«Moskau einfach!»
Nicht besonders teamfähig und ein Talent für pointierte Aussagen: Rudolf Friedrichs politische Weggefährten erzählen, wie sie den verstorbenen Alt-Bundesrat erlebten.
«Wenn die Linke einen Rüstungskredit ablehnte, konnte es durchaus vorkommen, dass Rudolf Friedrich ‹Moskau einfach!› in den Saal rief», erinnert sich Helmut Hubacher. Der langjährige SP-Präsident hat an den Freisinnigen Friedrich, den er zuerst als Nationalratskollegen und später als Justizminister erlebte, durchaus zwiespältige Erinnerungen. «Wenn es um die Landesverteidigung ging, kannte er kein Pardon. Es war Kalter Krieg, und die Wünsche des Militärdepartements waren für Friedrich absolut sakrosankt.» In anderen Fragen jedoch sei Friedrich liberaler und aufgeschlossener als viele Freisinnige jener Zeit gewesen, so Hubacher. «Wir haben es beispielsweise seinem Engagement zu verdanken, dass ein Teil der FDP-Fraktion unserem Kandidaten Martin Schubarth 1982 zur Wahl ans Bundesgericht verhalf. Viele Bürgerliche wollten von Schubarth wegen seines Einsatzes für die Anti-AKW-Bewegung nichts wissen.» Auch als Justizminister habe Friedrich mit einem liberalen Geist «positiv überrascht», stellt Hubacher fest. Steinegger: «Ausgeprägter Intellektueller» «Ja, Rudolf Friedrich hatte verschiedene Seiten. Er verfügte über ein starkes Bewusstsein für die kommunistische Gefahr - umgekehrt aber auch über eine grosse Sensibilität für die Anliegen des Landschaftsschutzes», sagt Franz Steinegger, früherer FDP-Präsident und ab 1980 Friedrichs Fraktionskollege. Den verstorbenen Bundesrat behält Steinegger als «ausgeprägten Intellektuellen» mit Talent zur pointierten Stellungnahme in Erinnerung. Im Bundesrat habe sich Friedrich im Übrigen nie ganz wohlgefühlt: Diesen Eindruck erhielten sowohl Hubacher als auch Steinegger. «Das Parlament lag ihm eher als die Exekutive», meint Steinegger. Und Hubacher erinnert sich daran, wie SP-Bundesrat Willi Ritschard den Junggesellen Friedrich einst als «einsamen Wolf» tituliert hatte. «Es waren womöglich nicht einfach Gesundheitsprobleme, die Friedrich zum Rücktritt brachten. Es dürfte eher so gewesen sein, dass sich Friedrich nicht in ein Team einleben konnte.» «Nicht warm geworden» Ohnehin sei man mit Friedrich als Mensch «nicht warm geworden», sagt Hubacher. Der Zürcher Bundesrat habe im Auftritt eine grosse Strenge ausgestrahlt. Demgegenüber denkt Steinegger beeindruckt an Friedrichs Rationalität zurück. «Immer hat er mit Argumenten zu überzeugen versucht.» Und sein Wissen und seine Kenntnisse seien erstaunlich, teils regelrecht überraschend gewesen. «Bei einem Fraktionsausflug am Lötschberg begann er plötzlich, jede Pflanze am Wegrand zu bestimmen. Das hatten wir wirklich nicht von ihm erwartet.»