mir am Schluss die Hand. Als 19-Jähriger hätte ich mich nie getraut zu fragen, wo denn der Vertrag bleibe.» Ein Papier erhielt der Jungprofi vom GC-Präsidenten nie, den Lohn jedoch immer. «Sein Wort und sein Handschlag waren mehr wert als jedes Papier, das hat mir imponiert und mich geprägt.»
Wechsel in den Nachwuchs
Als im Sommer 2011 Christian Gross nach Bern kam, übernahm Piserchia das Amt im Nachwuchs als Technischer Leiter. «Das war zwar nicht meine Welt, aber dennoch eine spannende Aufgabe, die ich mit viel Leidenschaft anging.» Gross wurde nur neun Monate später entlassen, so sprang Piserchia im Frühjahr 2012 ein fünftes und letztes Mal als Feuerwehrmann ein. Der 2:1-Erfolg am 23. Mai 2012 in Basel war sein letztes Spiel als YB-Interimstrainer. Zwölfmal hat er in der Super League an der Seitenlinie dirigiert, nur die ersten zwei Spiele gingen verloren. Hinzu kommen ein Sieg im Schweizer Cup und 2010 ein 2:2 in der Qualifikation zur Champions League gegen Fenerbahce Istanbul, als er den gesperrten Petkovic ersetzt hatte. Unter seiner Leitung gaben junge Talente wie Michael Frey oder Leonardo Bertone ihre Debüts bei YB. «Das beweist, dass ich den Mut hatte, etwas zu ändern», blickt Piserchia zurück. Treuer Begleiter während all der Jahre war Goalie Marco Wölfli. «Mit ihm verbindet mich enorm viel.»
Die Zukunft ist offen
Unter Sportchef Fredy Bickel wurde Piserchia 2014 wieder Trainer. Er übernahm die U-18-Equipe. Seit drei Jahren betreut er die U-16-Junioren. Mit ihnen hätte er in diesem Frühjahr um den Schweizer-Meister-Titel kämpfen wollen, nachdem es in der Saison 2017/18 gelungen war, die Meisterschaft zu gewinnen. Wegen der Corona-Pandemie sitzt Piserchia, der seit 2015 die Uefa Pro Lizenz, die höchste Trainerausbildung, besitzt, jedoch in Therwil im Homeoffice und stellt online Aufgaben für die Spieler zusammen. Gerne hätte er in der nächsten Saison bei YB wieder eine Stufe höher gearbeitet, doch im Club sind alle Positionen besetzt. Deshalb hat er sich schweren Herzens entschieden, den auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern und eine neue Herausforderung zu suchen. Piserchia erhofft sich, einmal nicht als Interims-, sondern als Chefcoach im Profibereich wirken zu können.
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