Liebesgrüsse aus Kyoto
Die Japanerin Mayuko Okada nimmt erstmals am Kunstsupermarkt Solothurn teil. Die in traditioneller japanischer Malerei ausgebildete Künstlerin kreiert ihre Bilder aus alten Kimonos.
Als Mayuko Okadas Grossvater, ein zeitlebens gut verdienender Arzt, starb, hinterliess er zur Überraschung der Familie kein Erbe, sondern Schulden. Der Grund: Die Grossmutter war eine regelrechte Shopping-Queen. Sie habe das ganze Geld in Schmuck, Handtaschen und prächtige Kleidung investiert, erzählt Okada mit einem Lächeln.
Eine richtige Lady sei sie gewesen. Manche Dinge ihres angehäuften Schatzes habe man verkaufen können, um die Schulden zu tilgen, doch die Kimonos seien geblieben, so Okada. «In Japan sind Kimonos eine persönliche Sache, man trägt sie nicht gerne aus zweiter Hand.» Für Okada, die zu ihrer Grossmutter ein enges Verhältnis hatte, erwiesen sich die gebrauchten Kimonos als ein Segen.
Die 1974 in Kyoto geborene Künstlerin hat die prächtigen Seidenstoffe zu ihrem Arbeitsmaterial erkoren. In Japan lagern noch viele Stücke in einem Depot, denn mittlerweile geben auch Fremde ihre gebrauchten Kimonos der seit drei Jahren in Bern lebenden Künstlerin. Einmal pro Jahr kehrt sie deshalb nach Kyoto zurück. Zu ihren Stoffen – und um ihren jüngeren Bruder zu besuchen.
Schwatzende Schwärme
Aus den unterschiedlich gemusterten Materialien fertigt Mayuko Okada unter anderem Kois an, jene Karpfen, die oft in japanischen Teichen gehalten werden. Jeder Fisch ist ein Individuum, doch erst in der Gruppe – Okada kreiert aus den einzelnen Fischen raumfüllende Installationen – entfalten sie ihren ganzen Reiz. Sie habe an einer Hochzeit die eingeladenen Damen in ihren Kimonos beobachtet, wie sie rege miteinander geschwatzt hätten.
Das habe sie inspiriert, eine fröhliche Zusammenkunft von Kois zu schaffen. Zwei Stunden brauche sie, um einen Koi zu machen. Wenn sie hundert Stück für eine Installation brauche, könne das schon mal zwei Monate dauern. Die Kois sind bei Okada mit guten Erinnerungen verbunden.
Der Grossvater sei ein strenger Patriarch gewesen, der nie viel gesprochen habe. Er selbst hatte nur Söhne gehabt und konnte mit seiner eher introvertierten Enkelin nicht viel anfangen. «Beim gemeinsamen Füttern der Kois im Garten haben wir uns schliesslich gefunden und wurden Freunde», erzählt Okada.
Luxemburgerli und Spargeln
Okada hat an der Kyoto-Seika-Universität ein Diplom in klassischer japanischer Malerei erlangt. Dabei lernte sie unter anderem mit aus Korallen oder Mineralien hergestellten Pigmenten auf Seide zu malen. Sie wollte ursprünglich eine jener Künstlerinnen werden, die Kimonos von Hand bemalen.
Nun macht sie ihre eigene freie Kunst. Auch von westlichen Künstlern lässt sie sich beeinflussen. Von Gustav Klimt, Ferdinand Hodler und Egon Schiele sei sie besonders beeindruckt. Nebst den Kois fertigt Okada auch Blumen, Schildkröten oder ganze Landschaften. Während einiger Jahre hat die Künstlerin in New York gelebt. Eine ihrer Installationen schmückt ein Sushi-Restaurant, verschiedene Galerien zeigten ihre Arbeiten.
Durch gemeinsame Freunde lernte sie ihren zukünftigen Mann kennen. Als er einen Job beim Weltpostverein bekam, zog das Paar nach Bern. Am Kunstsupermarkt in Solothurn zeigt und verkauft sie erstmals ihre Arbeiten. Ab Januar kann sie ausserdem einige Werke während eines Jahres in der japanischen Botschaft zeigen.
Ein Kulturschock sei der Umzug vom dynamischen New York ins beschauliche Bern nicht gewesen. Sie habe in Japan während zehn Jahren in einer ähnlichen Kleinstadt, in Nara, gelebt. «Ich liebe die Nähe zur Natur.». So wie New York ihre Arbeit beeinflusst habe, tue dies nun auch die Schweiz. So hat Okada etwa aus Kimonostoff frische Spargeln oder Luxemburgerli gestaltet.
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