Mit 1000 Schutzengeln in die 2. Karriere
Nach einem Badeunfall wäre Tim Grossniklaus beinahe im Rollstuhl gelandet. Der Schicksalsschlag hat ihn gestärkt – nach Umwegen will er in Langnau endlich in der National League Fuss fassen.

Über vier Jahre sind seither vergangen. Aber alles ist noch da, jedes noch so winzige Detail. Wie er in der Türkei zum Arzt ging und dieser bei der Erstdiagnose versagte, das Ganze verharmloste. Wie er am Abend im Bett lag, voller Schmerzen, voller Sorgen. Wie er am nächsten Morgen aufwachte und in Panik geriet, weil er seinen Arm nicht bewegen konnte, weil der Körper die Befehle des Gehirns bestenfalls halbherzig ausführen wollte.
Wie er nach dem zweiten Spitalbesuch die Diagnose Halswirbelbruch ins Gesicht geschmettert bekam. Wie er mit der Rega in die Schweiz geflogen, im Inselspital notfallmässig operiert wurde. Und wie ihm die Fachkräfte versicherten, er habe unfassbares Glück gehabt.
24 ist Tim Grossniklaus mittlerweile, wobei er im Sommer 2015 quasi ein zweites Mal zur Welt kam, eine zweite Karriere lancierte, wie er sagt. In den Ferien war der Langnauer Eishockeyprofi beim Baden verunfallt, was genau vorgefallen war, will er für sich behalten. Den sechsten Halswirbel brach sich der Könizer, und die Ärzte sagten ihm, es sei um Zentimeter gegangen. «Hätte ich nicht 1000 Schutzengel gehabt, würde ich nun im Rollstuhl sitzen. Ich könnte sogar tot sein.»
Die grosse Dankbarkeit
Als ihm das bewusst wurde, schüttelte es ihn emotional durch. Es sei ihm richtig eingefahren, meint Grossniklaus. Er sitzt in der Ilfishalle auf der Spielerbank, tippt auf die Narbe, die geblieben ist, erwähnt die Platte, welche zur Stabilisation im Körper bleiben wird. Dauerhafte Schäden aber hat er keine davongetragen, und nach ein paar Monaten Pause stand er wieder auf dem Eis.
Ein paar Checks brauchte er, bis das Vertrauen zurück, er im Kopf frei war. Beeinträchtigt ist er nicht, im Gegenteil, er gewinnt dem Schicksalsschlag gar Positives ab. Er schätze es, noch immer Eishockey spielen zu dürfen, in jedem Training, jedem Spiel. «Ich bin sehr dankbar. Und mit noch grösserer Leidenschaft dabei als früher.»
Kämpfen und «chrampfen» habe er müssen, um den Anschluss wieder zu schaffen, sagt Grossniklaus. Wobei «chrampfen» ganz gut passt zu seinem Karriereverlauf. Auf der Ka-We-De hat alles angefangen, bei Bern 96, mit 12 ging es zum SCB, beim Meister debütierte er in der NLA. Über die Rolle des Stifts kam er in Bern aber nicht hinaus, er unterschrieb in Rapperswil – und spielte zweitklassig, weil die St. Galler nach seiner Unterschrift den Ligaerhalt verpassten. 2017 wechselte Grossniklaus nach Davos, nur mit einem Probevertrag, er konnte sich aufdrängen, musste nach ein paar Wochen aber weiter. Er habe nie den leichten Weg genommen, habe auch mal etwas riskiert. Stets mit dem Ziel, das Beste aus sich herauszuholen.
Der ungeschliffene Diamant
Mitten in der Saison 2017/2018 fand Grossniklaus bei Servette Unterschlupf. Es hiess, er könne bleiben, wurde dann aber doch nicht weiterbeschäftigt – und stand im Sommer auf einmal ohne Club da. Und so machte er einen Schritt rückwärts, um wieder in die Spur zu gelangen. Beim zweitklassigen Olten entwickelte sich der Verteidiger zum Leistungsträger, die Verantwortlichen hätten ihn gerne gehalten, einige reagierten nach dem Abgang zu den SCL Tigers verärgert. Was für Grossniklaus einem Gütesiegel gleichkommt.
In Langnau ist der einstige Junioren-Nationalspieler einer von zehn Verteidigern, die sich um die sechs, sieben Plätze in der Abwehr balgen. Sportchef Marco Bayer meint, der Zuzug habe intakte Chancen. «Er ist ein ungeschliffener Diamant, mit dem wir intensiv im taktischen und technischen Bereich arbeiten werden.» Grossniklaus seinerseits spricht davon, seine Chance unbedingt packen zu wollen.
Mitte 20, hat er nicht nur einen fürchterlichen Unfall hinter sich, sondern auch beim grossen SCB gelernt, er ist von Arno Del Curto gedrillt worden, hat mit Chris McSorley am Verhandlungstisch gesessen. «Ich habe schon vieles erlebt», sagt Grossniklaus. An Langnau schätzt er das Beschauliche, das Familiäre. Manchmal auch das Angenehme. Zum Einstand musste er nicht wie anderswo vor versammelter Belegschaft ein Lied singen. Mit einem spendierten Essen während des Teamausflugs letzte Woche in München kam er vergleichsweise billig weg.
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