Neil Young: Der Unverbesserliche
Neil Young kommt. Drei «Züritipp»-Autoren bejubeln die ihnen liebste Platte des Kanadiers.
Das Fazit der Fachleute lautet: Das goldene Jahrzehnt des heute 62-Jährigen dauerte von 1969 bis 1979. Doch wie heisst es bei Young? «Rust Never Sleeps» - frei übersetzt: Es steckt noch viel Leben im alten Eisen.
Young sattelt ein neues Pferd
Buffalo Springfield: Kultstatus. Crosby, Stills, Nash & Young: Weltruhm. Die «Harvest»-Session-Band: alles Nashville-Cracks. Aber die Band, mit der Neil Young verbunden ist wie das Fleisch mit der Rippe, das ist Crazy Horse. Seit ihrem ersten gemeinsamen Album «Everybody Knows This Is Nowhere»von 1969 ist Young immer wieder zu ihnen zurückgekehrt.
Die Stars, die in den Siebzigern auf ein Fingerschnippen Youngs in Reihe standen, hatten für die Hobbykapelle nur neidischen Hohn übrig, stellvertretend dafür Youngs Supergroup-Kumpel David Crosby: «Ich sagte zu Neil, ‹Warum zum Teufel spielst du mit diesen Wichsern?› Und er sagte‹Sie haben eine Seele.› – ‹Mann›, sagte ich,‹das hat mein Hund auch, aber deshalb gebe ich ihm doch kein Schlagzeug!›»
Aber gerade die torkelnde, wankende Rhythmusgruppe um Billy Talbot (dr) und Ralph Molina (b) gibt dem verrückten Pferd den trotzigen Willen, an allen Gefahren (Tempo! Dynamik!) vorbei staubtrocken ins Ziel zu trotten: Bumm-Bumm-Tschack! Und solange Neil Young einen Gitarristen wie Danny Whitten im Rücken hat, genügt ihm ein einziger Ton für ein grossartiges Solo. Zu hören auf «Cinnamon Girl», dem ersten Lied auf «Everybody Knows…». Nebst vor Spielfreude strotzenden Country- und Rocknummern birgt das Album mit «Down By the River» die wohl erste Mörderballade der Rockgeschichte. Und die Einsicht: Youngs andere Bands können alles, Crazy Horse will umso passionierter. (Mauro Guarise)
Zeitreise ins Jahr 1969: «Down By the River», die wohl erste Mörderballade der Rockgeschichte, gespielt von Crosby, Stills, Nash & Young.
Young macht eine Landpartie
Es fängt damit an, dass die LP «After the Gold Rush»meinen Jahrgang hat. Sie erschien 1970 und war das dritte Studioalbum von Neil Young. Young war damals noch kein richtiger Star – «Harvest», das die Nummer 1 der Billboard Charts werden und ihn endgültig etablieren sollte, erschien erst zwei Jahre später.
Klar, Country-Fans mochten Neil Young schon für seine Arbeit mit Buffalo Springfield, aber das waren (jedenfalls in meinem Fall) eher Ehrfurcht und Respekt als wahre Liebe. «Gold Rush» hingegen war näher bei Crosby, Stills, Nash and Young, also melodiöser, unaufgeregter, friedlicher. Mit dem damals schon eigensinnigen Neil Young zusammen singen Ralph Molina und der grossartige Stephen Stills, am Piano debütiert der damals 18-jährige Nils Lofgren, der 14 Jahre später bei Bruce Springsteen einsteigen wird.
Die Songs auf «After The Gold Rush» sind bis auf Don Gibsons Gassenhauer «Oh Lonesome Me» Eigenkompositionen, laut Liner Notes inspiriert von einem Bühnenstück, dem die Platte ihren Namen verdankt. Das Magazin «Rolling Stone» bezeichnete das Album als «gleichförmig». Der Kritiker hätte es vielleicht noch ein paar Mal anhören sollen, bevor er in die Tasten griff, denn wie alle wirklich guten Alben wird «Gold Rush» bei jedem Anhören besser und ist erst dann wirklich gut, wenn man im Auto alle zweiten Stimmen mitsingen kann. Und von da an hört die Liebe nie mehr wirklich auf. (Susanne Loacker)
Zum Mitsingen: Neil Young und Crosby, Stills, Nash geben 1970 «Only Love Can Break Your Heart».
Young wird niemals sterben
Man sieht ihn nicht, aber man hört ihm zu. Dem dünnen Mann mit der hohen Stimme, der da mit seiner Akustikgitarre vor dem Publikum sitzt und verkündete: «My my, hey hey, Rock’n’ Roll is here to stay» – eine Prognose, der man zu jenem Zeitpunkt kaum trauen mochte. 1979 hatte die Punk-Welle eben erst die heiligen Hohlräume und Ruhmeshallen des Rock’n’ Roll geflutet, und King Elvis war gerade mal seit zwei Jahren tot. In diese endzeitliche Episode hinein veröffentlichte Neil Young sein Album «Rust Never Sleeps», dessen konzeptuelle Anlage die allgemeine Ratlosigkeit abbildete und es dem Meister ermöglichte, auf der ersten Seite mit reduzierten Solonummern seine Sicht der Dinge darzulegen, um dann auf Seite 2 gemeinsam mit seiner Band Crazy Horse elektrisch und unverbesserlich loszurocken.
Kurz vor dem Ende der veränderungsreichen Siebzigerjahre hat Neil Young noch schnell ein paar grandiose Lieder abgeliefert, um sich dann in der kommenden Dekade mit seltsameren Dingen zu beschäftigen. Die knorrige Selbstbehauptungs-Hymne «Thrasher» findet sich hier, ebenso die fast schon idyllische Liebeserklärung «Sail Away» oder das tragisch ausklingende Grenzer-Drama «Powderfinger». Und zum Schluss der Platte kehren Sänger und Band zum Eröffnungsstück zurück, das nun mit einem ruppigen Riff versehen lyrisch aufgelöst wird: «Hey hey, my my, Rock’n’ Roll will never die». Davon sind Neil Young und der Schreibende nach wie vor überzeugt. (Philippe Amrein)
Eine Hymne, Elvis Presley und Johnny Rotten zu Ehren: Neil Young spielt mit seinen Crazy Horse 1979 «Hey Hey My My».
Und was in keiner Neil-Young-Videosammlung fehlen darf: «Rockin’ In The Free World» von 1989, einer der zehn grössten Protestsongs aller Zeiten.
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