Liebe Knall-Farben
Ich weiss, ich weiss: Viele finden Euch gut. Oder zumindest so gut, dass sie Euch unbedingt haben wollen. An der Fassade meistens. Rot, blau, gelb leuchtet es uns entgegen. Oder auch weiss. Aber dann unbedingt reinweiss, als wäre es die Werbung eines Waschpulverproduzenten. Auffällig, das auf jeden Fall, sollte es schon sein. Andernfalls würde der geneigte Betrachter (und der Nachbar) ja nicht sehen, dass ein Neubau ein Neubau ist. Und darum gehts. Diskussionen über Dachformen sind heftig, Streitigkeiten über Bauabstände beschäftigen Juristen, Gebäudehöhen werden vor Bundesgericht entschieden. Man ringt um Zentimeter, zankt um Quadratmeter. Und vergisst darob die immensen Fassadenflächen, die das Bild unserer Umgebung viel entscheidender prägen. Man streitet über Bäume, statt sich den Wald anzuschauen. Dies ist umso erstaunlicher, als gerade bei uns von der Wiege bis zur Bahre allzu vieles vorgegeben scheint. Doch in den Baureglementen finden sich kaum oder dann nur vage formulierte Vorschriften betreffend Farbgebung. Allenfalls, so liest man, hat sich die Fassaden- oder Dachfarbe der Umgebung anzupassen. Ein dehnbarer Begriff, wie uns oft vor Augen geführt wird. Jeder und jedem seinen Auftritt in knallrot, knallgrün oder knallgelb, allen ihr Recht auf den individuellen Knalleffekt. Die Frage ist nur: Wie viel blendende Farbe ertragen unsere Orte, wie viele Knallbonbons in Form von Einfamilienhäuschen unsere Landschaften? Lässt man den Blick schweifen, verblasst vieles, nicht aber die Farbe. Vor den Horizont schiebt sich Weiss- und Buntgepünkteltes, in neuen Einfamilienhausquartieren wähnt man sich bisweilen in einem Süsswarenladen. Die Schweiz ist ein kleinräumiges Land. Fehlschläge und gescheiterte Experimente tun doppelt und dreifach weh. Wie wohltuend wäre es, wenn das viele, manchmal allzu viel Gebaute in Farben daherkäme, die sich am Natürlichen statt am Künstlichen orientierten. Man müsste dafür nicht einmal neue Vorschriften bemühen. Es genügte, die Lust am eigenen Auftrumpfen zu Gunsten des Gesamten zurückzustellen. >
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