Klassiker der Woche: Cziffra wärmt sich auf
Als Spezialist fürs Hochvirtuose ist der Pianist György Cziffra berühmt geworden. Und als Improvisator ist er eine Nummer für sich.
Ein paar Akkorde, ein paar Läufe, dann scheint György Cziffra in eine Chopin-Etüde einzubiegen. Aber er will bei dieser Aufnahme aus dem Jahr 1962 ja gar kein Stück aufführen, es geht nur darum, den Flügel zu testen, sich aufzuwärmen, die Kameras zu justieren. Also spielt er, was ihm gerade einfällt, streift dabei neben Werken von Chopin auch solche von Liszt und Rimski-Korsakow, zwischendrin meint man ein paar Takte Schostakowitsch zu hören. Und wie er vor allem in den ersten Minuten die Übergänge findet, ohne je in eine Sackgasse zu geraten: Darin zeigt sich die Kunst eines Pianisten, der neben sehr schnellen Fingern auch einen sehr schnellen Kopf hatte.
Einfach wurde ihm diese Karriere nicht gemacht, der Zweite Weltkrieg kam dazwischen. Cziffra verbrachte ihn an der Front und in einem russischen Gulag, als Pianist im Kasino der deutschen Offiziere und auf der Flucht in einem selbst gesteuerten Zug (weil er als Roma den Versprechungen eines Offiziers, ihn in Berlin mit Richard Strauss bekannt zu machen, nicht traute). Nach dem Krieg verdiente er sich sein Leben als Pianist in ungarischen Kabaretts und landete nach einem Fluchtversuch in den Westen erneut im Gefängnis. 1956 verliess er Ungarn mit seiner Frau und seinem Sohn dann doch noch – und startete in Frankreich endlich eine internationale Laufbahn. Als er 1994 starb, wurde er gewürdigt als grosser Pianist und ungemein liebenswürdiger Mensch.