Maurermeister und Mittelstürmer
YB spielt in Lugano zwar deutlich besser als eine Woche zuvor in Lausanne (0:0). Doch offensiv gelingt den Young Boys erneut sehr wenig. Dann verwerten sie ihre zwei guten Chancen innerhalb von zwei Minuten zum 2:0-Sieg.
Im Stadion Cornaredo hinter dem Fanblock Luganos hat es eine viel befahrene Kreuzung. Wer am Sonntagnachmittag auf der Haupttribüne der Arena sass, weiss Bescheid, weil der Besucher viel Zeit besass, nicht nur die pittoreske Umgebung zu bewundern. Man hatte das Gefühl, jedes im Kanton Tessin zugelassene Fahrzeug fuhr zwischen 13.45 Uhr und 15.30 Uhr über diese Kreuzung.
Unten auf dem Rasen überstürzten sich die Ereignisse eher nicht, die Stadionanzeige verriet, dass es 25 Grad warm war, und mit gemütlichem Sommerfussball hatte das Geschehen zwischen Lugano und YB sehr viel zu tun. Das lag vor allem an den Gastgebern, die so destruktiv antraten wie die Young Boys eine Woche zuvor in Lausanne. Mit einem Fünferblock vor dem eigenen Strafraum sowie drei Akteuren gleich davor, die ebenfalls wenig Anstalten unternahmen, den Ball freundlich zu behandeln.
Alioski, der Alleinunterhalter
Luganos Angriffskonzept bestand vor allem in langen und hohen Befreiungsschlägen, immerhin versehen mit den allerbesten Glückwünschen an den bedauernswerten Adressaten Ezgjan Aljoski. Der schnelle, trickreiche Offensivspieler erfüllte die Sonderrolle im Kick-and-Rush-Stil seines Teams mit Leidenschaft. Der frühere YB-Junior rannte und rannte und rannte, er erinnerte an eine aufgeregte Hummel, derart wirr schickten ihn die Mitspieler auf die Reise.
In Lugano war es 25 Grad warm. Und mit gemütlichem Sommerfussball hatte das Geschehen sehr viel zu tun.
Nadelstiche vermochte der arme Kerl selten zu setzen, weil sich meistens zwei oder drei Gegenspieler um ihn kümmerten. Einmal aber wäre der fantasielose Plan Luganos beinahe aufgegangen. Das war in der 55. Minute, als Alioski nach einem weiten Schlag den Ball an der Eckfahne behaupten und Davide Mariani eine scharfe Flanke anbringen konnte. In der Mitte tauchte Stürmer Armando Sadiku wie ein Geist auf. Doch der Torjäger sah seinen flotten Volleyschuss von YB-Goalie Yvon Mvogo pariert.
Der YB-Doppelschlag
Ein Treffer wäre ein reicher Ertrag gewesen für den FC Lugano, der sich weigerte, Risiken einzugehen. Die Young Boys dagegen zeigten bereits in den ersten zwei, drei Minuten mehr Offensivgeist als bei der Nullnummer in Lausanne. Doch nach nicht einmal einer Viertelstunde bauten sie an diesem prächtigen Tessiner Frühlingstag krass ab, es schlichen sich Abspielfehler und Unaufmerksamkeiten ein, durchsetzen jedenfalls vermochten sich die YB-Offensivspieler lange Zeit nicht. Ihr Trainer Adi Hütter meinte, sein Team habe zwar deutlich besser als in Lausanne gespielt, «aber uns fehlte oft die nötige Entschlossenheit».
Sulejmani schiesst das 0:1
Und so erspielten sich die Young Boys wie eine Woche zuvor keine gute Torgelegenheit. Diesmal aber nur 72 Minuten. Dann tankte sich Sven Joss auf der linken Seite energisch (weil nicht aufgebend) und glückhaft (weil mit Prellball) durch. Und in der Mitte stand Miralem Sulejmani, wo er als Flügelspieler selten steht. In vorbildlicher Mittelstürmerposition.
Der feinfüssige Serbe erzielte eines seiner raren Kopfballtore – und stand zwei Minuten später auch am Ursprung des zweiten Treffers. Sulejmani, diesmal wieder am Flügel, kombinierte sich mit dem auffälligen Kevin Mbabu über rechts durch, dessen Hereingabe landete bei Guillaume Hoarau, der dort stand, wo er fast immer steht. In vorbildlicher Mittelstürmerposition. Der Goalgetter, zuvor fast nur mit Ballverlusten aufgefallen, erzielte präzis via Innenpfosten das 2:0. YB nutzte die zwei Aussetzer der Lugano-Maurermeister effizient.
Hoarau schiesst das 0:2
In Gefahr gerieten die Gäste nur einmal, als der sonst souveräne Kasim Nuhu an der Mittellinie einen viel zu kurzen Rückpass spielte. Es war – endlich, endlich – eine anständige Vorlage für Alioski, doch den müden Alleinunterhalter verliess nach einem weiteren 40-Meter-Sprint die Kraft, er setzte seinen Heber übers Tor. Und so durfte Adi Hütter vor der Länderspielpause zufrieden festhalten, man habe defensiv erneut überzeugt und verdient gewonnen. In 19 Super-League-Partien seit Ende August hat YB nur einmalverloren.
Erstaunlicherweise entliessen die Tessiner Besucher ihr Team am Sonntag ebenfalls mit Applaus, die Ansprüche an den FC sind offenbar bescheiden, es herrschte eine überaus freundschaftliche Ambiance. Wenn am Donnerstag der SCB beim HC Lugano zum zweiten Playoff-Halbfinalspiel antritt, wird das ganz anders sein. Drüben auf der anderen Strassenseite, gleich hinter der viel befahrenen Kreuzung.
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