Was geht? Ausgehtipps der WocheLieber masslos überzeichnet als makellos
Diese Kulturwoche wird abenteuerlich: Sie hat eine schüchterne Rebellin, lustvolle Anarchie, Migrationsklischees und eine Berner Rockerin, die sich ewig hält, zu bieten.
Perfekt war gestern: «Super – Die Anarchie»

Biotechnologie, Digitalisierung, künstliche Intelligenz: Der Mensch von heute ist optimierbar. Dies zeigt aktuell die Ausstellung «Super – Die zweite Schöpfung» im Museum für Kommunikation. Aber was ist mit jenen, die nicht ganz so perfekt sind? Menschen mit einer Behinderung beispielsweise? Diese Frage stellt die inklusive Theatergruppe muniambärg im Stück «Super – Die Anarchie». Darin treten die Akteurinnen und Akteure mit den Themen der Ausstellung in einen Dialog. Und stellen fest: Wenn in dieser schönen neuen Welt bloss jene zählen, die makellos sind, dann bleibt den Übrigen nur eines: die lustvolle Anarchie. (reg)
Museum für Kommunikation, Bern. Freitag, 29. April, 20 Uhr. Weitere Vorstellungen bis 21. Mai.
Ein bisschen Spass muss sein: Irma Krebs
Die vier Berner von Irma Krebs träumten seit ihrer Kindheit von einer Bluesband. Seit 2018 unterwegs, bieten sie heute aber eher weniger Schwerblütiges, dafür umso mehr Schunkelprogramm: Tanz- und Trinkmusik zum Mitsingen. Dabei bedienen sie sich wild jeglichen Musikstilen, von Rock über Blues bis Funk. Auf den ersten beiden Alben war der Klamauk noch mit kernigen Mundarttexten kontrastiert, die bestenfalls vom Berner Alltag zwischen Migros-Kasse und Stammkneipe handelten. Inzwischen ist der Spass noch mehr in den Vordergrund gerückt. Jetzt spielen Irma Krebs «Mundartohrwürmer» für Kinder ab 18 Jahren, wie sie selber sagen, über Pornokinos und alte Nachbarinnen. Das ist vielleicht etwas seichter, dafür umso lustiger. Und die Kleinstkunstbühne der Berner Cappella ist genau der richtige Ort für die Plattentaufe ihres dritten Albums «Summerhits». (mbu)
La Cappella, Bern. Donnerstag, 28. und Freitag, 29. April, 20 Uhr
Wandelndes Migrationsklischee: Idil Baydar

Zuletzt war Idil Baydar in den Schlagzeilen, weil sie Drohmails aus rechtsextremen Kreisen erhalten hatte. Die deutsche Kabarettistin, Tochter türkischer Einwanderer, bedient über ihre masslos überzeichneten Kunstfiguren wie Jilet Ayşe aber auch allerlei Migrationsklischees. Das ist sehr lustig, bringt ihr indes bisweilen Kritik von allen Seiten ein – was ihrem Erfolg aber überhaupt nicht abträglich ist. Die Berlinerin war bereits in sämtlichen Comedy-Formaten des deutschen Fernsehens zu sehen. Bei den diesjährigen Berner Humortagen in der Berner Reitschule ist sie die grosse Nummer im viertägigen Programm. (mfe)
Tojo-Theater in der Reitschule, Bern. Berner Humortage bis 30. April. Idil Baydar: Samstag, 30. April, 20.30 Uhr
Verdrogte Italiener: Big Mountain County
Sie sind um ein Vielfaches cooler und erspriesslicher als ihre aus derselben Nachbarschaft stammenden ESC-Kollegen von Måneskin. Und sie frönen einer Form der Rockmusik, die nun wirklich zu wahrer Ekstase Veranlassung gibt. Big Mountain County aus Rom sind die italienischen Grossmeister des Psych Rock, und in diesem Amt wurden sie bereits an Paradefestivals wie Sziget, Fusion, Eurosonic oder SXSW in Texas geladen. Auch wenn die Musik des Quartetts auf die Vergangenheit verweist, wirkt sie nie altbacken, sondern erquickt mit aparten melodischen Ideen und fundierter Forschung am Gitarrenklang. Das Praktische: Die richtigen Drogen für dieses Konzert werden mit der Musik der Band gleich mitgeliefert. (ane)
WerkStadt Lorraine, Bern. Freitag, 29. April, 20.30 Uhr
Irgendwie erstaunlich: Natacha
Bei Natacha ist es ein bisschen wie beim Boxen: Gerne wird auf die bisherige Erfolgsbilanz verwiesen, und die ist ja auch ziemlich beeindruckend: Natacha war die erste Frau, die es mit einem Mundartalbum auf Platz 1 der Charts geschafft hat. Das war im Jahr 1995. Und eigentlich hat sich bei der Bernerin seither nicht sonderlich viel getan. Sowohl äusserlich (und das ist erstaunlich) wie auch musikalisch (das ist noch fast erstaunlicher). Natacha frönt auch auf ihrem neuesten – dem 14. Album – einer herzhaften Pop-Rock-Konsens-Kunst nach bewährter Strophe-Bridge-Refrain-Formel. Für deren Einspielung hat sie eigens die gar nicht mehr so heiligen Beatles-Studios an der Londoner Abbey Road aufgesucht. Auf der lyrischen Seite stehen dafür Sätze, die sich wohl nicht einmal die überzeugteste Philosophieskeptikerin übers Steissbein tätowieren lassen würde: «Hesch nume eis Läbe u dr Wäg, dä isch z Ziel.» Sehr begeistert vom neuen Natacha-Album sind immerhin die Werbetexter: «Da ist wirklich alles drin, was des Mundartfans Herz begehrt», schreiben sie. Oder: «Griffiger Gitarrensound, der so manchen Rock-Jungspund erblassen lässt.» Und: «Bärner Rock made by The Lady – griffig, emotional und mit ganz viel Mitsing- und Mitfühl-Faktor.» Ob dem so ist, ist an ihrer Albumtaufe in Rubigen nachzuprüfen. (ane)
Mühle Hunziken, Rubigen. Donnerstag, 28. April, 20 Uhr
Kunst ist das Leben: Retrospektive Joanna Hogg

Eine junge Frau ist hin- und hergerissen zwischen ihren eigenen Bedürfnissen, ihren Ambitionen als angehende Filmemacherin und ihrer Liebe zu einem widersprüchlichen Mann. Es ist auch die Geschichte der Regisseurin Joanna Hogg. Tilda Swintons Tochter, Honor Swinton Byrne, spielt diese schüchterne Rebellin grossartig, ihr Gegenüber ist Tom Burke als manipulativer Dandy. Was jetzt vielleicht nach Nabelschau klingt, ist das Gegenteil: «The Souvenir» (2019) ist ein funkelnder, geheimnisvoller Film, der die Kunst als Rettung feiert. Das Kino Rex widmet der eigenwilligen britischen Regisseurin eine Retrospektive mit dem Titel «Art is Life». Zur Vorpremiere des zweiten Teils von «The Souvenir» kommt Hogg für ein Gespräch nach Bern. (sas)
Kino Rex, Bern. 28. April bis 23. Mai. Vorpremiere «The Souvenir: Part II» und Gespräch mit Joanna Hogg: Mittwoch, 4. Mai, 20 Uhr
Anekdotisch: Berner Marsch mit dem Ensemble Ardent

Nein, es ist kein neues Angebot der szenischen StattLand-Rundgänge, auch nicht von Bern Tourismus. Es sind das Vokalensemble Ardent und dessen Leiter Patrick Secchiari, die zur musikalischen «Tour de Berne» einladen: ein Rundgang durch die Stadt zwischen Kornhauskeller und Bärengraben, gespickt mit musikalischen und anekdotischen Zwischenhalten. An sechs Stationen gibt das Ensemble Klassiker des Berner Liedgutes zum Besten, dazu kommen Erzählungen und Geschichten des Moderators Moritz Achermann. Gutes Schuhwerk und wettersichere Kleidung sind empfohlen. (mar)
Berner Altstadt. Samstag, 30. April und Sonntag, 1. Mai, jeweils 15.30 Uhr
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