Mladic verteilte kurz vor Massaker Schokolade – ein Junge erinnert sich
Kurz vor dem Massaker in Srebrenica hat Ratko Mladic Süssigkeiten an Kinder verteilt und ihnen versprochen, dass niemandem etwas passieren werde. Ein Video zeigt diesen Moment. Der Junge blickt heute zurück.
Ein grinsender, schlaksiger Mann streichelt einem muslimischen Jungen den Kopf und verspricht ihm, dass alles gut werde: Bei dem Mann handelt es sich um den mutmasslichen Kriegsverbrecher Ratko Mladic, der wenige Stunden später die Ermordung von über 8000 Männern und Jungen in Srebrenica überwacht. Dies zeigen Videoaufnahmen, welche die Nachrichtenagentur AP veröffentlicht hat.
Der Junge im Video ist heute 24 Jahre alt und erinnert sich noch genau daran, was am sonnigen Julitag im Jahr 1995 passiert ist. «Ich war damals acht Jahre alt und hatte keine Ahnung, was vor sich ging oder wer Ratko Mladic war», sagt Izudin Alic gegenüber AP.
«Ich hatte keine Angst»
Alic war einer von Tausenden bosnischen Muslimen, die in das UN-Sicherheitsgebiet Srebrenica geflohen waren. Vor Ort hörte Alic, dass ein wichtiger Soldat Schokolade verteile. «Zusammen mit anderen Kindern machte ich mich auf den Weg dorthin und nahm einen Schokoladenriegel von Ratko Mladic entgegen», sagt er. «Er fragte, wie ich heisse, und ich sagte ‹Izudin›. Ich hatte keine Angst. Für mich stand die Schokolade im Mittelpunkt.»
Als Mladic im Video Alic nach seinem Alter fragt, antwortet dieser «zwölf», ohne sich des Risikos seiner Lüge bewusst zu sein. Das jüngste Opfer von Srebrenica war 14 Jahre alt.
Kurz vor dem Zusammentreffen hatte ihm sein Grossvater verboten, zu Mladic zu gehen. Aber Alic schlich sich unbemerkt aus dem Haus, in dem sich seine Familie versteckt hielt.
Vater im Wald ermordet
Der 8-Jährige verzehrte seine Schokolade, während Mladics Männer seinen Vater Sahzet in einem nahe liegenden Waldstück umbrachten. Sahzet war am Vorabend zusammen mit 15'000 anderen Männern in Richtung Berge geflohen. Kurze Zeit später wurden sie von Mladics Truppen gefasst. «Mein Vater wurde vor einigen Jahren in einem der Massengräber gefunden», erklärt Alic gegenüber AP, während er in einem Familienalbum blättert.
Das Video des mutmasslichen Kriegsverbrechers sorgt weltweit für Empörung. Zu gross ist der Widerspruch zwischen Mladics vorgetäuschtem Wohlwollen und der Realität des Massakers von Srebrenica.
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