MH-17-Abschuss: Ermittler belasten Russland schwer
Abgehörte Telefongespräche legen nahe, dass Russland immer die Kontrolle über die Separatistengebiete in der Ostukraine hatte.

«Ich führe hier nur die Befehle eines einzigen Staates aus – und das sind jene der Russischen Föderation.» Das sagte der damalige, international nicht anerkannte Premier der Volksrepublik Donezk, Alexander Borodai, in einem Telefongespräch, das offenbar abgehört wurde.
Das Gespräch fand Anfang Juli 2014 statt, wenige Monate nach der Besetzung des Donbass durch prorussische Separatisten und der Abspaltung der Region von der Ukraine. Zwei Wochen später, am 17. Juli 2014, wurde über dem Rebellengebiet das malaysische Passagierflugzeug MH-17 auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur von einer Boden-Luft-Rakete des russischen Typs BUK abgeschossen. Die 298 Passagiere und Crewmitglieder starben.
Das Telefongespräch mit Alexander Borodai. Die entscheidende Aussage folgt nach 6 Minuten. (Quelle: JIT)
In Europa wurde ein Gemeinsames Ermittlerteam (Joint Investigation Team, JIT) unter niederländischer Führung gegründet, das im Juni 2019 vier ehemalige Kommandanten der Separatisten anklagte. Jetzt veröffentlicht das JIT neue Dokumente, welche nahelegen, dass Moskau politisch, finanziell und militärisch immer die Kontrolle über die angeblich selbstständige Rebellenhochburg Donezk hatte – und damit auch für den Abschuss der MH-17 direkt verantwortlich ist. Die Ermittler suchen nun Zeugen, die dazu aussagen könnten.
Wie die BUK-Rakete aus Russland in die Ostukraine kam, wo sie stationiert war und wer beim Abschuss dabei war, hat das Internetportal «Bellingcat» in den vergangenen Jahren minutiös recherchiert und sowohl im Internet als auch in einem Podcast veröffentlicht.
Das JIT will nun aber auch die Hintermänner ausfindig machen. Dazu wurden Hunderte Stunden von Gesprächen am Telefon und über Funk ausgewertet, die damals abgehört worden waren, vermutlich vom ukrainischen Geheimdienst. Es sind Gespräche zwischen Kommandanten der Separatistentruppen, aber auch zwischen dem damaligen selbst ernannten Premier Borodai und seinem Verteidigungsminister Igor Girkin, genannt «Strelkow» (der Schütze).
Für beide war das süsse Leben in Donezk bald nach dem Abschuss der MH-17 vorbei. Moskau hatte offenbar genug von ihrem Dilettantismus. In einem Telefongespräch Mitte August 2014 teilt Strelkow seinem Premier mit, dass sie beide wieder «zum Personal» versetzt werden: «Alles wird sich hier ändern. Wir sind nicht mehr reiche Bauern, wir sind arme Bettler auf der Strasse.» Kurze Zeit später verlassen beide das Donbass-Gebiet Richtung Moskau.
In einem anderen Gespräch bestätigt ein Separatistenkommandant einem anderen Kommandanten, dass sie beide Befehlen aus Moskau folgen würden: «Wir bekommen die Befehle vom FSB. Und ihr von der GRU.» FSB ist der russische Inlandsgeheimdienst, GRU der Militärgeheimdienst. Auch die Finanzierung der Separatisten kommt aus Moskau. Manchmal klagen sie, dass sie schon zu lange auf Geld warten.
Russland dementiert jede Beteiligung
Das JIT will nun wissen, wer in der Russischen Föderation über die Zusammensetzung der Separatistenregierung 2014 entschied. In den abgehörten Gesprächen wird der Name des russischen Verteidigungsministers genannt, Sergei Schoigu. Das JIT will wissen, welche Rolle Schoigu und andere Vertreter des Kremls bei der Planung und Ausführung militärischer Operationen in der Ostukraine 2014 spielten. Sollten sich tatsächlich Zeugen melden, so bietet ihnen das JIT Hilfe und Schutz an.
Die russische Regierung dementiert weiterhin energisch jede Beteiligung am Abschuss der malaysischen Maschine. Im Sommer erschien ein Dokumentarfilm einer ehemaligen Journalistin des Propagandasenders RT, in dem das JIT beschuldigt wird, sämtliche entlastende Aussagen zugunsten Russlands zu ignorieren. Ausserdem seien die abgehörten Gespräche im Nachhinein manipuliert worden.
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