Kunst am Bau steht in der Kritik
Künftig soll der Kanton weniger Geld für Kunst am Bau ausgeben. Eine entsprechende SVP-Motion kommt nun im Grossen Rat zur Abstimmung. Die Kunstszene ist besorgt.

Eine Touristin zückt ihr Handy und macht mit den Bronzefüssen ein Selfie. Immer wieder amüsieren sich Besucher und Anwohner über die Plastik «Kopflos» auf dem Casinoplatz, die längst zum Stadtbild gehört.
Als Kunst am Bau wurde die kniehohe Skulptur – ein in Bronze gegossenes Beinpaar – 1986 vom Berner Künstler Luciano Andreani für den Bahnhofplatz geschaffen. Nach dem Umbau 2007 wurde sie neu platziert.
Motion fordert Beschränkung
Nicht nur auf dem Berner Casinoplatz: Unsere Umgebung ist geprägt von Kunst. Dies unter anderem, weil der Kanton Bern bei bedeutenden Neu- oder Umbauten einen Teil der Bausumme in ortsspezifische Kunst investiert.
Der Kanton gab seit Inkrafttreten des aktuellen Kulturfördergesetzes 2013 dafür insgesamt 1,1 Millionen Franken aus. Beim Neubau Campus Biel der Berner Fachhochschule sind rund 1,3 Millionen Franken für Kunst am Bau eingeplant, beim Neubau Campus Bern ist der Betrag noch nicht definiert.
Zu viel, finden die SVP-Grossräte Lars Guggisberg (Kirchlindach) und Mathias Müller (Orvin). Im Juli 2017 haben sie eine Motion eingereicht, die verlangt, bei Neubau- und Umbauprojekten höchstens 0,25 Prozent der Gesamtkosten oder 120'000 Franken für Kunst am Bau aufzuwenden.
In seiner Antwort vom März begrüsst der Regierungsrat diese Einschränkung – empfiehlt die Motion allerdings als Postulat zur Annahme. Dies, weil vorerst zu prüfen sei, ob die Limitierung auf Gesetzes- oder Verordnungsebene zu handhaben sei. In den kommenden Tagen kommt das Geschäft während der Junisession im Grossen Rat zur Abstimmung.
Bis 2012 war der Kanton noch verpflichtet, bei Bauprojekten künstlerische Beiträge zu realisieren. Seit 2013 beruht dies auf Freiwilligkeit – was zur Halbierung der Kosten für entsprechende Kunstprojekte geführt hat. In Anbetracht der knappen Kantonsfinanzen begrüsst der Regierungsrat in seiner Antwort auf die Motion eine weitere Reduktion der Ausgaben.
Für den Verein Basis Kunst und Bau (Bakub) überwiegen hingegen die Nachteile für die Gesellschaft und die Kunstschaffenden. Den Spareffekt schätzt er als zu gering ein: Wären die in der Motion geforderten Regulierungen seit 2013 in Kraft, «hätten 0,5 Millionen Franken verwendet werden dürfen.
Die durchschnittlichen jährlichen Einsparungen hätten mit 300'000 Franken nur rund 0,003% des kantonalen Finanzhaushaltes von 10 Milliarden Franken ausgemacht», heisst es in der vom Bakub mitlancierten Petition «Rettet Kunst am Bau!». Bis am Sonntag haben rund 930 Personen die Petition unterzeichnet.
Auch das vorgesehene Kostendach wird von Bakub-Präsident Ronny Hardliz kritisiert: «Bezahlt wird ja nicht nur das Kunstwerk, sondern auch eine korrekte Ausschreibung, faire Selektion, transparente Jurierung, die Ausführung, adäquate Honorierung und nachhaltige Vermittlung. Dafür sind 120'000 Franken sehr knapp.»
Mit dieser Beschränkung könnten nur fertige Kunstwerke angekauft und platziert werden, was nicht der Vorstellung einer gesellschaftlich relevanten Kunst am Bau entspreche, wie sie etwa bei der Grimselstaumauer realisiert werden konnte. Dort erinnert ein aus Stein geschlagener Arbeiter mit Presslufthammer an die Erbauer der Kraftwerke Oberhasli.
Stimmen aus der Kunstszene
Die Beunruhigung in der Berner Kunstszene über die Motion ist gross. «Der Stellenwert der Kunst und mit ihr jene der Künstlerinnen und Künstler hat heute vielleicht nicht mehr dieselbe Selbstverständlichkeit wie in der Vergangenheit», sagt etwa Renée Magaña, Künstlerin aus Bern. «Doch Kunst am Bau ist nicht nur ein ästhetischer Beitrag. Durch sie können sich vergangene Traditionen und Brauchtum im gesellschaftlichen Gedächtnis einprägen.»
Die demokratische Bedeutung ist auch für den Künstler Alain Jenzer zentral: «Selten erreicht Kunst so viele Menschen aller Altersklassen und gesellschaftlichen Schichten wie im öffentlichen Raum. Sie erschliesst uns neue Perspektiven auf unsere Umgebung, unsere Mitmenschen und uns selbst.»
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