Mit Sozialpolitik und Zigarre gegen Berlusconi
Diese Woche wählt Italien ein neues Parlament. Das Mitte-links-Bündnis hat zurzeit die besten Umfragewerte. Deren Spitzenkandidat Pier Luigi Bersani könnte Monti als Ministerpräsident beerben.

Die dicke toskanische Zigarre zwischen den Lippen, das ist eines der Markenzeichen von Pier Luigi Bersani. Im Wahlkampf zur italienischen Parlamentswahl ab gestern ergänzte der Spitzenkandidat der Linken nun dieses staatsmännisch wirkende Bild um einen Anstrich voller Tatendrang: Ohne Jackett und mit hochgekrempelten Ärmeln sprach und gestikulierte er vor seinen Anhängern. Bersanis Mitte-links-Bündnis führte zuletzt in den Umfragen, der 61-jährige Politiker hat daher beste Chancen, Italiens neuer Ministerpräsident zu werden.
Die Urwahl für die Spitzenkandidatur hatte Bersani Anfang Dezember klar gegen seinen jungen Herausforderer Matteo Renzi gewonnen. Bersani hat bereits eine Menge Regierungserfahrung, gilt aber gleichzeitig als bodenständig. Wie zum Beweis dafür hatte er im Oktober seine Kampagne für die Urwahl an der Tankstelle in seinem Heimatdorf gestartet, die seinem Vater einmal gehörte und in der er selbst als Student seine kargen Finanzen aufbesserte. «Wer keine Wurzeln hat, kann keine neuen Blätter produzieren», merkte er damals an.
Niedriger Bekanntheitsgrad
In Europa ist Bersani zwar deutlich weniger bekannt als der scheidende Regierungschef Mario Monti oder dessen medienaffiner Vorgänger Silvio Berlusconi. Doch zuletzt erwarb sich Bersani etwa öffentliche Unterstützung von Frankreichs Staatschef François Hollande. Auch Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments, und Belgiens Regierungschef Elio di Rupo gaben ihm Rückendeckung.
Geboren wurde Bersani im September 1951 im kleinen Bettola im Osten der Nordregion Emilia Romagna, einer Hochburg der Linken. Schon früh zog es den studierten Philosophen und kurzzeitigen Lehrer in die Politik und dort zur Kommunistischen Partei. Mit deren Auflösung und Umorientierung 1991 tat er es vielen Kollegen gleich und schloss sich der heutigen Demokratischen Partei an. Einer Umfrage des Instituts Cise/Luiss zufolge gilt er vielen Italienern als «identitätsstiftende Seele» der Linken.
Privatisierung vorangetrieben
Im Jahr 1993 wurde Bersani Präsident seiner Geburtsregion und gab dieses Amt erst 1996 für den Posten des Industrieministers unter dem damaligen Regierungschef Romano Prodi auf. Später arbeitete er als Transportminister und sass im Europäischen Parlament, bevor er in Prodis zweiter Regierung Minister für wirtschaftliche Entwicklung wurde. In dieser Zeit ging eine Reihe von Privatisierungen in höchst unterschiedlichen Sektoren auf sein Konto.
Derzeit sitzt Bersani als Abgeordneter im Unterhaus. Als Nachfolger von Monti würde er dessen Politik der «Disziplin und Glaubwürdigkeit» fortführen, wie er wiederholt betonte. Zugleich will er eigene Akzente in der Beschäftigungspolitik und bei der sozialen Gerechtigkeit setzen. Das «drängendste» Problem für Italien seien mehr Investitionen und mehr Jobs, mahnte er an. Eine Koalition mit Montis im Zentrum angesiedelter Bürgerwahl gilt als wahrscheinlich, sollte es Bersani nicht gelingen, im Parlament eine Mehrheit zu erreichen.
Junge um sich geschart
Im Bemühen um eine breite Anerkennung umgab Bersani sich in der Vergangenheit öfter demonstrativ mit jungen Beratern und Parteikollegen. Und der Chef der Sozialdemokraten förderte die Frauen innerhalb der Partei. Er outete sich als Fan von Rockmusik und nahm sich wiederholt selbst aufs Korn. Auch die katholischen Wähler umgarnte der Politiker: Jüngst im italienischen Fernsehen nach seinen persönlichen Helden befragt nannte er den früheren Papst Johannes XXIII., der den Italienern bis heute als «der gute Papst» präsent ist.
Der seit über 30 Jahren verheiratete Politiker und zweifache Vater gilt als ehrlich - Bersani blieb verschont von der jüngsten Welle der Kritik in Italiens Medien gegen das Ausmass von Korruption und Verschwendung im Land. Und auch wenn Berlusconis Mitte-Rechts-Allianz zuletzt in der Gunst der Wähler gestiegen ist - vielen Italienern ist es sympathisch, dass Bersani ein erklärter Gegner des Cavaliere ist.
AFP/mrs
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