Leben unter Höchstspannung
Wohnhäuser in Aspi bei Seedorf stehen unmittelbar unter der Hochspannungsleitung. Swissgrid plant, diese zu verstärken. Doch wie gehen die Anwohner mit dem ständigen Einfluss von Elektrosmog um?

Elektrische und magnetische Felder können wir weder sehen noch fühlen. Dennoch sind sie allgegenwärtig. Etwa beim Einschalten von Kaffemaschinen, im Zug und um unsere Stromleitungen herum. Diese Tatsache verunsichert viele Menschen. Doch Schweizer Haushalte brauchen Strom – viel Strom. Dieser muss irgendwie transportiert werden.
Braucht es mehr Strom, müssen die Leitungskapazitäten erhöht werden. Um Engpässe zu vermeiden, wird das Schweizer Stromnetz deshalb konstant modernisiert und ausgebaut. Dazu gehört zum Beispiel die geplante Spannungserhöhung der Leitung zwischen Bassecourt JU und dem bernischen Mühleberg.
In Aspi bei Seedorf verläuft diese Leitung unmittelbar über den Dächern des Dorfes. Doch was bedeutet es, unter einer Höchstspannungsleitung zu leben?
Konfliktpotenzial
Die Hochspannungsleitung soll künftig mit 380 Kilovolt betrieben werden. Mit dieser Leistung könnten etwa dreieinhalb Millionen Glühbirnen gleichzeitig betrieben werden. Trotz des Elektrosmogs über den Köpfen scheinen die Bewohner in Aspi aber ruhig zu sein. So zumindest Verena Lauper. Sie lebt mit ihrer Familie direkt unter der Stromleitung. «Ich mache mir da ehrlich gesagt nicht allzu grosse Gedanken», sagt sie. Sie habe zwar gelegentlich Kopfschmerzen, aber vor der Spannungsleitung habe sie trotzdem keine Angst.
Dennoch gebe es in der Gemeinde Stimmen, die gegen eine Erhöhung der Spannung seien, bestätigt Gemeindepräsident Hans Peter Heimberg (SVP): «Gewisse Bürger sind selbstverständlich besorgt.» Heimberg rechnet mit Widerstand gegen das Projekt. Für konkrete Einsprachen sei es aber noch zu früh. Das Projekt geht vom 14. September bis zum 13. Oktober in den betroffenen Gemeinden in die öffentliche Auflage.
Demnächst werde man in Seedorf einen internen Infoanlass für die Gemeindemitglieder organisieren, bei welchem Vertreter von Swissgrid, der Betreiberin des Schweizer Höchstspannungsnetzes, ebenfalls eingeladen sind. Dort könne man dann, so Heimberg, die «Emotionen der Bürger wahrnehmen» und dementsprechend abklären, welche rechtlichen Massnahmen herangezogen werden könnten. Ein Datum für den Anlass wurde noch nicht bekannt gegeben.
Noch bleibt abzuwarten, ob das Projekt Bassecourt–Mühleberg ähnlich starke Reaktionen hervorrufen wird wie die einst geplante Hochspannungsleitung zwischen Mühleberg und Wattenwil. Dort konnte der Neubau der Leitung nach einem jahrelangen Streit verhindert werden. «Ich bin überrascht, dass es bisher noch keinen Aufschrei gegen die Leitung gab», sagt Hans-Ulrich Jakob, Präsident vom Verein Gigaherz, welcher das Ziel hat, die Bevölkerung vor schädlichen Auswirkungen elektromagnetischer Strahlung zu schützen. Der Verlauf der Spannungsleitung über Aspi sei «Wahnsinn», so Jakob. Schockiert und skeptisch spaziert er, ausgerüstet mit seinem piependen Messgerät, durch das Wohnquartier auf der Suche nach Anomalien. Eine nicht repräsentative Messung ergibt eine Magnetfeldstärke von einem Mikrotesla. «Bei Vollbetrieb ist sie dreimal so stark. Ich würde das als Gefahrenzone einstufen», erklärt Jakob besorgt.
Magnetfeld gesetzlich erlaubt
Da die Magnetfeldstärke unabhängig von der Spannung ist, erzeugt eine Höchstspannungsleitung nicht unbedingt ein grösseres Magnetfeld als eine Niederspannungsleitung. In Gebieten, wo sich potenziell Menschen aufhalten können, liegt der Immissionsgrenzwert eines magnetischen Feldes in der Schweiz bei 100 Mikrotesla.
Bei Neuanlagen wird seit dem Jahr 2000 jedoch der Grenzwert von einem Mikrotesla verlangt. Nun garantiert die Swissgrid bei der Spannungserhöhung der Leitung Bassecourt–Mühleberg, die 1978 gebaut wurde, jedoch die Einhaltung des Grenzwertes von 100 Mikrotesla. Begründet wird dies dadurch, dass die geplante Spannungserhöhung nicht als Änderung der Anlage gelte, weshalb der gesetzliche Wert von 100 Mikrotesla gelte, wie es bei der Medienstelle von Swissgrid heisst. Weshalb Baumassnahmen an 54 von 141 Masten nicht als Änderung betrachtet werden, bleibt unklar.
Es gibt wenig gesicherte Erkenntnisse über die Auswirkungen einer langfristigen Exposition durch niederfrequente Magnetfelder. Dennoch warnt das Bundesamt für Umwelt vor den möglichen Risiken. Die Strahlen stehen im Verdacht, das Leukämierisiko bei Kindern zu erhöhen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat niederfrequente Strahlung als möglicherweise krebserregend beim Menschen klassiert.
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