Demo in BernLockdown-Gegner legten halbe Stadt lahm
Am Samstag riefen Gegner der Corona-Massnahmen zu einer unbewilligten Demonstration in Bern auf. Die Polizei reagierte mit einem Grossaufgebot.
Und plötzlich waren sie überall. Am Samstag riefen Gegnerinnen und Gegner der Corona-Massnahmen zu einer Demonstration in Bern auf. Die Kampagne «World Wide Rally for Freedom and Democracy» mobilisierte am Wochenende Demonstrierende auf der ganzen Welt.
In Bern legte die Demo die Stadt den halben Samstag lahm. Bernerinnen und Berner mussten auf dem Heimweg Umwege oder Wartezeiten in Kauf nehmen: Brücken und Strassen waren gesperrt, der ÖV war eingeschränkt, und es gab Staus. Einen grösseren Aufmarsch verhinderte die Polizei mit einem Grossaufgebot.

Im Vorfeld der Demonstration rief der Berner Gemeinderat die Organisatoren zum Verzicht auf. Die Demo war nicht bewilligt – es gilt nach wie vor ein Verbot für Versammlungen von mehr als 15 Personen. Gemeinderat Reto Nause kündigte an, dass die Polizei Menschenansammlungen verhindern werde.
Die Kessel
Seinen Lauf nahm der Protest in Bern auf dem Helvetiaplatz. Gegen Mittag versammelten sich ein paar Dutzend Demonstrierende – sie wurden bereits von zahlreichen Polizistinnen und Polizisten erwartet. Die Kantonspolizei hatte zuvor schon den Bundesplatz weiträumig abgesperrt.
Es war viel Französisch zu hören, viele Demonstrierende sind aus der Westschweiz angereist. Sie zogen den Protest in der Bundesstadt der bewilligten Demonstration in Liestal vor. Dort demonstrierten mehrere Tausend Menschen – womit es wohl die bisher grösste Anti-Lockdown-Demo war. Auch in Bern versammelten sich mehr Menschen als bei den letzten Demos. Auf Maske und Abstand wurde dabei weitgehend verzichtet.

Auf dem Helvetiaplatz kesselte die Polizei die Demonstrierenden relativ schnell ein und kündigte über Lautsprecher eine Personenkontrolle an – zuerst auf Französisch, dann auf Deutsch. Um den Kessel herum versammelten sich Demonstrierende. Sie skandierten: «Liberté!»
Dieser Vorgang sollte sich im Laufe des Nachmittags noch ein paar Mal wiederholen.
Müller und Nause
Hunderte Demonstrierende verteilten sich über die Stadt. Einige versammelten sich an der Aare beim Park am Wasser. Andere auf dem Casinoplatz. Nachdem die Polizei auch dort eingegriffen hatte, trafen sich die Demonstrierenden auf dem Bahnhofplatz. Sie skandierten immer wieder «Liberté», ein Alphornbläser machte Musik, es wurde getanzt – und auch ziemlich viel Alkohol getrunken. Nach kurzer Zeit tauchte die Polizei auf und kesselte die Demonstrierenden ein.
Etwas abseits beobachteten Gemeinderat Reto Nause und der kantonale Sicherheitsdirektor Philippe Müller das Geschehen. Die Polizei verhalte sich ruhig, sagten die beiden. Es sei keine einfache Woche gewesen. In den Tagen zuvor löste die Polizei bereits die Klimademo und eine Velodemo am Tag gegen Polizeigewalt auf.
Man wolle jede Demonstration gleich behandeln, sagten Müller und Nause. «Wir haben im Vorfeld mitgeteilt, dass die Demonstration nicht bewilligt ist und die Polizei Menschenansammlungen auflösen wird. Es kann niemand sagen, dass man das nicht gewusst habe», so Nause.

Verletzter Polizist
Die Demonstrierenden blieben weitgehend friedlich. Einige von ihnen versuchten ein paar Mal, aus einem Kessel zu gelangen oder eine Polizeisperre zu durchbrechen, wobei es zu kleinerem Gerangel kam. Es gab Wegweisungen, und es ist laut Kantonspolizei mit Anzeigen zu rechnen. Es wurden Demo-Teilnehmer abgeführt. Einige Demonstrierende hatten zudem Kinder dabei, die sie vorschoben, um der Personenkontrolle zu entgehen.
Währenddem die Polizei Demonstrierende auf dem Bahnhofplatz einkesselte und kontrollierte, versammelten sich immer mehr Menschen rundherum. Sie skandierten wiederum «Liberté», buhten die Polizei aus. Einige von ihnen waren alkoholisiert.
Dabei kam es zu einem Vorfall mit einem Messer: Die Polizei wollte einen Demonstranten kontrollieren, der offensichtlich ein Messer auf sich trug. Bei der Kontrolle und Anhaltung des Mannes kam es zu einem Handgemenge, bei dem ein Polizist durch das Messer leicht an der Hand verletzt wurde. Der angehaltene Demonstrant wurde laut Polizei zur Kontrolle ins Spital gebracht.
Während sich die Menschenmenge langsam lichtete, verharrten einige Demonstrierende auf dem Bahnhofplatz. Die Polizei bildete einen zweiten Kessel, wobei auch Jeeps mit Absperrgitter und Polizeihunde zum Einsatz kamen. Kurz nach 19 Uhr war der Bahnhofplatz geräumt.
Am späten Samstagabend gab die Kantonspolizei ihre Bilanz zur unbewilligten Kundgebung bekannt: Insgesamt wurden über 650 Personen von der Polizei kontrolliert und weggewiesen. Rund 600 Personen wurden angezeigt. 27 Personen wurden für weitere Abklärungen auf eine Polizeiwache gebracht. Sie wurden alle im Verlauf des Abends wieder auf freien Fuss gesetzt.
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