Migros drückt Israel einen Stempel auf
Mit einer umstrittenen Herkunftsbezeichnung für Produkte aus der Region Israel begibt sich die Migros auf ein politisches Minengebiet. Dass dies nicht gut gehen kann, hätten die Verantwortlichen vom Konkurrenten lernen können.

Die Botschaft der Migros, aus Transparenzgründen bestimmte Waren aus Israel künftig mit dem Zusatz «Israelisches Siedlungsgebiet» zu versehen, ist alles andere als neutral. Das vermeintlich unscheinbare Wörtchen «Siedlung» ist im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt ein aufgeladener Begriff, der polarisiert – und zumindest unglücklich gewählt ist.
Warum, ist schnell erklärt: Die einen sagen, die Siedlungen im Westjordanland sind israelische Gemeinden, die spätestens seit 1948 unrechtmässig aufgegeben werden mussten. Die anderen sehen darin spontan geschaffene Aussenposten der israelischen Militärpräsenz auf palästinensischem Gebiet. Welche Sicht der Dinge die richtige ist, darüber streiten Juden und Palästinenser seit der Staatsgründung Israels, also seit gut 64 Jahren.
Fakt ist: Das Westjordanland ist in drei Zonen geteilt: die Zonen A, B und C. Die Zone A ist für Israelis tabu. Zone C ist hingegen zugänglich. Waren aus dem Westjordanland werden aber häufig in mehreren Zonen verarbeitet. Der Erklärungsbedarf, woher die Ware kommt, würde damit natürlich steigen. Die Produkte, die die Migros ab Mitte 2013 kennzeichnen will, werden aber laut Medienmitteilung dahingehend nicht näher bezeichnet.
Welche Art der Differenzierung will die Migros ihren Kunden also mit der neuen Kennzeichnung ermöglichen? Zumal in der Medienmitteilung auch steht: «Diese Siedlungen sind gemäss Einschätzung der UNO und des Bundesrates völkerrechtlich illegal.» Eine neutrale Meldung, wie sie von einem Schweizer Detailhändler zu erwarten ist?
Gerne hätten wir gewusst, was genau die Migros mit den Aussagen meint. Doch die gesamte Kommunikationsabteilung der Migros ging auf Tauchstation. Brennende Fragen müssen wir derweil selbst beantworten. Mit Ironie auch diese: Will Migros-Chef Herbert Bolliger lösen, was US-Präsident Barack Obama nicht gelang? Der US-Präsident sagte vor einem Jahr: «Der Traum von einem jüdischen und demokratischen Staat kann angesichts der Besatzung des Westjordanlands nicht erfüllt werden.» Er sagte in dieser Rede aber auch: «Frieden kann Israelis und Palästinensern weder aufgezwungen werden, noch wird das Problem durch endlose Verzögerung verschwinden.» Einen potenziellen Konsumboykott wird die Migros weder beabsichtigt haben noch riskieren wollen. Tatsache ist, dass dies bei wenigen Importprodukten aus dieser Region kaum den erwünschten Frieden bringen wird.
Auch Coop hat sich im Ton vergriffen
Doch bleiben wir ernsthaft. Nicht nur die Migros vergreift sich bei dieser Beziehung im Ton. Migros-Konkurrent Coop hat vor einem Jahr Wurstwaren, die sich speziell an Muslime richten, aus den Regalen genommen. Fünf Wurstprodukte, als «halal» gekennzeichnet – also mit islamischen Vorschriften vereinbar –, wurden im Oktober 2010 aus dem Sortiment genommen. Coop-Sprecherin Sabine Vulic bestätigte das ein Dreivierteljahr später. Dabei hatte der Detailhändler die Wurstwaren als südosteuropäische Spezialitäten erst zwei Jahre davor in 37 grösseren Filialen aufgenommen. Die Begründung von Coop fiel zynisch aus: Die Nachfrage für die Wurstwaren sei zu gering gewesen. Das beweise die Tatsache, dass ihr Verschwinden kaum jemandem aufgefallen sei. Wo bleibt dabei das politische Feingefühl?
Zur Herkunftsbezeichnung befragt, sagt Coop-Sprecherin Sabine Vulic heute: «Coop betreibt keine Aussenwirtschaftspolitik und bevormundet seine Kundschaft nicht. Vor diesem Hintergrund ergreift Coop auch keine Boykotte, solange dies nicht der offiziellen Haltung der Schweizer Aussenpolitik entspricht.» Am Beispiel Kräuter als Lebensmittel teilt Coop mit, diese «sauber» mit «Herkunft Westjordanland» zu kennzeichnen. Immerhin: Zumindest das heikle Wort «Siedlung» wurde ausgespart. Doch Coop teilt auch mit: «Wir werden die Deklaration am Regal nochmals sorgfältig überprüfen und falls nötig, Anpassungen vornehmen.» Man darf also gespannt sein.
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