Lokführer-Präsident: Es herrscht eine «Bestrafungskultur»
Seit dem tödlichen Zugunfall in der Waadt reisst die Kritik an der SBB nicht ab. Nun meldet sich der Verbandspräsident zu Wort. Er beklagt sich über ein schlechtes Arbeitsklima.

Nach dem tödlichen Zugunglück im Kanton Waadt von Ende Juli reisst die Kritik an der SBB nicht ab. In Interviews spricht Lokführer-Präsident Hubert Giger von einer «Bestrafungskultur».
Anders als in der Luftfahrt oder in Spitälern werde eine Sicherheits- oder Fehlerkultur nicht bewusst gelebt. «Fehler werden administrativ geahndet und so erledigt», sagte Giger in Interviews mit dem «St. Galler Tagblatt» und der «Neuen Luzerner Zeitung».
Zwar gebe es ein vertrauliches Meldesystem, dieses werde aber nur wenig genutzt. Dafür wäre Vertrauen nötig in die Vorgesetzten und die Firma. «Solange dieses Klima nicht herrscht, nützt ein vertrauliches Meldesystem nichts», sagte Giger, Präsident des Verbands Schweizer Lokführer. Zudem müsste ein solches Bestreben echt sein und vom ganzen Unternehmen gelebt werden.
Stattdessen werde die Sicherheitskultur im Moment «torpediert von etlichen diametral wirkenden Massnahmen». Giger kritisiert neben dem umstrittenen Sektoren-Halteversuch «neue Richtlinien, Anweisungen und Neuerungen mit zum Teil sehr fragwürdigem Nutzen».
Ausserdem herrsche noch immer eine Bestrafungskultur, in der Lokführer, die Fehler machen, sanktioniert werden - auch wenn nichts und niemand zu schaden kam. «Gleichzeitig sind wir gehalten, Fehler zu melden. Das ist doch paradox und wird nie Vertrauen fördern.»
Kulturwandel braucht Zeit
Giger weiss, dass eine Sicherheitskultur wie etwa in der Luftfahrt über Jahre wachsen muss. Das werde aber noch erschwert dadurch, dass ein Lokführer, im Gegensatz zum Piloten, immer alleine ist. Dieser sei darum auch alleine verantwortlich, kritisiert Giger. «Deshalb ist es ungleich schwieriger, eine Sicherheitskultur zu etablieren.»
Giger anerkennt jedoch, dass es durchaus Bemühungen in diese Richtung gibt. Das werde vom Verband auch unterstützt. «Wir wollen dem eine Chance geben, verstehen aber auch, dass es Zeit braucht.»
Bei der Kollision zweier Züge in Granges-près-Marnand im Kanton Waadt Ende Juli ist einer der Lokführer ums Leben gekommen, 26 Personen wurden verletzt. Der überlebende Lockführer steht im Verdacht, ein Rotlicht überfahren und sich vor der Kollision mit einem Sprung vom Zug in Sicherheit gebracht zu haben.
Im Brennpunkt der laufenden Untersuchungen stehen auch die in die Jahre gekommenen Zugsicherungssysteme. SBB-Chef Andreas Meyer bestreitet zwar, dass die SBB ein generelles Sicherheitsproblem hat. Trotzdem will er die Erneuerung von Signalanlagen und Zugsicherungssystemen nun beschleunigen.
Bei der Ausbildung der Lokführer hat die SBB die Weichen bereits neu gestellt. Zehn Jahre lang waren diese wie auch die Zugverkehrsleiter von einer externen Firma ausgebildet worden. Seit letztem Jahr werden die Ausbildungen wieder von der SBB durchgeführt, wie Sprecher Christian Ginsig auf Anfrage sagte.
Ziel ist es, die Lehrgänge praxisbezogener zu machen. Statt zuerst drei Monate Theorie zu büffeln werden die Schüler von Anfang an auf der Strecke und an den Fahrzeugen ausgebildet. Zudem verspricht sich die SBB von dem Schritt einen engeren Kontakt zu den Praktikern im Unternehmen. «Die Leute, die das Metier beherrschen, sind bei uns im Betrieb», sagte Ginsig.
Tausende Meldungen
Dass in der SBB eine «Bestrafungskultur» herrscht, streitet er ab. Das Meldewesen sei sehr offen und transparent. Nach Ginsigs Angaben setzen SBB-Mitarbeitende unter eigenem Namen jedes Jahr mehrere tausend Meldungen über Störungen oder Vorfälle ab. Diese werden dann an die zuständigen Abteilungen und Vorgesetzten weitergeleitet.
Zusätzlich hat die SBB eine Meldestelle geschaffen, bei der auch anonym Meldungen gemacht werden können. «Dass diese wenig genutzt wird liegt daran, dass es kaum Bedarf gibt für diesen Kanal», sagte Ginsig. Er betonte auch, das die Sanktionierung von Mitarbeitenden völlig der Philosophie der SBB widersprechen würde.
SDA/mrs
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