Mit Mediation gegen die Radikalisierung
Hafid Ouardiri, die Stimme gegen den radikalen Islam, will Jugendliche in Genf vom Dschihadismus abhalten.

Wie kann verhindert werden, dass sich Jugendliche radikalisieren? Hafid Ouardiri, Präsident der Stiftung «Fondation de l'Entre-Connaissance», versucht es in Genf mit Mediationsgesprächen. Den Erfolg gewalttätiger Organisationen erklärt er sich mit einer Orientierungslosigkeit und Sinnentleertheit, die einige Jugendliche empfinden. Diese könnten dazu führen, in der Gewalt einen Wert zu sehen. «Sie glauben, erst durch die Gewalt existieren zu können», sagt Ouardiri im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda.
Das beste Mittel, um eine Radikalisierung zu verhindern, ist aus Sicht des Intellektuellen, den Jungen das kritische Denken beizubringen. «Man muss die Jungen ganz einfach aufklären,» sagt der gebürtige Algerier, der in Frankreich studiert hat. Damit sie ihren eigenen Glauben kritisch reflektierten. Dann seien sie gar nicht erst empfänglich für gewalttätige Propaganda.
Organisationen wie der «Islamische Staat», die sonst von der Schwäche oder Unwissenheit der Jungen profitierten, um sie zur Gewalt zu verleiten, hätten dann keine Chance mehr. «Ein kritischer Geist ist die beste Gewaltprävention», ist Ouardiri überzeugt. Man merkt, dass er diese Sätze schon viele Male wiederholt hat. Sein Gesicht bleibt ernst, nur selten lässt sich ein feines, mediterranes Lächeln entlocken.
Es müsse verhindert werden, dass sich diese Jungen nicht aufgrund ihres Glaubens von der Gesellschaft entfernten, hält er fest. Und man müsse ihnen zeigen, wie sie für ihr Leben einen anderen Sinn entdecken könnten als die Gewalt - als ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft, in der sie leben.
Imame in der Pflicht
Eine wichtige Rolle komme hierbei den Imamen zu, sagt der Stiftungspräsident. Diese seien nicht nur dazu da, um den Islam zu lehren, sondern müssten auch aufzeigen, wie sich die Religion mit dem Leben in einer laizistischen und multikulturellen Gesellschaft vereinbaren lasse.
Die Schweizer Moscheen müssten ihrerseits dafür sorgen, dass ihre Vorbeter die hiesige Geschichte, Gesetze und politischen Strukturen kennen, fordert Ouardiri. Die Geistlichen sollten sich nicht einfach hinter den Mauern ihrer Moschee verkriechen, sondern sich aktiv in die Gesellschaft einbringen.
«Aus diesem Grund bin ich strikte dagegen, dass man Imame aus dem Ausland holen lässt», sagt Ouardiri und hebt die Stimme. Diese könnten den Muslimen in der Schweiz schlecht sagen, wie sich das religiöse Leben am besten mit dem gesellschaftlichen Leben vereinbaren lasse.
Eine Art Familientherapie
Seit ihrer Gründung im Jahr 1999 wurden in der Stiftung zwischen zehn bis fünfzehn Mediationen durchgeführt. Viel konkreter möchte der Mediator nicht werden. «Wir gehen sehr diskret vor.» Am Anfang stehe oft eine Anfrage von Eltern, die sich direkt an die Stiftung wenden oder die von der Genfer Polizei an ihn weitervermittelt werden.
Etwa Eltern, deren Sohn zum Islam konvertiert ist und plötzlich zu Hause beten will. Das bereite den Eltern Sorgen, weil sie vielleicht in den Medien von Konvertierten gehört haben, die eine Gehirnwäsche durchmachten und später in den Jihad geschickt wurden.
Verhinderung eines Bruchs in der Familie
Als erstes versuchen Ouardiri und sein Team jeweils, in einem vertraulichen Gespräch mit den Eltern herauszufinden, was genau ihnen Angst macht. Ist es die Tatsache, dass der Sohn betet? Oder eher der Umstand, dass er sich von der Familie entfernt hat? Wichtig sei, Angst abzubauen. Denn die Angst mache oft alles viel schlimmer, als es sei.
In einem zweiten Schritt gehe es darum, die Eltern mit dem Kind an denselben Tisch zu setzen. «Wenn wir spüren, dass ein Dialog einsetzt, halten wir uns zurück.» Das Ziel sei, zu verhindern, dass es innerhalb der Familie zum Bruch komme. Denn ein Riss in der familiären Bande könne zu jeder erdenklichen Gewalt führen, ist Ouardiri überzeugt. Der islamistische Terrorismus ist nur eine Variante davon.
SDA/kat
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