Mehr als Bahnhofuhren
Die Firma Moser-Baer in Sumiswald ist bekannt für ihre Bahnhofuhren. Das Unternehmen hat sich mit Medizinaltechnik aber ein zweites Standbein aufgebaut. Moser-Baer ist für den Unternehmerpreis Prix SVC 2017 nominiert.
Für die 110 Mitarbeiter am Hauptsitz von Moser-Baer in Sumiswald gibt es keine Entschuldigung fürs Zuspätkommen: Im ganzen Firmengebäude verteilt und vor dem Eingang hängen mehrere Dutzend Uhren in verschiedenen Grössen und Formen. Manche geben sogar unterschiedliche Zeitzonen an.
Deutsche Bahn ist Kundin
Kein Wunder: Die Firma stellt unter der Marke Mobatime im Auftrag der SBB die legendäre Bahnhofuhr mit dem bekannten roten Sekundenzeiger her. Über 300 dieser Zeitmesser liefert Moser-Baer pro Jahr an die SBB und regionale Bahnen, die ihren Bestand laufend erneuern. Doch auch die Deutsche Bahn und die nationalen Bahngesellschaften von Belgien, den Niederlanden, Norwegen und der Tschechischen Republik lassen ihre offiziellen Bahnhofuhren im Emmental fertigen.
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Der 360-Grad-Blick in die Produktion: Schauen Sie sich um, indem Sie die linke Maustaste gedrückt halten oder mit dem Finger wischen.
Moser-Baer ist aber mehr als nur ein Hersteller von Uhren. Inzwischen ist das Unternehmen auf Zeitsysteme spezialisiert. In Spanien synchronisieren sieben Flughäfen, darunter der grösste Flughafen Madrid-Barajas, die Zeit ihrer sämtlichen Informatiksysteme mit Technologie von Moser-Baer. Die Metro in Singapur ist ebenfalls ein Kunde. In Bahrain steht ein Auftrag vor dem Abschluss.
Zeitsynchronisation verhindert, dass es bei sicherheitsrelevanten Systemen bei einem Zwischenfall zu einem Verzug mit der Realität kommt. Registriert beispielsweise ein Feuermelder in einem Flughafen den Ausbruch eines Brandes und stimmt der Zeitstempel nicht mit der Wirklichkeit überein, kann dies die Ermittler zu falschen Schlüssen verleiten. «Wir sprechen von einer Präzision von einer Milliardstelsekunde oder Nanosekunde», sagt Firmenchef Reto Reist.
Ein junger Chef
Reist hat einen steilen Aufstieg hinter sich. Der heute 32-Jährige hat im Jahr 2013 die Leitung der Firma übernommen. Zuvor war er Produktionschef von Moser-Baer. Nach einer Lehre als Polymechaniker legte Reist die Berufsmatura ab und studierte anschliessend Maschinenbau sowie Betriebswirtschaft. Ein derart junger Chef ist ungewöhnlich, vor allem für manche Kunden: «Bei Verhandlungen muss ich mir manchmal schon etwas Geltung verschaffen», sagt Reist mit einem Schmunzeln.
Genauigkeit ist auch beim zweiten Standbein von Moser-Baer gefragt. Auf den ersten Blick hat es rein gar nichts mit Uhren zu tun. Das Unternehmen stellt ebenfalls medizinische Instrumente her. Diese kommen in der Unfallchirurgie, bei Operationen an der Wirbelsäule und beim Einsetzen künstlicher Gelenke zur Anwendung.
Erst auf den zweiten Blick wird der Hintergrund klar. Moser-Baer hat vor dreissig Jahren damit begonnen, Präzisionsteile für Abnehmer aus der Medizinaltechnik herzustellen. Als Produzent von mechanischen Uhrwerken verfügte das Unternehmen damals über das nötige Wissen, um in diesen Geschäftsbereich einzusteigen. «Der Stellenwert von Medizinaltechnik soll steigen», sagt Reist zu den Zukunftsaussichten. «Dieses Tätigkeitsfeld dient als Stütze unseres nachhaltigen Wachstums.»
Brexit und Trump
Für die stark exportorientierte Gruppe war 2016 das Jahr der unerwarteten Einflüsse von aussen. Grossbritannien, für Moser-Baer ein wichtiger Markt für Zeitsysteme, sprach sich für einen Ausstieg aus der Europäischen Union aus. «Es gibt derzeit keine Anzeichen für einen Zusammenbruch des britischen Marktes», kommentiert Reist. «Allerdings stellt sich die Frage nach den langfristigen Schäden wegen des Brexit.» Denn noch ist unklar, ob das Vereinigte Königreich den Zugang zum EU-Binnenmarkt behält.
In den Vereinigten Staaten wurde überraschend Donald Trump zum neuen Präsidenten gewählt. Im Geschäftsbereich Medizinaltechnik sind die Exporte von Moser-Baer USA-lastig. Die Unterschiede bei der Wirtschaftspolitik von Barack Obama und Donald Trump könnten grösser nicht sein, sagt Reist. «Die Präsidentschaft Trump wirft deshalb Fragen auf.»
Er gehe aber nicht davon aus, dass Medtech-Anbieter aus der Schweiz auf den Radar des protektionistisch eingestellten US-Präsidenten geraten. Reist: «Dafür sind wir zu sehr Nischenanbieter.» Mit den US-Kunden bestehe ein gutes Einvernehmen. «Diese wollen mit uns zusammenarbeiten, losgelöst von der Politik.»
Die Gruppe erwirtschaftet einen jährlichen Umsatz von 65 Millionen Franken. Neben dem Hauptsitz und der Produktion in Sumiswald unterhält Moser-Baer auch Verkaufsstandorte in Deutschland, der Tschechischen Republik, China und Indien. Total beschäftigt die Gruppe weltweit 375 Mitarbeiter.
Noch nicht ausgestanden sind die Folgen des Frankenschocks. Im Jahr 2015 musste Moser-Baer deswegen einen sinkenden Betriebsgewinn hinnehmen. Als Reaktion hat die Firma auf neue Märkte fokussiert, zusätzliche Kunden gewonnen und die Rentabilität gesteigert.
Die Anstrengungen haben gefruchtet: Das abgelaufene Jahr 2016 endete trotz starkem Franken, Brexit und Trump-Wahl mit einem besseren Ergebnis als 2015. Die Wachstumsaussichten für 2017 bezeichnet Reist als «stabil steigend».
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