Miralem Sulejmani: Linke Sache
Er wirkt manchmal ein bisschen bequem. Eigentlich aber ist er zu brillant für die Super League. Doch auf dem prophezeiten Weg zum Topspieler wurde YB-Flügelspieler Miralem Sulejmani oft von fiesen Verletzungen zurückgeworfen.
Dieser linke Fuss. Einmalig in der Super League. Vielleicht sogar einer der besten Europas. Ein Fussballer, gesegnet mit diesem linken Fuss, müsste am Mittwoch im Champions-League-Viertelfinal zaubern. Stattdessen sitzt Miralem Sulejmani in den Katakomben des Stade de Suisse und spricht über seinen linken Fuss. Und über seinen rechten Fuss. «Ja, der linke ist deutlich besser», sagt der Serbe, «und, ja, ja, mein rechter ist nicht ganz so stark.»
Sulejmani ist 28, er wird in diesem Leben seinen rechten Fuss nicht mehr auf das Niveau des linken hieven können. Aber das muss er gar nicht, selten sind selbst Profis beidfüssig auf Toplevel.Am Sonntag, beim 1:1 der Young Boys in Basel, verpasste Sulejmani das 2:0 für die Gäste vor der Pause aus wenigen Metern, als er mit rechts aus bester Position deutlich links vorbeischoss.
«So ist das Leben. Solche Dinge passieren im Sport.»
«Das war eine grosse Chance», sagt Sulejmani, «leider hatte ich den Ball auf dem rechten Fuss.» Insgesamt jedoch glänzte der Serbe im St.-Jakob-Park mit Spielfreude, Dynamik, Dribbelstärke, er war kaum vom Ball zu trennen und bewies seine fantastischen Fähigkeiten. Seit einigen Wochen überzeugt Sulejmani wieder, nachdem er zuvor teilweise unerklärlich schwach, fast bequem agiert hatte.
Man könnte den 28-Jährigen in die Schublade «Schönwetterfussballer» stecken oder, das hört sich netter an, «Spassfussballer». Er ist keiner, der vorangeht, wenn es nicht läuft, aber er ist einer, der mit seiner Klasse den Unterschied ausmachen kann.
Viel teurer als Zlatan
Im Prinzip ist Sulejmani zu gut für YB. Zu brillant für die Super League. Mit knapp 18 Jahren wechselte das Supertalent Partizan Belgrads nach Holland, 18 Monate später überwies Ajax Amsterdam rund 25 Millionen Franken für ihn an den Kleinklub Heerenveen. Sulejmani ist bis heute mit weitem Abstand der kostspieligste Einkauf der ruhmreichen Ajax-Vereinsgeschichte, mehr als doppelt so teuer wie Zlatan Ibrahimovic ein paar Jahre vor ihm.
Sulejmani ist heute kein Weltstar, den jeder unter dem Vornamen kennt. Wie Zlatan. Nach 5 Jahren in Amsterdam zog er für zwei Saisons zu Benfica Lissabon, seit 2015 ist er bei YB – und galt bei seiner Ankunft als eine Art Meistermacher. Fünfmal in Serie war er Meister geworden, dreimal in Holland, zweimal in Portugal, mehrmals auch Pokalsieger, aber die schier ewige Titellosigkeit bei den Young Boys ist auch mit Sulejmani nicht beendet worden.
«Ich weiss, wie sehr man sich in Bern nach einem Pokal sehnt», sagt er. «Wir sind auf einem guten Weg, wir haben eine tolle Mischung aus Erfahrung und Talent.» Er habe allergrössten Respekt vor dem FC Basel, der wie eine Maschine sei, Titel um Titel gewinne und gegen die kleinen Teams deutlich effizienter als YB sei. «Aber ich würde in einem Direktduell immer auf uns setzen. Wir haben nicht das schwächere Team, müssen aber noch konstanter werden.»
«Mein Freund, das ist Fussball»
Die peinliche Niederlage Anfang März im Cup gegen Winterthur, die YB erneut weit zurückwarf, verfolgte Sulejmani verletzt auf der Tribüne. Eine Erklärung für die blamable, unbegreifliche Niederlage findet auch er nicht. Er erwähnt die Torchancen, das Pech, den Druck, sagt aber irgendwann auch: «Mein Freund, das ist Fussball. Deswegen gehen die Leute doch ins Stadion. Weil immer alles passieren kann.»
«Ich würde in einem Direktduell immer auf uns setzen.»
Seit bald 2 Jahren spielt Sulejmani für YB, an guten Tagen verkörpert er Sonderklasse wie sein linker Fuss, an schlechten Tagen ist er bestenfalls ein Mitläufer wie sein rechter Fuss, der dann nur dazu da ist, das Gleichgewicht nicht zu verlieren. «Jeder Fussballer wäre gerne konstant auf Topniveau», sagt Sulejmani, «aber leider werfen mich ab und zu Verletzungen zurück.» Trainer Adi Hütter erklärt ebenfalls, die regelmässigen Blessuren seien der Grund, warum Sulejmani nicht immer die Bestform abrufe.
Das Video auf dem Handy
Genau deshalb spielt dieser begnadete Techniker ja bei den Young Boys. Und nicht im Champions-League-Viertelfinal. Zahlreiche Brüche und Quetschungen, Zerrungen und Frakturen stoppten den Aufstieg Sulejmanis. Er ist kein Zlatan geworden. Obwohl er das Potenzial dazu zweifellos besass. Er sei deswegen nicht traurig, sagt er, «so ist das Leben», sondern «dankbar für die schönen Momente», die ihm der Fussball gegeben habe.
Als er gefragt wird, welches seine schlimmste Verletzung gewesen sei, zückt er sein Smartphone und zeigt auf einem Video jenen fürchterlichen Sturz, den er im Europa-League-Final 2014 in Turin erlebte. Mit Benfica spielte er gegen Sevilla, als er den Ball auf Höhe Mittellinie an Gegenspieler Alberto Moreno vorbeilegte – und von einer üblen linken Grätsche gestoppt wurde. Sulejmani flog hoch, er fiel von weit oben herab auf seine Schulter – und spielte weiter, rund zehn Minuten, an die er sich nicht erinnern kann. «Ich war wie weggetreten», sagt er.
Morenos Brutalo-Foul an Sulejmani. Quelle: as.com
Bald waren die Schmerzen so stark, dass er dem Schiedsrichter mit entrücktem Gesicht signalisierte, es gehe nicht weiter. Die schwere Schulterverletzung setzte ihn fast 8 Monate ausser Gefecht. Die alte Klasse hat er nie mehr erreicht. «Es ist, wie es ist», sagt Sulejmani. «Solche Dinge passieren nun mal im Sport.»
Realist, nicht Träumer
Miralem Sulejmani hat viel erlebt, Triumphe und Tiefs, Titel und Tragödien, und er hat sein Glück irgendwie doch auch in Bern gefunden. Er schwärmt von Ruhe und Schönheit, vom Rosengarten, in dessen Nähe er mit seiner Familie lebt, von seiner Verbundenheit zu Serbien, berichtet von seiner Verehrung für Tennisstar Novak Djokovic, der mit seiner Leidenschaft ein Vorbild für alle Leute in seiner Heimat sei. «Er ist der grösste serbische Sportler der Geschichte.» Und er erzählt, dass er gerne das Shooter-Game «Counter-Strike» spiele. «Es geht dabei nicht in erster Linie ums Ballern, da ist viel Taktik dabei.»
«Ich kann mir gut vorstellen, lange in Bern zu bleiben.»
Strategisches Geschick benötigt Sulejmani auch bezüglich seiner Zukunftsplanung. Bis 2018 ist er an YB gebunden, dann schliesst er seinen wohl letzten grossen Vertrag ab. «So alt bin ich auch nicht», sagt er schmunzelnd, «mir bleiben noch einige Jahre. Ich bin nicht fertig mit dem Fussball.» Sulejmani ist kein Träumer mehr, das Leben hat ihn zum Realisten werden lassen. Deshalb sagt er: «Ich kann mir gut vorstellen, noch lange in Bern zu bleiben.»
Das Nationalteam, für das er 20 Länderspiele bestritten hat, ist aktuell kein Thema. Serbien besitzt mal wieder eine herausragende Generation, die 2015 U-20-Weltmeister geworden ist. Nicht alle Talente werden den Sprung in ein grosses Fussballland realisieren, auch der YB-Flügelspieler hat nie in einer Top-5-Liga gespielt, was angesichts seiner aussergewöhnlichen Qualitäten überrascht.
Wohl kein Profit für YB
Und wegen der fehlenden Konstanz des Spielers sieht es auch nicht so aus, dass YB wie beabsichtigt Profit aus dem Engagement Sulejmanis, der rund 3,5 Millionen Franken Ablösesumme gekostet hat, ziehen wird. Vielleicht aber entwickelt er sich zum zuverlässigen Führungsspieler.
Er geniesst auch dank seiner Umgänglichkeit eine hohe Akzeptanz im Verein. Deutsch lernt er fleissig, will er im Gespräch aber in die Tiefe gehen, geht das besser auf Englisch. Das Leben in der Schweiz sei toll, sagt Sulejmani einmal. «Und es ist mir sehr wichtig, dass es meiner Familie auch gefällt.»
Bald will er einen Klub suchen für den 5-jährigen Sohn. «Er macht alles mit dem linken Fuss», sagt Sulejmani. Ein bisschen Stolz schwingt in der Stimme mit.
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