Sommerträume im September? Schon eher – als nostalgisches Besinnen. William Waltons Cellokonzert scheint im Kopfsatz davon zu erzählen: von der Üppigkeit eines frühsommerlichen Gartens auf der Insel Ischia im Golf von Neapel. Dort verbrachte der britische Komponist (1902–1983) seine späten Jahre.
Fliegende Locken
Waltons Cellokonzert, eine Hommage an seine Frau, führt von der traumverlorenen Melancholie in die fiebrige Nervosität – und zurück. Bis heute ist das Werk, Mitte der Fünfzigerjahre entstanden, nicht oft im Konzertsaal zu hören.
Doch es gibt einen entschiedenen Anwalt: Der britische Cellist Steven Isserlis zählt es zu den grossen Solokonzerten, er findet darin «Romantizismus und Drama». Und wenn wir gerade bei den Superlativen sind: Isserlis gehört zu den besten Cellisten der Gegenwart. Aber auch zu den lustigsten. Er schreibt Bücher mit Titeln wie «Warum Beethoven mit Gulasch um sich warf». Und wenn er spielt, dann fliegen die grauen Locken. Was allerdings nicht heissen soll, dass da ein Cello-Berserker am Werk ist.
Isserlis zeigt sich vielmehr als eleganter Erzähler – auch in Waltons Werk. Bei Gregor Piatigorsky, dem Widmungsträger, klang das Cellokonzert einst rauer, garstiger, manchmal gar gespenstisch. Isserlis ist nicht darauf bedacht, die dezidiert modernen Seiten des Werks herauszustellen. Er rundet die Kanten aber auch nicht, wie es der Cellist Pieter Wispelwey getan hat. Das passt zum Ansatz von Gastdirigent Edward Gardner, der erstmals im Kultur-Casino auftritt. Der Brite führt das Orchester mit stilvoller Sorgfalt durch das Werk seines Landsmanns.
«Higglety Pigglety Pop!»
Eine Briten-Parade also. Und ein Tanz der Raritäten. Er beginnt mit einem eigentümlichen Werk: In «The Way to Castle Yonder» versammelt der schottische Komponist Oliver Knussen eine Reihe von Zwischenspielen aus seiner Oper «Higglety Pigglety Pop!» – inspiriert vom gleichnamigen Märchen Maurice Sendaks, der das Kultbilderbuch «Wo die wilden Kerle wohnen» schuf. Knussen lässt die Hörer an der Geschichte der Terrier-Dame Jenny teilhaben, die in die weite Welt aufbricht, um sich selber zu finden. Das Berner Symphonieorchester spielt das Werk als Schweizer Erstaufführung in voller Farbe, mitsamt Sandwichschwein und vitalem Löwenritt.
Und die Winterträume? Moment – ach ja: Man findet sie nach der Pause, in der von Gardner sehr transparent gestalteten ersten Sinfonie von Tschaikowsky. Als suggestive Tagträumerei.
Weitere Aufführung: Heute Freitag, 19.30 Uhr, Kultur-Casino, Bern. konzerttheaterbern.ch