Weitere KapitalerhöhungMeyer Burger will vom Solarboom profitieren
Die Thuner planen eine Kapitalerhöhung um 250 Millionen Franken. Ihre Story lautet: Die Energiekrise fördert die Nachfrage für Solarmodule.

Das defizitäre Thuner Solarunternehmen Meyer Burger ist ziemlich routiniert darin, Zuversicht auszustrahlen. Die bereits fünfte Kapitalerhöhung seit 2009 wird ungebrochen verheissungsvoll angekündigt: Das Unternehmen ergreife eine «Chance für beschleunigtes Wachstum», schreibt die Firma im Titel der Mitteilung vom Dienstag.
Dabei steckt das Unternehmen seit zehn Jahren in den roten Zahlen. Die vom russischen Grossaktionär Petr Kondrashev initiierte Neuausrichtung zahlt sich noch immer nicht aus: Statt Produktionsmaschinen an die meist chinesischen Solarunternehmen zu liefern, stellt Meyer Burger seit 2021 selber Solaranlagen her.
Doch das Hochfahren der Produktion lief langsamer als ursprünglich erwartet, wie Verwaltungsratspräsident Franz Richter unlängst einräumte. Personalausfälle wegen der Pandemie und Lieferkettenprobleme trugen dazu bei. Höhere Preise als Konkurrenten aus Fernost wohl ebenso.
So resultierte im ersten Halbjahr 2022 bei einem Umsatz von 56 Millionen ein Verlust von 41 Millionen Franken. Das bei der letzten Kapitalerhöhung vor zwei Jahren erklärte Ergebnisziel wurde längst aufgegeben. Innerhalb von drei Jahren hätten ein Umsatz von 400 bis 450 Millionen Franken pro Jahr und eine operative Gewinnmarge von 25 bis 30 Prozent erreicht werden sollen.
Ausserordentliche GV in Thun
Stattdessen will das Unternehmen bereits wieder neues Geld einsammeln. Am 28. Oktober lädt Meyer Burger die Aktionärinnen und Aktionäre zu einer ausserordentlichen Generalversammlung nach Thun. Sie sollen einer Kapitalerhöhung zustimmen, die dem Unternehmen bis zu 250 Millionen Franken einbringt.
Die Story, mit der die Firmenleitung die Investoren nun überzeugen will, lautet: Die Nachfrage nach Solarmodulen wächst weltweit und insbesondere in Europa und den USA stark. Das werde durch die jüngste Energiekrise begünstig, heisst es. Denn Solar- und Windanlagen lieferten mittlerweile billiger Strom als fossile und atomare Kraftwerke.
Meyer Burger will vom erwarteten Nachfrageschub profitieren und die Produktion ausbauen. Die jährliche Produktionskapazität für Solarzellen und -module soll gegen Ende 2024 3 Gigawatt erreichen. Zur Einordnung: Bislang hat die erste Modullinie im Werk im ostdeutschen Freiberg eine Jahreskapazität von rund 0,4 Gigawatt. Der Aufbau der zweiten Linie, die jährlich Solarmodule mit einer Leistung von 1 Gigawatt produzieren kann, begann letzten Monat.
Hoffnungen auf US-Geschäft
Mit dem neuen Kapital ausgebaut werden sollen insbesondere die Solarzellenproduktion am zweiten ostdeutschen Standort in Thalheim und die Modulproduktion im neuen Werk in Goodyear im US-Bundesstaat Arizona.
Am Sitz in Thun ist neben der verbliebenen Entwicklungsabteilung dagegen weiterhin kein Wiederaufbau der Produktion geplant. Unternehmenssprecher Andreas Durisch bestätigt: «Das ist so, in der Schweiz geschieht Forschung und Entwicklung.»

Für das Werk in Goodyear konnte Meyer Burger kürzlich einen Grossauftrag vermelden. Die amerikanische Solarenergie-Investorin D. E. Shaw Renewable Investments bezieht demnach ab 2024 über fünf Jahre Module mit einer Leistung von 3,75 bis 5 Gigawatt.
Zudem rechnet Meyer Burger damit, von Steuergutschriften zu profitieren, weil die Firma in den USA produziert. Gemäss früheren Angaben sollen zunächst 250 Arbeitsplätze geschaffen werden, später seien bis zu 500 möglich.
Bankenzusage erfreut Anleger
Anleger teilten am Dienstag die Zuversicht der Meyer-Burger-Führung ein Stück weit. Der Aktienkurs legte um 8,1 Prozent auf 43,8 Rappen zu. Seit einem Höchststand im August war er allerdings auch um gut 30 Prozent gefallen. Zu welchem Preis die neuen Aktien gekauft werden können, wird erst kurz vor der ausserordentlichen GV bekannt gegeben.
Angesichts weltweit tauchender Börsenkurse und von Rezessionsängsten sind Investoren derzeit zurückhaltend. Meyer Burger packt aber eine Absicherung in die Ankündigung. Nicht gezeichnete Aktien würden von einem Bankenkonsortium übernommen.
Konkret verpflichten sich die beiden US-Investmentbanken Goldman Sachs und Jefferies sowie die Zürcher Kantonalbank, die übrig bleibenden Aktien zu kaufen, sodass Meyer Burger sicher 250 Millionen Franken erhält. Dies zu marktüblichen Bestimmungen, wie es heisst. Details werden nicht bekannt gegeben, auch nicht, wie sich die Banken das Engagement aufteilen.
Es werde aber erwartet, dass neue institutionelle Anleger als Aktionäre einsteigen würden. Der bisherige Grossaktionär Kondrashev, der über seine Anlagegesellschaft Sentis 10,01 Prozent der Stimmrechte hält, unterstützt die Kapitalerhöhung. Er werde vorbehaltlich der Bedingungen alle Bezugsrechte ausüben, also 10 Prozent der neuen Aktien kaufen. Bei der letzten Kapitalerhöhung hatte er zusammen mit verbündeten Aktionären noch rund 30 Prozent abgesichert und für 50 Millionen Franken neue Aktien gekauft.
Seither hat er einen Teil seiner Beteiligung verkauft. Das US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» schätzte sein Vermögen im August auf 1,5 Milliarden Dollar. Er soll im Bergbau bei der Privatisierung des Kalisalzförderers Silwinit reich geworden sein. Die NZZ bezeichnete ihn als Sowjetnostalgiker. Gegen den Investor, der seit Jahren in Wien lebt, sind aber auch im Zuge von Russlands Krieg gegen die Ukraine keine Sanktionen bekannt geworden.
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