Macron landet hart
Bald drei Monate im Amt, erleidet Frankreichs Präsident einen starken Popularitätsverlust. Emmanuel Macrons ganze Politik bleibt dem Ziel untergeordnet, die Arbeitsmarktreform durchzubringen.

Emmanuel Macron lächelte, solange die Fotografen zugegen waren. Kaum hatte die neuste Regierungssitzung im Elysée-Palast begonnen, verschoss «Jupiter» – so sein Übername im Pariser Olymp – seine Blitze. Die Ideen und Projekte, die er aus einzelnen Ministerien erhalte, seien oftmals «für die Katz». Wobei das noch freundlich übersetzt ist: «Pipi de chat», wetterte der Präsident. Wer ein Ministerium leite, müsse seinen politischen Willen auch gegen die Macht der Funktionäre durchsetzen, dozierte er vor versammelter Regierung, um ihr zu prophezeien: «Sonst werdet ihr in einem halben Jahr verschwunden sein.»
Das war Macron pur. Ein paar Tage zuvor hatte der 39-Jährige den altgedienten Generalstabschef Pierre de Villiers kurzerhand entlassen, weil er den Armeehaushalt nicht um 850 Millionen Euro kürzen wollte. «Ich bin eurer Chef», bedeutete er einer Versammlung hoher Offiziere, auf die Verfassungsrolle des Staatschefs als oberster Armeevorsteher anspielend.
Die Minister hüsteln, die Generäle murren – allein, Macron hört darüber hinweg. Manchmal nimmt seine präsidiale Postur fast Züge von Menschenverachtung an. Bei der Einweihung einer Start-up-Zentrale philosophierte er im Juli: «In Bahnhöfen kreuzt man Leute, die es geschafft haben, und andere, die nichts sind.» Die Pariser Journalisten – die im Elysée auf Distanz gehalten werden – erinnerten daran, dass Macron als früherer Wirtschaftsminister auch schon Fabrikarbeiterinnen als «Analphabetinnen» abgetan hatte.
Umfragewerte fallen
Vielleicht trägt sein Dünkel dazu bei, dass der Präsident Ende Juli in der ersten relevanten Meinungsumfrage gleich 10 Prozent an Stimmen verlor. Nur Jacques Chirac war 1995 nach seiner Wahl ins Elysée stärker eingebrochen. In einer weiteren Umfrage fiel er am Donnerstag sogar hinter seinen Premierminister Edouard Philippe zurück: Dieser kommt noch auf 37 Prozent positive Stimmen, Macron auf 36 Prozent.
Immerhin wahrt der junge Präsident ein Plus: die Aussenpolitik. Stolz registrieren die Franzosen, dass ihr Land auf der diplomatischen Bühne wieder etwas zählt - dank Macron. US-Präsident Donald Trump nannte ihn «intelligent und stark», die Sängerin Rihanna schwärmte unlängst von einem «unglaublichen» Treffen im Elysée. Gewiss hat der Franzose derzeit auch die europäische Bühne frei, da die Briten mit dem Brexit und die Deutschen mit der Bundestagswahl beschäftigt sind.
Entscheidender Showdown
Gute Noten erhält dabei sein ganzheitlicher Ansatz, so etwa, wenn er die Syrien- und die Flüchtlingsfrage koppelt oder wenn er den beabsichtigten Eurohaushalt mit den Wirtschaftsreformen in Frankreich verlinkt. Statt seinen Sommerurlaub am Strand zu verbringen, wird Macron mit Gattin Brigitte europäische Hauptstädte besuchen, um nicht nur nebenbei für sein Projekt eines Eurofinanzministers zu plädieren. Loslegen will er mit der Umsetzung, sobald der deutsche Kanzlerposten im September besetzt sein wird.
«In Bahnhöfen kreuzt man Leute, die es geschafft haben, und andere, die nichts sind.»
Die grössten Widerstände erwarten Macron im eigenen Land. Gegen die Liberalisierung des Arbeitsmarktes (siehe Kasten) planen Gewerkschaften und Linksparteien harte Proteste. Dieser Showdown wird entscheidend für Macrons Zukunft. Derzeit sucht er vorzuspuren. Er organisiert seine Internetbewegung En Marche viel straffer, damit er im entscheidenden Moment nicht seine Parlamentsmehrheit verliert. Brüsk hat er zudem die den Italienern versprochene Schiffswerft STX verstaatlicht. Dieser in Frankreich stets populäre Protektionismus erlaubt es ihm, sein Image eines bankenhörigen «Ultraliberalen» – wie ihn der Linkenchef Mélenchon bezeichnet – zu relativieren.
All dies dient letztlich dazu, den grossen Brocken des neuen Arbeitsrechtes durchzubringen. Nach der Sommerpause beginnt die eigentliche Kraftprobe. Dann wird sich zeigen, ob die Franzosen den Reformer Macron gewählt haben, damit er das Land auch wirklich reformiert.
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