Möglichst wenig Sand im Getriebe
Während seine Rivalen auf Punktejagd gehen, trainiert Roger Federer in Dubai. Warum die lange Wettkampfpause Sinn ergibt.

Liegt Roger Federer auf der faulen Haut, während seine Konkurrenten in Monte Carlo um «Game, Set and Match» kämpfen? Der Baselbieter wird sich zwar in Dubai ein paar gemütliche Stunden gönnen, doch in erster Linie arbeitet er im Emirat derzeit mit Konditionstrainer Pierre Paganini an seiner Fitness. Und die Einheiten mit dem Romand dürften eher anstrengender sein als ein Zweisatzspiel im Fürstentum.
Anders als nach dem Triumph am Australian Open, als Federer Körper und Geist eine längere Ruhepause gegönnt hatte, weilte er nach dem Doppelschlag in Indian Wells und Miami nur wenige Tage in den Ferien und nahm das Training danach gleich wieder auf. «Ich will im Rhythmus bleiben», sagt er.
«Ich brauchte das Vertrauen der Coachs, die mich unterstützten.»
Die achtwöchige Wettkampfabstinenz vor dem French Open in Paris nutzt er für einen ausgiebigen Aufbaublock mit intensivem Konditions- und Tennistraining. «Es ist ein guter Zeitpunkt für mich. Denn nach Wimbledon ist es zu knapp, weil die Rasensaison verlängert wurde. Zudem ging es letztes Jahr auf Sand nicht so gut mit dem Knie. Die Chance, dass ich auf Sand grosse Stricke zerreisse, ist geringer, daher will ich in dieser Phase nicht meine ganze Energie verpuffen», nennt er die Überlegungen, die zum Entscheid geführt haben.
Inspiriert zurückkehren
Wichtig ist dem Baselbieter, dass er motiviert und inspiriert in den Tenniszirkus zurückkehren wird. Sogar der Verzicht auf das French Open ist denkbar. Etwa am 10. Mai, nach dem Trainingscamp in Dubai (das durch die Reise nach Seattle für den «Match for Africa» gegen John Isner, 29. April, unterbrochen wird) will Federer mit seinem Team definitiv beschliessen, ob er den geplanten Wechsel auf Sand vollzieht. «Nur spielen, um zu spielen, das mache ich nicht mehr. Es gibt keine Wunder. Ich muss wirklich gut vorbereitet sein», hält er fest.
Sofern er gesund bleibt, ganz sicher dabei sein wird der Superstar an den Turnieren in Stuttgart, Halle und Wimbledon. Rasen ist seine Lieblingsunterlage. Obwohl sich die Plätze längst nicht mehr so schnell spielen wie zu den Zeiten von Boris Becker und Pete Sampras, kann Federer auf Gras wegen des flachen Ballabsprungs sein Offensivtennis am besten zelebrieren. Der Mercedes-Cup in Stuttgart ist ganz auf den Gast aus der Schweiz ausgerichtet. «Roger Federer live erleben, hautnah», nennt Turnierdirektor Edwin Weindorfer das Motto.
Logisch, wird der Hauptattraktion jeder Wunsch von den Lippen abgelesen, was Federers Erfolgsaussichten noch verbessert. Klar, durch den Verzicht auf die grossen Sandplatzevents in Monte Carlo, Madrid und Rom entgehen dem Leader im Jahresranking wichtige Punkte. Doch die Planung des 35-Jährigen ergibt durchaus Sinn.
Hartplatztennis auf Sand
Seine Erfolge in diesem Jahr basierten in erster Linie auf der noch offensiveren Ausrichtung. Mehrere Wochen auf dem roten Mergel hätten zweifellos zu einer defensiveren Spielweise geführt. Federer sagt selber, es sei einfacher, passiv zu agieren und sich auf den Rückhand-Slice zu verlassen. «Aber vielleicht spiele ich mein offensives Hartplatztennis auch auf Sand.
Ist das Wetter am French Open schön, geht es sehr schnell. Ich könnte sagen, dass ich das aggressive Spiel auch auf Sand zeige, auch als Vorbereitung auf die Rasensaison. Und nur, wenn ich verteidigen muss, nutze ich den Sand zu meinen Gunsten.» Zudem vermindert der Gewinner von 18 Grand-Slam-Turnieren die Gefahr, durch mehrere Niederlagen an Selbstvertrauen einzubüssen. Selbst wenn er in Paris früh scheitern sollte, könnte er daher mit einem guten Gefühl nach Stuttgart reisen – und, wenn dort und in Halle alles nach Plan läuft, mit breiter Brust nach Wimbledon.
«Die Chance, dass ich auf Sand grosse Stricke zerreisse, ist geringer, daher will ich in dieser Phase nicht meine ganze Energie verpuffen.»
Der Schlüssel zum Erfolg in den drei Partien gegen Rafael Nadal war generell der Rückhand-Topspin und speziell der Backhand-Return. Vermehrte Offensivaktionen auf der schwächeren Seite könnten in Zukunft auch in Duellen mit Andy Murray und Novak Djokovic zum entscheidenden Faktor werden.
Laut Federer ist der Umsetzung der neuen Taktik seit dem Rackettwechsel im Jahr 2014 – das jetzige Modell verfügt über einen grösseren Schlägerkopf – ein längerer Prozess vorausgegangen. «Als ich den neuen Schläger hatte, merkte ich, dass ich damit einfacher über den Ball komme.» Trotzdem sei es ursprünglich nicht sein Ziel gewesen, mit der Rückhand zu dominieren.
Lüthis Einfluss
Federer erzählt, wie ihn seine Coachs Severin Lüthi, Stefan Edberg und Ivan Ljubicic animierten, beim Backhand-Return häufiger den Topspin zu benützen. Namentlich der Berner Lüthi wollte schon länger, dass Federer die Bälle vor der Grundlinie returniert.
Er habe eingewandt, der Ball komme dann sehr schnell auf ihn zu, erzählt der Baselbieter. «Aber Seve entgegnete: ‹Das macht gar nichts. Du bist in dieser Hinsicht der Beste, und wenn du den Ball triffst, kannst du extrem viel Druck erzeugen.› Ich brauchte das Vertrauen der Coachs, die mich unterstützten. Jetzt sind wir da, wo wir sind.»
Und es gefällt Roger Federer dort, wo er derzeit ist – auf Wolke 7. Und die grösste Chance, dort zu bleiben, hat er nun mal, wenn er möglichst wenig auf Sand und möglichst oft auf Rasen antritt.

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