Latour: «Sind noch nicht bereit für den Europacup»
Für GC zählt heuer nur die Schweizer Meisterschaft. Gleich mit 0:6 gingen die Grasshoppers beim international wenig bekannten polnischen Verein Lech Poznan unter.
Die höchste Niederlage in der 52-jährigen Europacup-Geschichte der Zürcher hinterliess auch in Polen ungläubiges Staunen. Der kleine Pressesaal im altehrwürdigen Miejski-Stadion, das bis in vier Jahren in ein prächtiges EM-Stadion umgebaut wird, war nach dem Spiel gerammelt voll. Stolz, aber auch ungläubiges Staunen zeichnete sich auf den Gesichtern der polnischen Journalisten ab. 6:0 hatte ihr Team in der UEFA-Cup-Ausscheidung gegen den auch bei ihnen wohlbekannten Grasshopper-Club aus Zürich gewonnen. Es war nicht nur der höchste Europacup-Sieg in der Geschichte des fünffachen polnischen Meisters, sondern auch für den Gegner aus der Schweiz die höchste Niederlage in einem europäischen Wettbewerb gewesen.
Fantastisches Publikum
Lech Poznan hatte auf internationaler Ebene zuvor kaum von sich reden gemacht. Zum zwölften Mal ist man heuer im Europacup dabei seit der Vereinsgründung 1922. Stets bildeten die Achtelfinals Endstation. Doch die Grasshoppers waren beileibe nicht die erste Mannschaft, die mit dem athletischen Gegner und dem fanatischen Publikum, das seine Mannschaft 90 Minuten lang lautstark nach vorne peitscht, nicht zurecht kam. Athletic Bilbao, Panathinaikos Athen und Olympique Marseille waren ebenso prominente Teams, die in Poznan verloren haben. Und das grosse Barcelona benötigte 1988 nach einem 1:1-Heimunentschieden im Rückspiel in Polen ein Penaltyschiessen, um sich ganz knapp (5:4) durchzusetzen.
Die Vergangenheit des Gegners, der seiner Mannschaft am Donnerstagabend eine brutale und auch peinliche Abfuhr erteilte, interessierte GC-Trainer Hanspeter Latour indessen nur am Rande. Die Nacht nach dem Spiel wurde für ihn zum Tag. Erst sprach er kurz nach Mitternacht noch mit der Mannschaft und versuchte sie bereits auf das nächste schwere Auswärtsspiel gegen Neuchâtel Xamax zu fokussieren, dann zog er sich nochmals die Video-Aufzeichnung der 0:6-Niederlage rein. Latour: «Auch wenn man diese Partie am liebsten für immer aus dem Gedächnis streichen würde, ich muss es mir einfach nochmals anschauen.»
Hohn und Spott
Der Berner Oberländer war erstaunlich ruhig geblieben während dem Spiel. Und auch bei der nachfolgenden Pressekonferenz brauchte es Nerven, um keine unbedachten Worte zu äussern. Es wurde viel gelacht zwischen den Journalisten und ihrem Trainer. Und weil die Fragen und Antworten nicht auf Deutsch übersetzt wurden, glaubte Latour auch Hohn und Spott ausgemacht zu haben. Der GC-Trainer wies dann in seinen Antworten auf das sehr junge und unerfahrene Kader hin. Latour: «Uns wurden hier die Grenzen ganz klar aufgezeigt. Ausser Ricardo Cabanas, Eldin Jakupovic und Veroljub Salatic hat noch keiner je eine solche Stimmung in einem Stadion erlebt. Für die meisten von ihnen bedeutet der Europacup Neuland. Und einige machen gar erst die ersten Schritte auf der Schweizer Super-League-Ebene.»
Der UEFA-Cup komme für seine Mannschaft in diesem Jahr noch zu früh, sagt Latour. Eine ungewöhnliche Aussage für einen Trainer der ruhmreichen Grasshoppers. «Ja, ich weiss, von GC wird immer viel erwartet. Aber es ist sehr schwierig, mit diesem jungen und momentan auch um einige Verletzte reduzierten Kader die teils hohen Ansprüch zu erfüllen. Wir müssen noch ein bis zwei Zuzüge tätigen. Aber das habe ich bereits vor dem 0:6 gesagt.»
Mentale Sorgen
Für GC zähle ab sofort nur noch die Meisterschaft. Im Rückspiel in zwei Wochen im St. Galler Exil gehe es nur noch darum, die Ehre zu wahren. Bis dann ist der schwere Gang nach Neuenburg bereits vorbei. Latour: «Das wird sehr schwer, zumal wir uns innerhalb weniger Stunden auch noch auf den Kunstrasen umstellen müssen.» Der GC-Trainer sagt es zwar nicht, aber der mentale Zustand seiner jungen Spieler dürfte ihm nach der ereignisreichen Woche mit dem unnötigen 2:2 im Zürcher Derby und diesem brutalen 0:6 in Polen einige Sorgen bereiten.
si/mam
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