Mehr Einwohner, weniger Geschäfte
Das Dorf hat immer mehr Einwohner, gleichzeitig nimmt die Zahl der Einkaufsläden ab. Demgegenüber ist das benachbarte Flamatt buchstäblich zum Shoppingcenter geworden.

In den letzten zwei Jahren ist die Einwohnerzahl von Neuenegg um gut 1000 auf heute 5735 angewachsen. Trotz dieser Zunahme nimmt die Zahl der Ladengeschäfte laufend ab. Längst verschwunden sind die Eisenwarenhandlung Wasserfallen und der Schuhladen Mauerhofer.
Die zwei Gärtnereien im Dorf gibt es nicht mehr, verschwunden ist auch der Polizeiposten, der Spezereiladen, die Papeterie, das Käsefachgeschäft sowie drei von fünf Bäckereien. Im Dorfzentrum halten Coop, Valiant und die Raiffeisenbank die Stellung.
Drogerie: Zu wenig Umsatz
Jüngstes Beispiel des Ladensterbens ist das Lokal neben dem Coop-Laden. Hier war eine Drogerie der Gurtner AG. Die Firma ist Eigentümerin der Räumlichkeiten, die jetzt verwaist und zum Kauf ausgeschrieben sind.
Dazu CEO Stephan Gerber: «Seit der Eröffnung des Polycenters in Laupen reichte unser Umsatz nicht mehr dafür aus, schwarze Zahlen zu schreiben.» Im neuen Laupner Einkaufszentrum ist nebst einem grossen Coop auch eine Apotheke mit Drogerie eingemietet.
Er habe eine Zusammenarbeit mit Coop angestrebt, sagt Gerber und bedauert: «Das kam aber leider nicht zustande.» Er glaubt, dass mit dem Neuenegger Dorfzentrum einiges schiefgelaufen sei, hatte die Gemeinde doch vor Jahren die Absicht geäussert, die Verwaltung in das Zentrum zu verlegen.
Etwas, das nie zustande kam. Coop hat die Ladenfläche seither verkauft und ist nun Mieterin. Gerber mutmasst, es sei eine Frage der Zeit, dass der Grossverteiler ausziehe, da die meisten Neuenegger in Flamatt und Laupen einkaufen würden. Davon will Coop aber nichts wissen: Man sei mit der Entwicklung der Filiale in Neuenegg sehr zufrieden und habe nicht vor, diese zu schliessen, teilt die Coop-Medienstelle auf Anfrage mit.
Vom Metzger zum Caterer
Nach wie vor gibt es in Neuenegg auch Florierendes: etwa zwei Metzgereien, in denen zwar nicht mehr geschlachtet, sondern nur noch zugekauftes Fleisch verarbeitet wird. Eine davon ist die ehemalige Pferdemetzgerei des Gemeindepräsidenten René Wanner, die seit 1991 auch ein Cateringbetrieb ist. «Mit den veränderten Einkaufsgewohnheiten ist das Catering jetzt unser Hauptstandbein», sagt Wanner.
Nebst dem Laden, in dem immer noch hauptsächlich Pferdefleisch verkauft wird, betreibt die Firma einen Balkanfleischladen. «Dort verkauft ein ehemaliger Lehrling Fleisch, das mit der Säge geschnitten ist, so wie das im Balkan üblich ist.» Dieser Laden ziehe Kunden aus der ganzen Schweiz an, sagt René Wanner.
Er und seine Ehefrau Margrit hatten also den richtigen Riecher, als sie ihr Geschäft neu ausrichteten. Trotzdem will der Metzgermeister das Ladensterben im Dorf und anderswo nicht wegdiskutieren. «Die alte, traditionelle Kundschaft stirbt weg, und die Jungen kaufen auswärts ein», analysiert Wanner die Lage und meint, dass daran auch eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten nichts ändern würde, weil die Tankstellenshops jeden Tag und abends bis 22 Uhr offen sind.
Ein Schlafdorf?
Die Bevölkerung ist zwar gewachsen, aber die Mehrheit der Neueneggerinnen und Neuenegger arbeitet auswärts. Kommen sie abends nach Hause, sind die Läden geschlossen. Ist Neuenegg nur noch ein Schlafdorf?
Das hört der Gemeindepräsident nicht gern und kommt auf das Thema Einkaufen zurück: «Sie kaufen in der Stadt ein. Und am Wochenende in Flamatt, wo Coop vergrössert und die Migros neu gebaut hat», sagt Wanner und erinnert sich an frühere Zeiten, als noch alles anders war. «Neuenegg war ein regionales Zentrum, wo die Leute alles fanden, was sie brauchten.»
In Neuenegg steht schon länger kein Gewerbeland mehr zur Verfügung. Dagegen gab es in Flamatt genug davon. Die Grossverteiler konnten dort nicht nur bauen, sondern die Läden auch noch vergrössern.
Jetzt stehen dort Coop, Migros und eine Landi. Zudem gibt es eine Drogerie, ein Fitnesscenter und mehrere Tankstellenshops und viele Parkplätze. In wirtschaftlicher Hinsicht hat das freiburgische Flamatt das bernische Neuenegg im Laufe der Zeit überholt. Auch grosse Firmen, wie etwa Comet, bauen aus. Heute ist Flamatt ein wirtschaftliches Zentrum.
Nichts falsch gemacht
Das Neuenegger Gewerbe habe aber nichts falsch gemacht, ist René Wanner überzeugt. «Die Geschäfte, welche sich bei uns halten konnten, denen geht es gut.» Wanner nennt zum Schluss noch etwas Positives: «Wir haben zwar weniger Läden in Neuenegg, aber auf dem ganzen Gemeindegebiet gibt es immer noch zehn Restaurants und Cafés.» Ein Blick auf die Website der Nachbargemeinde zeigt: Dort sind es elf.
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