FortsetzungsromanLesen Sie die neuste Folge von «Kaukasische Sinfonie»
Werner Ryser erzählt die Geschichte von Simon, dem Emmentaler Auswanderer, der seinen Traum, in Grusinien Grossbauer zu werden, verwirklicht hat.
Folge 96
Er hatte das Elternhaus früh, viel zu früh verlassen müssen. Vom siebten Altersjahr an sass er am Klavier und übte. Stundenlang. Tag für Tag. Über Jahre hinweg präsentierte man ihn in Hauskonzerten und im Pavillon des Lustgartens als Wunderkind einem neugierigen Publikum. Jakob hatte erfahren müssen, dass man ihn nicht um seiner selbst willen liebte, dass er stattdessen lediglich Anerkennung bekam. Die Zuwendung, die er erfuhr, meinte allein sein Talent. Er lernte, seine Gefühle zu unterdrücken, das heisst, er lebte sie nur am Klavier aus. Marie, die ihn liebte, seit sie ein kleines Mädchen war, hatte den Preis dafür bezahlen müssen.
«Es ist, als sei er dem Maler für seinen Namenspatron Modell gestanden, nicht wahr?» Ohne dass ich sie gehört hatte, war meine Schwägerin hinter mich getreten. «In der Tat», sagte ich. «Es ist erstaunlich. Wenn man sich den Bart des Apostels wegdenkt, könnte es Jakob sein.» «Ich habe die Ikone entdeckt, als ich kurz nach seinem Tod hierherkam, um für ihn zu beten.»
Die Streicher lassen das Bauernjahr ausklingen, mit dem der vierte Satz der Kaukasischen Sinfonie endet. Cornelius Fresendorff steht regungslos da.
Schliesslich wendet er sich dem Publikum zu, das sich mit lang anhaltendem Beifall für die Aufführung bedankt.
Als der Applaus verebbt, trete ich an den Rand des Podiums. Marie hat mich gebeten, ein paar Worte zu sprechen. Zum Kummer von Sophie und ihrer Mutter hatte sie ihre Zustimmung zu einem Gedenkgottesdienst in der Kirche von Katharinenfeld verweigert. So waren die Angehörigen in der Hauskapelle von Eben-Ezer zusammengekommen, um Abschied von Jakob zu nehmen. Hannes hatte einen Text aus der Bibel gelesen, man hatte gemeinsam das Vaterunser gebetet und ein Lied gesungen. Anschliessend war man eine halbe Stunde sitzen geblieben, jede und jeder allein mit den Erinnerungen an den Toten.
Ich gebe mir einen Ruck. «Wir gedenken Jakob Diepoldswilers, den wir im vergangenen November im Dschawachetischen Gebirge begraben mussten.» Ich schildere kurz den Lebenslauf meines Bruders und erkläre dann die Entstehungsgeschichte der Kaukasischen Sinfonie. «Ich glaube, solange es Menschen gibt», sage ich zum Schluss, «werden Künstler an jenem riesigen Teppich aus Worten, Farben und Tönen weben, der letztlich nichts anderes ist als ein Lobgesang auf die Schöpfung. Auch Jakob hat seinen Beitrag zu diesem gewaltigen Werk geleistet. Nachdem das Orchester nun die ersten vier Sätze der Kaukasischen Sinfonie gespielt hat, die mein Bruder nicht mehr vollenden durfte, tragen wir euch den Beginn des fünften Satzes vor. Jakob gab ihm den Titel Sakartvelo – Das verheissene Land. Er hat ihn geschrieben, kurz bevor er ermordet wurde.»
Marie und ich haben uns dieser letzten Komposition Jakobs angenommen, als das Orchester mit den Proben der Kaukasischen Sinfonie begonnen hat. Das sei ein polyphones Werk, stellte die Schwägerin fest, als sie die vier Stimmen hintereinander auf ihrer Violine gespielt hatte. «Jede Stimme ist eigenständig und unterscheidet sich melodisch-rhythmisch von den drei anderen.»
Wir waren uns einig, dass es sich dabei um den letzten Satz seiner Sinfonie handeln musste, den Jakob im Gebirge schreiben wollte. Völlig unklar war uns, welche Instrumentierung er sich für das Finale vorgestellt hatte. Schliesslich baten wir Cornelius und Adam Kimmerle, aus den vorhandenen Aufzeichnungen ein spielbares Stück zu machen, das wir gemeinsam in der Besetzung mit Violine, zwei Klarinetten und Klavier aufführen konnten.
Während der Proben dieses letzten Satzes habe ich realisiert, dass für meinen Bruder Transkaukasien das gelobte Land gewesen war: der Grosse und der Kleine Kaukasus, das Schwarze und das Kaspische Meer, die subtropischen Wälder, durch die der Rioni fliesst, das fruchtbare Bauernland an der Kura und die Steppe, die sich im Frühling in einen bunten Blumenteppich verwandelt, Tiflis, wo sich Abend- und Morgenland begegnen, und auch die vielen Klöster und Kirchen, in denen Mönche zum Lob Gottes gregorianische Choräle singen. In Jakobs Hymne ist das alles enthalten. Das verheissene Land hat er sie genannt.
Als wir jetzt erstmals vor Publikum diese eindringliche Musik, die aus der Zeit gefallen scheint, interpretieren, spüre ich, wie die Schönheit des Werks die Zuhörer in ihren Bann schlägt. Ich bin mir sicher, dass sie jetzt an ihre Vorfahren denken, die unter unendlichen Opfern hierher ausgewandert sind, um ihnen, ihren Nachkommen, ein Leben in diesem Paradies zu ermöglichen.
Die letzten Takte sind verklungen. Im Saal ist es ganz still. Es ist, als sei die Musik noch da und mit ihr die Erinnerung an Jakob, den Komponisten aus Katharinenfeld. Die Leute begreifen, dass jetzt Applaus nur stören würde. Marie verlässt die Bühne. Cornelius, Adam und ich folgen ihr.
Lipanali
1
Am späten Nachmittag des 18. Januars 1920 ging Dawit Achwlediani, eine Kerze in der rechten und eine Flasche Araki in der linken Hand, durch die schneebedeckten Gassen des namenlosen Dorfs, das zur Landwirtschaftlichen Kooperative Eben-Ezer gehörte.
Schnee lag auch auf den Dächern der ärmlichen, aus Feldsteinen erbauten Häuser, in denen die georgischen und armenischen Kleinbauern, Hirten und Handwerker mit ihren Familien lebten. Dawits Ziel war die kleine Basilika am Rand der Steppe. Vor dem offenen Portal blieb er stehen.
Fortsetzung folgt
Folge 91
Aber Jakob beharrte darauf, dass die Zeit jetzt reif sei, seine Sinfonie zu vollenden. Jetzt – und nicht erst in ein paar Monaten.
Am nächsten Morgen ritt er westwärts. Hannes hatte ihm Heimdall gegeben, seinen Kabardinerhengst. Seit den Tagen des Barons wurden die Reitpferde auf Eben-Ezer nach nordischen Göttern und Helden benannt. Sophie hatte darauf bestanden, den Brauch fortzuführen. Sie war es, die für die Tiere passende Namen aussuchte.
Heimdall, hatte sie Jakob auf dessen Frage erklärt, bewache den Regenbogen, der als Brücke von der Erde nach Walhalla führe. Er hatte gelacht: «Dann soll mich das Tier zum Wohnsitz der Götter tragen.»
Ein herbstliches Licht lag über der Steppe mit ihren langgezogenen, sanften Hügeln. In den Senken mäanderten Bäche, die im November nur noch wenig Wasser führten. Auf den Weiden grasten Kuhherden. Hirten auf ungesattelten Pferden hoben grüssend die langen Peitschen. Jakobs Ziel war Poka, ein kleines Fischerdorf am Südende des Paravanisees. Um dahin zu gelangen, musste er einen Pass überqueren.
Es war kühl. Jakob war froh um den Nabadi aus Lammfell, den ihm Hannes mitgegeben hatte. Ausserdem hatte der Bruder darauf bestanden, dass er nicht unbewaffnet in die Berge reite. «Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Reisender von Tataren überfallen wird», sagte er, als er ihm ein Gewehr ins Futteral beim Sattel schob. «Ich hoffe, du kannst noch damit umgehen.» Sie lachten. In ihrer Jugend hatte der Vater mit ihnen regelmässig Schiessübungen gemacht. Zum Ärger der beiden älteren Brüder war Jakob, der ja nur während der Sommermonate dabei sein konnte, stets der Beste gewesen.
Nach zwei Stunden erreichte er den Fuss des Gebirges. Jakob schaute zurück. Von einem Hirtenfeuer stieg weisser Rauch in den Himmel. Als der Weg steiler wurde, sass er ab und führte das Pferd am Zügel Richtung Passhöhe. Er folgte den Spuren des Viehs, das vor wenigen Wochen von den Hochalmen hinunter in die Steppe getrieben worden war. Linker Hand der fast dreitausend Meter hohe Agrikari.
Er kam an einer Schonung vorbei. Die jungen Tannen waren mit einem Zaun vor Wildschäden und Weidevieh geschützt. Knapp zwei Werst rechts vom Pfad sah er ein Tatarendorf – ein halbes Dutzend Erdhütten.
Inzwischen näherte sich die Sonne ihrem Zenit. In einer knappen Stunde würde er die Passhöhe erreichen, wo er Mittagsrast halten wollte. Er kam an einer Schafherde vorbei. Die Tiere wurden von einem Tataren gehütet, dessen weisser Bart die halbe Brust bedeckte. Über seinem Beschmet trug er eine zerschlissene Tscherkesska, die an der Taille von einem Strick zusammengehalten wurde. Eine Papacha aus schwarzem Lammfell schützte ihn vor der Witterung. Die Füsse steckten in engen, mit Bändern umwickelten Lederstiefeln. Der Alte stützte sich auf seinen langen Hirtenstab und beobachtete vier Raubvögel, die mit weit ausgestellten Flügeln um den Gipfel des Agrikari kreisten.
Jakob folgte seinem Blick. Es waren Bartgeier. Er erkannte sie an ihren grossen, grauen und spitz zulaufenden Schwingen und dem hellen rötlichbraunen Körper. Auf der Suche nach Kadavern glitten sie, getragen von Aufwinden, anstrengungslos den steilen Hängen entlang.
Jakob blieb stehen und wischte sich den Schweiss von der Stirn. Er streichelte die Nüstern seines Kabardiners. Der Hirte kam näher. Das Brandzeichen auf der linken Hinterhand des Pferdes, ein doppeltes E, schien ihn zu interessieren. Er zeigte mit dem Finger darauf und schaute den Fremden fragend an.
«Eben-Ezer», sagte Jakob. «Ich komme von Eben-Ezer», fügte er auf Russisch hinzu.
«Eben-Ezer», wiederholte der Alte. Sein Gesicht blieb unbewegt. Er wandte sich ab und kehrte zu seiner Herde zurück.
Jakob ging weiter. Als er sich einige hundert Meter entfernt hatte, erfüllte ein langer, klagender Ton die Landschaft. Er schwoll an, wurde leiser und wieder lauter. Er schaute zurück und sah, dass der Tatar in ein Widderhorn blies, ein Schofar, wie die Juden es nannten. Wollte man dem Alten Testament Glauben schenken, hatten sieben Schofaren die Mauern von Jericho zum Einsturz gebracht. Jakob hatte keine Ahnung, was der Muslim mit den durchdringenden Tönen zum Ausdruck bringen wollte. Ein Signal für die Schafe war es nicht, denn die Tiere grasten ruhig weiter. Wollte er seinen Dorfgenossen, die unten in der Erdhüttensiedlung lebten, etwas mitteilen? Und falls ja, was? Betraf es ihn?
Er verdrängte den unangenehmen Gedanken und summte stattdessen den zweiten Satz seiner Kaukasischen Sinfonie, Die Auswanderer. Er hatte ihn ursprünglich als Sonate für Violine und Klavier geschrieben, als er mit Marie donauabwärts zum Schwarzen Meer gefahren war.
Der Pass, den Jakob um die Mittagszeit erreichte, lag auf einer weiten Hochebene. Ein mit Moosflechten bewachsenes Steinkreuz, das schief in die Erde gerammt war, markierte den Übergang. Linker Hand lag eine primitive Hütte: nicht mehr als vier Wände aus aufeinandergeschichteten Steinen, ein Dach und eine Türe. Sie war wohl von Hirten, die hier oben ihr Vieh sömmerten, erbaut worden. Dahinter gab es einen Unterstand, der den Tieren Schutz vor schlechter Witterung bot.
Jakob nahm den Proviant aus der Satteltasche und setzte sich an die vom kalten Ostwind abgewandte Seite der Hütte. Während er ass, betrachtete er die Landschaft.
Folge 92
Unten im Tal, inmitten herbstlich brauner Weiden, lagen tiefblau der Paravani- und südlich davon der Saghamosee. Dahinter erhob sich, unwirklich wie eine Vision, strahlend weiss das Massiv des Didi Abuli. Die Luft war klar.
Jakobs Blick ging weiter zum nördlichen Horizont, wo kalt und abweisend die Eisriesen des Grossen Kaukasus Georgien von Russland trennten. Die Schönheit des Landes überwältigte ihn. Er schloss die Augen und gab sich der Sehnsucht nach jener Vollkommenheit hin, die man nur anstreben, aber nie erreichen kann. Und mit einem Mal war er erfüllt von einem jener polyphonen, choralartigen Gesänge, wie er sie oft in orthodoxen Kirchen gehört hatte. Aber das hier war zeitloser, archaischer. Vier Stimmen priesen das unendliche Land, das wie am ersten Schöpfungstag unberührt und keusch vor ihm lag.
Er zog sein Notizbuch aus der Tasche und begann fieberhaft zu arbeiten. Er notierte immer neue Variationen in Harmonie, Takt und Tonart, wobei das Thema des einleitenden Gesangs stets präsent blieb. Er sah das Orchester, die Bläser und Streicher, vor sich. Jakob lächelte. Das war der letzte Satz seiner Sinfonie. Er würde ihn zuhause nur noch ausarbeiten und instrumentieren müssen.
Der alte Hirte mit dem Widderhorn kam ihm in den Sinn. Auch er gehörte in dieses Land, dessen Schönheit in seinem Kopf zu Musik wurde. Konnte er sein Werk mit einem leiser werdenden Ton aus einem Schofar ausklingen lassen?
Bereits in seiner Kindheit war Jakob voller Melodien gewesen. Das hatte sich bis heute nicht geändert. Sie fielen ihm einfach zu. Er wusste nicht, weshalb das so war. Marie behauptete, kreatives Schaffen sei Gottes Auftrag, seine Schöpfung in einer Form zum Ausdruck zu bringen, die es dem Menschen möglich mache, die Sprache der Seele zu verstehen. Letztlich sei Kunst eine Art von Gottesdienst. Jakob zweifelte daran. Er war ein Musiker. Nicht mehr und nicht weniger. Die Vorstellung, er habe den Menschen etwas von bleibendem Wert zu sagen, fand er reichlich vermessen. Nur wenige waren dazu berufen, und er gehörte gewiss nicht zu ihnen.
Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er den tatarischen Reiter erst spät bemerkte. Zu spät. Der Mann war abgesessen und stand bei Jakobs Pferd, das in einiger Entfernung friedlich graste.
Genau gleich wie der alte Hirte betrachtete er das doppelte E, das man dem Tier eingebrannt hatte. Da er hier nur kurz rasten wollte, hatte Jakob darauf verzichtet, sein Pferd abzusatteln und lediglich den Sattelgurt gelockert. Jetzt sah er, wie der Tatar das Repetiergewehr, das Hannes ihm mitgegeben hatte, aus dem Futteral zog.
«He, lass das!», schrie Jakob auf Russisch.
Der Muslim hob den Kopf. Dann kam er näher, die gestohlene Büchse in der Ellenbeuge. Er war noch jung, kaum älter als achtzehn oder neunzehn Jahre. Aus rabenschwarzen, leicht schräggestellten Augen starrte er Jakob an. Hasserfüllt? Drohend? War er es gewesen, den der Hirte mit dem Schofar gerufen hatte? Und wenn ja, weshalb?
«Eben-Ezer?», fragte der Bursche.
Jakob bemühte sich, sein Unbehagen zu verbergen. «Das ist der Hof meines Vaters», sagte er, «und jetzt gib mir mein Gewehr zurück!» Er streckte die Hand aus.
Der Tatar schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Der Angriff kam völlig unerwartet. Als sich Jakob an die getroffene Wange griff, traf ihn ein zweiter Schlag, direkt auf die Nase. Er spürte, wie ihm Blut über die Lippen aufs Kinn strömte.
«Ich bin Elkhan, und ich werde dich töten!», brüllte der Bursche und richtete die Waffe auf ihn. Sein Russisch war entsetzlich schlecht, aber offenbar lag ihm daran, dass sein Opfer verstand, mit wem er es zu tun hatte und was ihn erwartete.
Jakob dachte nach. Er kannte keinen Elkhan, und er wusste nicht, weshalb der junge Mann so zornig war. Doch dann fiel ihm der Überfall der sieben Tatarenbrüder auf Eben-Ezer ein. «Sechs von ihnen haben wir getötet», hatte ihm Hannes erzählt. Vier habe man erschossen, und zwei Verwundete seien von Samvel Gevorgian geschlachtet worden. «Er hat ihnen die Kehle aufgeschlitzt, wie Schafen. Du kennst ja den Hass zwischen den Armeniern und Tataren. Den Jüngsten musste Samvel auf Mutters Fürbitte laufen lassen.» Sie habe eben ein weiches Herz, hatte Hannes erklärt.
Konnte es sein, dass dieser Jüngste Elkhan war? Das Gesicht des Burschen verzog sich zu einem bösen Lächeln. Er erkannte, dass sein Gegenüber begriff, weshalb er sterben musste.
Seltsamerweise empfand Jakob keine Angst vor dem Tod, nur Bedauern darüber, dass es ihm nicht vergönnt war, seine Kaukasische Sinfonie zu vollenden.
«Für meine Brüder», sagte Elkhan und drückte ab.
Das verheissene Land
In memoriam Jakob Diepoldswiler steht auf dem Plakat, das am Schulzenamt an der Nikolajstrasse angeschlagen ist. Das Pfingstkonzert des Katharinenfelder Sinfonieorchesters vom 8. Juni 1919 steht ganz im Zeichen meines Bruders. Zur Aufführung gelangen seine Baltische Suite und die Kaukasische Sinfonie.
Der Saal im Pavillon des Lustgartens ist ausverkauft. Von meinem Platz im Orchester sehe ich meine Verwandten. Sie sitzen in der vordersten Reihe: Hannes, Martha und ihre sieben Kinder. Und natürlich meine Mutter. Sie und Lotte Erchinger Schulter an Schulter, zwei Witwen, beide vom Leben gezeichnet, die um ihren Sohn und Schwiegersohn trauern.
Folge 93
Als Cornelius Fresendorff, den wir zu unserem neuen Dirigenten gewählt haben, den Taktstock hebt, greift Mutter nach der Hand der Freundin. Sie schliesst die Augen. Die Klänge der Baltischen Suite sind ihr vertraut. Jakob hat ihr seinerzeit die Noten des Klavierauszugs geschenkt. Sie spielt das Werk häufig, kennt jeden Ton, weiss, welche Landschaften die einzelnen Sätze beschreiben. Jakob hat ihr immer wieder von Livland erzählen müssen, von Riga und Segewold, wo ihr Vater aufgewachsen war.
Höchstens drei Tage bleibe er fort, hatte er gesagt. Sophie und Marie waren am Fenster im ersten Stock gestanden und hatten ihm nachgeschaut, als er am 3. November nach Westen ritt, um im Gebirge seine Sinfonie zu vollenden. Als er nicht zurückkehrte, begann das grosse Warten. Ich versuchte die beiden Frauen zu beruhigen. Jakob werde schon nichts passiert sein, behauptete ich. Am Nachmittag des vierten Tages begleitete ich Mutter und Schwägerin auf die Krete zu Simons Grab. Zu dritt schauten wir über die Steppe. Die Gipfel der Berge waren von dunklen Wolken verhüllt. «Im Gebirge fällt Schnee», stellte ich fest. «Der Winter kommt.»
Marie weinte. «Was sollen wir tun, Karl?»
Ich legte den Arm um ihre Schultern. «Morgen werden Hannes und ich ihn suchen.»
Mein Bruder bat Samvel Gevorgian, uns zu begleiten. «In den Bergen haust tatarisches Gesindel», sagte er. «Das Pack wird es nicht wagen, drei bewaffnete Männer anzugreifen.» In der Küche liess er Proviant für ein paar Tage bereit machen. Ausserdem bestand er darauf, Schaufeln mitzunehmen. Als ich fragend die Brauen hob, erklärte er: «Dort oben liegt Schnee. Vielleicht müssen wir ihn ausgraben.»
«Glaubst du, dass er ums Leben gekommen ist?»
Er gab mir keine Antwort.
Ich stelle die Klarinette auf mein Knie und höre Adam Kimmerle und Marie zu, die, nur von den Streichern begleitet, den letzten Satz der Baltischen Suite interpretieren. Kimmerle ist Jakobs begabtester Schüler gewesen. Im Pavillon ist er bereits mehrmals als Pianist aufgetreten. Nach dem Tod seines Lehrers hat er dessen Amt als Organist übernommen.
Maries Haar ist zu einem strengen Dutt im Nacken verknotet. Sie trägt eine langärmelige, hochgeschlossene, schwarze Bluse und einen schwarzen, knöchellangen Jupe. Auf ihren Schmuck hat sie verzichtet. Sie wendet dem Pianisten den Rücken zu und verlässt sich darauf, dass Adam sich ihrem Spiel unterordnet, während sie ihrer Violine jene melancholischen Töne entlockt, mit denen die Musik Abschied vom Baltikum nimmt.
Nach seinem Tod hat sich Marie ganz ihrer Trauer hingegeben. Während Wochen verstummte sie und ass kaum mehr. Sie verlor an Gewicht, und ihre Gesichtszüge wurden verhärmt. Stundenlang sperrte sie sich in Jakobs Arbeitszimmer ein und spielte auf dem Klavier seine Kompositionen.
Schliesslich war es Cornelius Fresendorff und mir gelungen, sie zu diesem Konzert zu überreden. Im Gedenken an Jakob. Das Argument hat sie am Ende überzeugt.
«Weshalb habt ihr ihn dort oben verscharrt und seine Leiche nicht zurückgebracht?», fragte sie mich einmal vorwurfsvoll. «So hätte ich wenigstens von ihm Abschied nehmen und ihn auf dem Friedhof besuchen können.»
Ich zögerte, suchte nach den richtigen Worten. «Glaub mir, es ist besser, dass du ihn nicht gesehen hast.»
Sie schaute mich entsetzt an.
«Nein, er hat nicht leiden müssen», sagte ich hastig. «Er ist erschossen worden und war sofort tot. Aber seine Leiche lag zu lange auf dem Pass.»
Begriff sie, was ich versuchte, ihr zu verstehen zu geben? Wahrscheinlich. Sie hat das Thema seither nicht mehr erwähnt.
An jenem 7. November waren Hannes, Samvel und ich auf demselben Weg geritten wie vier Tage zuvor Jakob. Als wir höher kamen, war der kalte Herbstregen, der uns seit unserem Aufbruch begleitet hatte, in Schnee übergegangen. Wir froren erbärmlich. Die Hochebene auf dem Pass lag unter einer fusshohen Schneedecke. Nachdem wir die Pferde abgesattelt und ihnen die Futtersäcke umgebunden hatten, betraten wir die Hütte neben dem Steinkreuz. Die Hirten, die im Sommer hier oben lebten, hatten Holz zurückgelassen, so dass wir ein Feuer anzünden und uns aufwärmen konnten.
Als wir gegessen und einen Schluck Araki getrunken hatten, ging ich hinaus, um mein Wasser abzuschlagen. Unweit der Hütte stolperte ich über eine vom Schnee bedeckte Erhöhung und fiel der Länge nach hin. Als ich mich aufrappelte, fragte ich mich, worüber ich gestürzt war. Eine namenlose Angst stieg in mir hoch. Mit blossen Händen scharrte ich hastig den Schnee beiseite. Vor mir lag Jakobs Leiche. Sie war von wildem Getier angenagt worden. Ich wankte zurück zu den andern. «Er ist da draussen», stammelte ich.
Die beiden folgten mir. Als Hannes den grässlich zugerichteten Körper unseres Bruders sah, schloss er die Augen. Samvel schlug nach Art der Rechtgläubigen das Kreuz.
Er war der Erste, der Worte fand. «Das waren Tataren. Sie haben ihn erschossen und ausgeraubt.» Er zeigte auf das Loch in Jakobs Stirn. «Später sind die Geier gekommen.» Er wusste, wovon er sprach. Samvel hat in seinem Leben viele Tote gesehen, zu viele. Er hat mir einst erzählt, dass ihn die Bilder seiner Landsleute, die von den Türken massakriert und auf offenem Feld den Raubvögeln zum Frass liegen gelassen worden waren, in seinen nächtlichen Albträumen quälten.
«Wir müssen ihn begraben», sagte ich. «Hier?» Hannes sah mich entgeistert an. «Gehört er nicht auf den Friedhof von Katharinenfeld?»
Folge 94
«Sein Anblick ist weder Marie noch Mutter zuzumuten. Sie sollen ihn nicht so in Erinnerung behalten», erklärte ich. «Wir heben dort drüben beim Steinkreuz ein Grab aus.»
Hannes nickte, und Samvel holte die Schaufeln, die wir mitgenommen hatten.
Bevor wir Jakob in die Grube gleiten liessen, entdeckte ich ein Notizbuch in der zerrissenen Jackentasche des Toten. Ich nahm es an mich und blätterte darin. Das Letzte, was er geschrieben hatte, waren Noten. Ich steckte das Buch ein.
Nachdem wir den Leichnam mit Erde bedeckt hatten, blieben wir am Grab stehen. Der Schnee, der unaufhörlich vom Himmel fiel, setzte sich auf unsere Mützen und Schultern. Wir schwiegen. Ich schaute zu Hannes. Er hatte die Hände gefaltet. Seine Lippen formulierten lautlos das Vaterunser.
Der Wind, der den Schnee vor sich hertrieb, steigerte sich zum Sturm. Wir beschlossen, die Nacht auf dem Pass zu verbringen. Wir führten die Pferde zum Unterstand hinter der Hütte, wo sie notdürftig Schutz vor den Elementen finden mochten. Es waren zähe Tiere, deren Vorfahren aus dem Grossen Kaukasus stammten.
Als wir später um das Feuer sassen, studierte ich im Schein der Flammen Jakobs Notizbuch. Es enthielt einen Choral. Ich versuchte, die vier Stimmen in meinem Kopf zusammenzuführen, und realisierte, dass der Bruder hier etwas Grossartiges geschaffen hatte.
Während Hannes und Samvel schliefen, blieb ich am Feuer sitzen. Ich hörte dem Sturm zu, der draussen über die Hochebene tobte und fauchend um die Ecken unserer Hütte pfiff. Windhauch, alles ist Windhauch.
Weshalb fielen mir jetzt, wie damals an der aufgebahrten Leiche meines Adoptivvaters, die Worte Kohelets ein? Dann erinnerte ich mich: Vor wenigen Wochen war ich im Haus am Äusseren alten Wingert zum Essen eingeladen gewesen. Ich wusste nicht mehr, wie das Gespräch darauf gekommen war, aber beim Kaffee hatte Jakob gesagt, er glaube, das Leben sei nicht mehr als der Wind, der flüchtig seine Wange streife und weiterziehe. Die Unerforschlichkeit der Existenz beschäftigte ihn. «Woher kommen wir? Wohin gehen wir? Uns bleibt nichts, als auszuharren, ohne Hoffnung auf Erkenntnis», hatte er gesagt.
Irgendeinmal schlief ich ein. Als ich erwachte, hatte sich der Sturm gelegt. Die Sonne, die noch tief über dem Horizont stand, zauberte Millionen von glitzernden Kristallen auf den Schnee. Nur das Steinkreuz, bei dem sich Jakobs Grab befand, ragte aus der weissen Pracht.
Nachdem wir heissen Tee aufgebrüht und etwas gegessen hatten, machten wir uns auf den Rückweg. Es war eine elende Plackerei. Wir gingen neben unseren Pferden, die wir am Zügel führten, vorsichtig Schritt für Schritt abwärts.
Der Vorderste bahnte mit seinem Tier für die beiden andern den Pfad durch den hohen Schnee. Alle zehn Minuten lösten wir uns an der Spitze ab. Wir sprachen kaum miteinander. Einmal blieb Samvel stehen. Er zeigte nach links, wo sich in einiger Entfernung eine Tatarensiedlung befand: Die Erdhütten sahen aus wie Schneehaufen über dunklen Türstürzen. Rauch stieg in den Himmel und zeigte an, dass sie bewohnt waren. Vielleicht lebte in einer von ihnen Jakobs Mörder. Vielleicht auch nicht.
Schweigend gingen wir weiter. Zwei Stunden später konnten wir endlich aufsitzen. Wir folgten dem Lauf eines der vielen Bäche, die ihren Weg durch die Steppe suchten, über der, zart wie Spinnengewebe, Nebelschleier waberten. Vor uns lag Eben-Ezer. Der Herbsttag brachte das goldene Laub der Birnbäume in der Allee zum Leuchten.
Marie hatte uns von Weitem kommen sehen und wartete bei der Stele vor dem Haus. Aus vom Weinen geröteten Augen starrte sie uns entgegen. «Er ist tot», sagte sie mit erstickter Stimme.
Ich stieg vom Pferd und atmete tief durch. «Er ist tot», bestätigte ich. «Wir haben ihn begraben.»
Der Applaus für die Baltische Suite reisst mich aus meinen Erinnerungen. Als Nächstes steht die Uraufführung der Kaukasischen Sinfonie auf dem Programm. Cornelius hat sich über Wochen intensiv mit der Partitur auseinandergesetzt, hat immer wieder Marie und mich nach unserer Meinung zu dieser oder jener Stelle befragt, bevor er mit dem Orchester zu proben begann.
Aus Jakobs schriftlichem Nachlass, den mir die Schwägerin überlassen hat, weiss ich, dass er die ersten Entwürfe zu seiner Sinfonie bereits in seiner Jugend komponiert hat. Den zweiten, dritten und vierten Satz, Die Auswanderer, Der Überfall und Heimweh nach der Steppe, alles ursprünglich Stücke für Violine und Klavier, hat er in den vergangenen Jahren mehrmals überarbeitet und schliesslich für grosses Orchester instrumentiert. Erst später hat er den drei Sätzen Das goldene Zeitalter Georgiens vorangestellt, in dem er die glücklichste Periode des Landes schilderte. Sie liegt sieben Jahrhunderte zurück.
In diesem ersten Satz bringt Marie mit ihrem Violinsolo die hoffnungslose Liebe Schota Rustawelis zu Königin Tamar zum Ausdruck. Ich weiss, dass sie hier aus der Tiefe ihrer Seele auch ihre eigene Liebe zu Jakob schildert.
Am Palmsonntag, einem glanzvollen Frühlingstag, sind meine Schwägerin und ich zur Sioni-Kirche spaziert. Die Bäume trugen frisches Laub. In grosser Höhe zogen blendend weisse Federwolken über den lichtblauen Himmel. Im Gebirge hatte bereits die Schneeschmelze eingesetzt.
Folge 95
Das Bett der Maschawera, die wir auf der Brücke bei Kötzles Mühle überquerten, war bis an den Rand gefüllt. Am Ufer spielte das Wasser mit den Spitzen der Hängeweiden. Der Weg führte uns am Fuss des Georglesbergs Richtung Süden. Nach einer Stunde erreichten wir das Ziel.
Die Sioni-Kirche, die auf einem freien Feld steht, ist eine bescheidene Basilika aus dem fünften Jahrhundert, ein gedrungener Bau aus grauem Stein. Wir gingen um das Gotteshaus herum und setzten uns auf dessen Rückseite ins Gras. Ringsum leuchteten violett, gelb und weiss Krokusse und Narzissen.
«Aber die Wüste und Einöde wird lustig sein, und das dürre Land wird fröhlich stehen und wird blühen wie die Lilien. Sie wird blühen und fröhlich stehen in aller Lust und Freude», deklamierte ich.
«Wie bitte?» Marie schaute mich verwundert an.
«Es ist ein Zitat aus dem Buch Jesaja. Für Jakob war es der Leitgedanke für den vierten Satz seiner Sinfonie.» «Tatsächlich?» «Ich habe das aus seinen Aufzeichnungen. Hast du sie denn nicht gelesen?»
«Nein, noch nicht. Vielleicht später, wenn der Schmerz um seinen Tod erträglicher wird.»
Wir schwiegen.
«Ich wusste nicht, dass er die Bibel las», nahm Marie das Gespräch wieder auf. Jakob habe die Religion abgelehnt, fuhr sie fort, mindestens jene Religion, die Pastor Hahn von der Kanzel verkünde. Er habe sich oft darüber beklagt, dass er als Organist gezwungen sei, Sonntag für Sonntag einem Mann zuzuhören, dessen Gott eine Pickelhaube trage und sich mit einem aufwärts gezwirbelten Schnurrbart à la Wilhelm Zwo schmücke.
Ich unterdrückte ein Lächeln. Paul Hahn wird sich wohl ein neues Gottesbild suchen müssen. Nach der Kapitulation des Reichs im November 1918 und dem Abzug von General von Kressenstein aus Sakartvelo musste er seinen Traum von Deutsch-Georgien begraben. Ausserdem hat er, wie man mir sagte, das Porträt des nach Holland exilierten Kaisers aus seiner Studierstube entfernt.
«Die Bibel zu lesen bedeutet nicht zwangsläufig, dass man religiös sein muss», meinte ich. «Vielleicht fühlte sich Jakob von der Poesie bestimmter Texte angesprochen. Jedenfalls hat er auch dem zweiten Satz seiner Sinfonie einen Vers aus dem Alten Testament vorangestellt, Gottes Verheissung an Abraham: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will.» Ich kannte die Stelle auswendig. «Für den dritten Satz, in dem er den Überfall der Mohammedaner auf Katharinenfeld vertonte, ist er bei Jeremia fündig geworden: Der Tod ist durch unsere Fenster gestiegen, eingedrungen in unsere Paläste. Er rafft das Kind von der Strasse weg, von den Plätzen die jungen Männer. Eine Notiz in seinen Aufzeichnungen, die den fünften Satz betrifft, bezieht sich ebenfalls auf die Heilige Schrift: Sakartvelo – Das verheissene Land. Ich frage mich, weshalb er für seine Sinfonie Bibelzitate verwendete. Ob er Parallelen zwischen den schwäbischen Auswanderern und dem Volk Israel gesehen hat?»
«Ich weiss es nicht», seufzte Marie. «Mit mir hat er nicht darüber gesprochen.»
Erneut schwiegen wir. Über uns vollführte ein laut flötender Kiebitz, dessen Obergefieder in allen Farben schillerte, seinen akrobatischen Balzflug.
«Weshalb macht der närrische Vogel solche Kapriolen?», fragte Marie.
«Der liebestrunkene Kerl ist paarungswillig und versucht, auf ein Weibchen Eindruck zu machen», erklärte ich. Es ist bekannt, dass eine Kiebitzkolonie am Ufer des Bolnissiszqali, der unweit der Sioni-Kirche vorbeifliesst, ihre Nistplätze hat.
«Liebestrunken», wiederholte sie gedankenverloren und sah dem Vogel nach. Dann wandte sie sich zu mir: «Und welcher Bibelvers ist ihm zum ersten Satz eingefallen, zum Goldenen Zeitalter?»
«Das war ein Zitat aus dem Recken im Pantherfell von Schota Rustaweli. Die Seele verkaufte ich, um ihr Herz zu gewinnen. Am Anfang von Jakobs Sinfonie steht eine wunderschöne Liebeserklärung. Wahrscheinlich gilt sie dir.»
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. «Er hätte mir so etwas nie gesagt. Was er für mich empfand, musste ich aus seinem Spiel erraten. Ich war seiner nie sicher.» Leise fügte sie hinzu: «Ich war es, die meine Seele verkaufte, um sein Herz zu gewinnen, aber seine Kunst war ihm wichtiger.» Sie schlug die Hände vors Gesicht und weinte. «Lass mich ein Weilchen allein», bat sie.
Ich stand auf, schlenderte um die Kirche und betrat sie durchs Hauptportal. In einem Seitenschiff entdeckte ich eine Ikone, die Jakobus den Älteren darstellte. Der Apostel trägt einen roten Umhang über einem blauen Kleid. In der linken Hand hält er eine Schriftrolle, die rechte ist erhoben. Daumen, Zeige- und Ringfinger berühren sich und deuten die Dreifaltigkeit an. Sein Blick, der den Betrachter übersieht, ist nach innen gerichtet. Überrascht stellte ich fest, dass mich der Heilige an meinen Bruder erinnerte: dieselbe längliche Gesichtsform, dieselbe gerade Nase, dasselbe rote Haar. Und auch Jakob pflegte, wenn sein Kopf voller Melodien war, die Welt um sich herum zu ignorieren.
Seine Gefühle, hatte Marie sinngemäss gesagt, habe er allein über die Musik zum Ausdruck bringen können. Wahrscheinlich hatte sie recht. Jakob war nur beschränkt liebesfähig gewesen. Seine Kindheit war auf dem Altar seiner Begabung geopfert worden.
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