Formel 1 und Fridays for FutureMick Schumacher kommt vielleicht zu spät
Sein Formel-1-Debüt dürfte bald anstehen, doch die Zukunft des Sports ist ungewiss. Wie lang tolerieren die Menschen in Zeiten von Fridays for Future noch zum Spass kreiselnde Hybrid-Motoren?

Auf den Fahrer, sicher. Aber worauf achtet man genau? Zumal in diesem Jahr der Maske, in der sich die massgeblichen Anzeichen menschlicher Regungen hinter drei Lagen Tuch verbergen. Ist er konzentriert, oder wird er nun doch nervös? Und falls ja, wäre das überhaupt ein positives oder ein negatives Indiz für seine Qualifikation als Rennfahrer?
Elf Uhr eins. Ursprünglich sollte Mick Schumacher seit einer Minute in dem Rennwagen sitzen, der im nächsten Jahr seiner sein könnte. Nur hängt jetzt vor seiner Garage der Nebel so tief, dass er die Pfützen auf dem Asphalt berührt.
Die Formel 1 ist ein Sport voller strittiger Regeln, aber an einer zweifelt niemand: Wenn die Sicht so schlecht ist, dass der Rettungshelikopter nicht zum Krankenhaus fliegen kann, darf kein Rennwagen auf die Piste. Das gilt auch für das Auto des Sohns des Rekordweltmeisters.
Es wäre ein bewegender Moment gewesen
Mick Schumacher wartete und wartete am vergangenen Freitag, nach 60 Minuten wurde die Trainingseinheit abgesagt. «Bislang war es jedes Mal, wenn ich ein neues Auto getestet habe, nass. Immer!», sagte Schumacher. Man ahnte: Er wäre gern rausgefahren zu den Pfützen. Andererseits: Er hat seit seiner Kindheit gewartet, irgendwann kreist die Formel 1 auch mal wieder in der Sonne. Auf die paar Wochen kommt es auch nicht mehr an.

Der Ausritt Mick Schumachers in der Eifel wäre ja eine auf sehr vielen Ebenen im Wortsinn unglaubliche Geschichte gewesen. Ein klassisches Rührstück, in dem alles mögliche zusammengekommen wäre: Der Nürburgring, den seit sieben Jahren als Veranstaltungsort niemand mehr auf dem Zettel hatte, und der es nur wegen des Coronavirus in den Kalender schaffte. Vermischt mit den Gedanken an Vater Michael Schumacher, der ab Sonntag seinen Rekord von 91 Rennsiegen mit Lewis Hamilton teilen muss – ein Rekord, von dem man glaubte, die Menschheit breche auf in ferne Galaxien, ehe ihn jemand egalisiere.
An diesem Wochenende also wollten die Managements von Fahrer und Formel 1 die Gelegenheit nutzen, Mick Schumacher erstmals in seiner künftigen Rolle als Formel-1-Fahrer aus der Garage rollen zu lassen. Der Plan verschwamm im wabernden Nebel.
Vater Schumacher holte die Deutschen vor den TV
Menschen erinnern sich gern an Anfänge. Um zu verstehen, warum es so kam, wie es kam. Und um Theorien zu entwickeln, wie es vielleicht mal werden wird. Ehe Vater Schumacher im Jahr 1991 die Bühne der Formel 1 betrat, spielte diese in Deutschland keine Rolle. Nun drängt 29 Jahre später der Sohn auf dieselbe Bühne, und man fragt sich: Wie lang spielt sie noch eine Rolle? Wie lang tolerieren die Menschen in Zeiten von Fridays for Future noch zum Gaudi kreiselnde Hybrid-Motoren? Kommt Mick Schumacher zu spät?
1991, also zwölf Jahre vor der Geburt Greta Thunbergs, gab es in Deutschland niemanden, der es vermochte, die Menschen am Sonntag vor den Fernseher zu saugen. Es gab nur Michael Bartels aus Plettenberg, in erster Linie bekannt als zeitweiliger Freund von Steffi Graf. Und in zweiter Linie als Pilot, der viermal an der Qualifikation für ein Formel-1-Rennen scheiterte.
«Wir brauchen einen schnellen Deutschen, einen Schwarzen und eine Frau.»
Vermarkter Bernie Ecclestone, 89, damals schon genauso schlau und klein wie heute, fahndete mit Leidenschaft nach einem Helden aus dem Land der Autokonzerne. Sein Spruch ging um die Welt: «Wir brauchen einen schnellen Deutschen, einen Schwarzen und eine Frau.» Doch erst der Zufall und eine dreiste Lüge halfen Ecclestone.
Zufall, Lüge und viel Reizgas
Schumacher übernahm recht plötzlich den Platz von Bertrand Gachot. Der hatte wenige Tage vor dem Rennen in Spa-Francorchamps einen Termin in London. Am Hyde Park geriet er in die Rushhour. Ein Taxifahrer drängte sich vor Gachot in die Spur und provozierte mit unnötigen Bremsmanövern. Gachot wurde wütend, rammte die Stossstange des Autos vor ihm. Türen auf, Fahrer raus. Und dann gings rund. Der Taxifahrer packte Gachot an einer Krawatte, der Rennfahrer sprühte mit Reizgas. Dafür ging Gachot kurz ins Gefängnis. Aber lang genug für Schumacher.
Eddie Jordan suchte nun einen Fahrer, er fragte Schumachers Manager Willi Weber, ob sein Klient die Strecke in Spa gut kenne. Aber sicher, log Weber. Quasi blind könne er die legendär anspruchsvolle Strecke in den Ardennen befahren. Er sei doch ganz in der Nähe aufgewachsen: in Kerpen. Dabei wusste der damals 22 Jahre alte Schumacher nicht mal genau, wie er von seinem Heimatort zum Grossen Preis von Belgien kommen sollte.
Jordan fiel rein auf Webers Finte, liess den Neuling ins Auto – und musste ihn nach einem Rennen schon wieder weiterreichen. Ecclestone wollte seinen ersten schnellen Deutschen nicht bei Jordan rumpeln sehen. Er gab keine Ruhe, bis Schumacher bei Benetton unterkam. Mit diesem Team holte er seine ersten beiden Titel.

Der Zufall, der Mick Schumacher am Freitag fast zu seinem Trainingsdebüt verhalf, ist sein Erbe. Aber seit er kürzlich die Gesamtwertung in der Formel 2 übernommen hat, der Vorschule der Königsklasse, kann er seinen Kritikern diese WM-Punkte vorlegen, sollten sie mäkeln, er steige ausschliesslich auf, weil die Formel 1 den nächsten Schumacher zum Überleben benötigt. Auch wenn da sicher etwas dran ist.
Ein Werbeplakat der Automobilindustrie
Honda hat gerade erst seinen Ausstieg als Motorenhersteller zum Jahresende 2021 angekündigt. Die Japaner wollen Ressourcen bündeln, um sich auf alternative Antriebe zu konzentrieren. Ferrari, Mercedes und Renault sind nun die letzten verbliebenen Hersteller. Der Motorsport ist nichts weiter als ein Werbeplakat der Automobilindustrie. Was also passiert mit der Formel 1, sollte es sich nicht mehr lohnen, für Hybrid-Antriebe zu werben?
«Wie schon mein Vater gesagt hat.»
So weit muss Mick Schumacher vielleicht noch nicht denken. Er wolle erst einmal die Meisterschaft in der Formel 2 gewinnen, sein Ziel bleibe aber die Formel 1, sagte er an der Pressekonferenz. Die wurde wegen des riesigen internationalen Interesses an seiner Person nicht etwa abgesagt, obwohl seine Testfahrt ja ausgefallen war. Oh nein. Dafür erzeugt der Name Schumacher eine viel zu grosse Aufregung bei den Menschen. Das liegt nicht allein an dessen Rekorden, von denen bald kaum einer mehr übrig sein dürfte. Sondern auch an seiner Haltung zum Leistungssport.
Ob er es bedauere, dass Hamilton bald häufiger gesiegt haben könnte als sein Vater? Gar nicht, antwortet Mick Schumacher. «Wie schon mein Vater gesagt hat: Rekorde sind da, um gebrochen zu werden.»
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