Mani Matters Lieder als Trennkost
Im Bieler Le Singe konnte man die Chansons von Mani Matter mal ohne Text, mal ohne Musik entdecken. Ein erstaunliches Erlebnis.

Biel sei das Liverpool der Schweizer Musikszene, meinte kürzlich ein befreundeter Musiker. Weniger wegen des Musikstils – denn dem sind in der bilinguen Stadt am Jurasüdfuss kaum Grenzen gesetzt. Aber wegen der aktiven, vernetzten Szene und der überproportionalen Zahl von guten Musikern und Bands, die Biel hervorbringt. Man denkt an Puts Marie, Death By Chocolate, Pegasus – um nur ein paar aktuelle Namen zu nennen. Hier vermischen sich die Kulturen, auch dank der Programmierung von Clubs wie Le Singe, wo jederzeit Überraschungen möglich sind.
So geschehen am vergangenen Donnerstag, als es im ausverkauften Singe zu einer erstaunlichen Begegnung mit Mani Matter kam. Eigentlich ist in Sachen Matter ja längst alles gesagt und gesungen, könnte man meinen. Bis einer kommt und es ganz anders tut: Der Bieler Gitarrist Roman Nowka spielt Matters Chansons ohne Text, mit verblüffendem Effekt. Er entführt die Lieder, die Matter mit stoischem Gesang zur gezupften Nylongitarre vortrug, über die Berge und in den Himmel, übernimmt die Melodien auf seiner Stromgitarre, surft mit ihnen auf den Pazifikwellen, tanzt mit ihnen Samba in Rio und lehrt sie jazzige Grooves. Wenn Hansjakobli und Babettli ganz ohne Worte «Hehe Frou Meier» rufen und eine Wüstenblues-Gitarre zu ihrem Sprachrohr wird, stellt sich Hühnerhaut ein.
Assistiert von seinen Hot 3 (Simon Gerber am Bass und ein grossartiger Lionel Friedli an den Drums), verdoppelt Nowka das schielende Lotti und heftet sich an die Fersen des Buben mit Namen Fritz, der so schnell rennt, dass ihn noch nie jemand gesehen hat. Beim «Boxmätsch» schlägt die Gitarre mit gnadenloser Präzision einen Haken nach dem anderen, und am Schluss des Konzerts hängt mit «Dällebach Kari» der schwere Blues der vereinsamten Wohlstandsgesellschaft im Raum. Matter ohne Worte: Das geht. Unglaublich, was für einen Wiedererkennungswert seine Melodien haben, und erstaunlich, was Nowka aus ihnen macht.
Ganz ohne Worte verläuft der Abend aber nicht. Nowka hat Endo Anaconda eingeladen, der auch Bieler Wurzeln hat, wie er dem Publikum erzählt. Seine Aufgabe ist es nicht, zur Musik von Nowkas Hot 3 zu singen. Stattdessen rezitiert er Matters Texte ganz ohne Musik. Der Wortwitz Matters und seine minutiös durchkomponierten Geschichten erhalten in Endos rauchiger Neuinterpretation, die sich weder an Matters Metrik noch an die Melodien hält, eine neue Dimension.
Oft rezitiert Endo einen Text, und die Band spielt dann separat ihre Instrumentalversion, doch in ein Schema pressen lassen sich weder der alte Hase noch die jungen Musiker. Die wortlose Interpretation des grössten Mundarttexters würde für sich allein wohl besser funktionieren als die musiklose Rezitation eines unterschätzten Komponisten. Die Kombination beider Formen aber ist eine echte Bereicherung. Mehr davon, bitte.
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