Mitläufer an Kurdendemo hatte Angst
Im Herbst 2015 gerieten in Bern Kurden und Türken aneinander. Weil er sich nicht aus einem gewaltbereiten Pulk entfernte, kassierte ein Schweizer mit kurdischen Wurzeln eine bedingte Geldstrafe.

Der Beschuldigte erschien in feinem Zwirn vor Gericht. Aufrecht sitzend, mit gefalteten Händen auf dem Pult gab er der Richterin artig Antwort. «Es ist schade, dass mein Volk wegen des Vorfalls in einem schlechten Licht dasteht», sagte der 31-jährige Schweizer mit kurdischen Wurzeln mit sanfter Stimme.
Das Missverständnis
Ganz und gar unsanft ging es im Herbst 2015 in Bern zu und her. Bei gewalttätigen Zusammenstössen trugen Kurden und Türken den fernen Kurdenkonflikt in die Bundesstadt. 25 Personen wurden verletzt, darunter fünf Polizisten (siehe Kasten). Die Auseinandersetzungen entzündeten sich rund um eine Kundgebung, zu der türkische Nationalisten aufgerufen hatten.
Unter den kurdischen Demonstranten befand sich auch der Beschuldigte. Er wehrte sich gegen den Strafbefehl wegen Landfriedensbruchs und Gewalt und Drohung gegen Beamte. «Ich bin nicht gewalttätig geworden», sagte er gestern vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland. Er sei auch nicht in dieser Absicht an die Kundgebung gegangen.
Er habe im Vorfeld von der Kurdendemo gehört und beschlossen hinzugehen, so wie er dies schon des Öfteren getan habe. Als gebürtiger Kurde solidarisiere er sich mit seinem Volk. «Ich wusste nicht, dass die Kurdendemo nicht bewilligt war», beteuerte er. Er sei an dem Tag leicht verspätet beim Helvetiaplatz zu seinen Leuten gestossen, er hielt die Ansammlung von türkischen Nationalisten unweit davon für ein Störmanöver. In Wahrheit war es umgekehrt.
Die Anweisung
Bald schon bewarfen sich die verfeindeten Gruppierungen mit Flaschen. Als die Polizei die kurdischen Demonstranten über die Kirchenfeldbrücke Richtung Casinoplatz drängte, warf ein Teil davon mit Eisenstangen und anderen Gegenständen Richtung Ordnungshüter.
Dies bekam auch der Beschuldigte mit, wie er sagte und wie es auch Fotos zeigen. Warum er sich nicht aus dem gewalttätigen Pulk entfernt habe, wollte die Richterin wissen. «Innerhalb der Gruppe kam die Anweisung: ‹Bleibt zusammen!›», antwortete er. Das tat er auch – aus Angst. Zu präsent sei ihm noch ein Vorfall gewesen, als in Köln ein Kurde von Türken erstochen wurde, als er sich allein davonmachen wollte.
Auch wenn er selbst keine Gewalt ausübte, dass er in der Gruppe blieb, aus der Polizisten attackiert wurden, brachte dem im Verkauf tätigen Mann am Montag einen Schuldspruch wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte ein. Aus subjektiven Gründen könne man sein Bleiben ja nachvollziehen, meinte die Richterin, «aber Ihnen stand trotzdem die Möglichkeit offen, sich zu entfernen».
Dafür kassierte er eine bedingte Geldstrafe von 35 Tagessätzen à 120 Franken. Vom Landfriedensbruch sprach ihn die Richterin jedoch frei. Es sei nicht erwiesen, dass er auch bei jener Kurdengruppe dabei war, die sprayte und Flaschen gegen türkische Demonstranten warf.
Manch andere Richter hätten fürs Mitlaufen in der Gruppe, welche die Polizei attackierte, wohl auch den Landfriedensbruch als erfüllt gesehen, bemerkte die Richterin. Die Rechtsprechung sei sich darüber nicht immer einig. So gesehen hatte der Beschuldigte Glück, sah das Gericht in seinem Fall von dieser «doppelten Bestrafung» ab.
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