Lachen über Nazis ist kein Tabu mehr
Ausbeutung oder Aufarbeitung des Grauens: Die Schweizer Erstaufführung von «Sein oder Nichtsein» im Theater an der Effingerstrasse bleibt hinter der Originalverfilmung zurück, bringt aber auch eine Erkenntnis.

Im März 1942 war Ernst Lubitschs Film «To Be or Not to Be» nach der Premiere erst einmal heftig kritisiert worden. Im Oktober 2009 wurde die auf dem Film basierende Theaterinszenierung an der Effingerstrasse heftig beklatscht. Einiges hat sich seither verändert. Wurde damals noch moniert, es sei pietätlos, den Nazischrecken in einer Komödie zu verhandeln – ein zu ernstes Thema für Witze also –, so ist das heute per se kein Tabubruch mehr. Filme wie Dani Levis Satire «Der Führer» von 2006 oder Tarantinos gerade im Kino zu sehende «Inglourious Basterds» bestätigen das. Demgegenüber ist «Sein oder Nichtsein» geradezu harmlos.
Kreativer Widerstand
In der Essenz leistet da eine kleine polnische Theatertruppe im 1939 von den Deutschen besetzten Warschau hartnäckig und kreativ politischen Widerstand. Weil sie eine Satire über Nazideutschland auf dem Spielplan hatte, sind die Schauspieler noch alle im Besitz von täuschend echten deutschen Uniformen. Mit diesen verschaffen sie sich Zugang zu gefährlichen Dokumenten und ins Herz der Unterdrücker. Natürlich verstricken sie sich dabei immer tiefer in die Gefahr und müssen mit immer ausgeklügelteren Tricks und Einfällen ihr Leben und jenes ihrer Kameraden retten. Dabei wird nicht nur politischen Plattitüden auf den Zahn gefühlt, sondern ebenso gewissen eitlen Schauspielerattitüden und sexistischen Geschlechterrollen.
Zu wenig Farbe
Das ist hie und da lustig, funktioniert aber im alten Film von Lubitsch bedeutend besser als in der neuen Inszenierung von Stefan Meier. Diese wagt bei dieser Thematik scheinbar noch immer nicht eine gewisse Subtilität und echte Menschlichkeit auf der Bühne zu zeigen. So ist es trotz der grossen Besetzung aus zwölf Schauspielern im gut zweistündigen Theaterabend wenig abwechslungsreich. Alles ist in die gleiche Farbe getaucht, wird zu dick aufgetragen und überzeichnet dargestellt.
Das ergibt einen Einheitsbrei, bei dem nie ganz klar ist, wo bewusst karikiert wird und wo das schauspielerische Können an seine Grenzen stösst. Am besten schlagen sich da noch die beiden Hauptdarsteller Karo Guthke (in der Rolle der fast-erotischen Maria Tura) und Peter Bamler (als etwas gockelhaften Joseph Tura) sowie Robert Runer als Unglücksrabe Erhardt. Aber auch sie vermögen über die Längen sowohl in der Stückfassung von Nick Whitby wie in der Regie nicht hinwegzuhelfen. Und die von Peter Aeschbacher mit einer Drehbühne eigentlich clever gelösten ständigen Ortswechsel drosseln das Tempo zusätzlich.
Zu langsam ist der Mechanismus dieser Vorrichtung, zu viel Zeit geht ungenutzt im Dunkeln verloren. So wirkt «Sein oder Nichtsein» antiquierter als sein 67-jähriges Vorbild.
Die einzige Aktualität liegt in der Bestätigung, dass eine Annäherung an den Schrecken der Vergangenheit heute, ohne Kontroversen auszulösen, über den Humor gelingen kann. Vielleicht galt der Premierenapplaus ja auch ein bisschen dieser Erkenntnis.
Weitere Vorstellungen bis 29.Oktober.
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