Die Nicole-Kidman-Festspiele
Am Filmfestival Cannes gibt Nicole Kidman ein gewaltiges Comeback. Die 49-jährige Oscarpreisträgerin ist in vier verschiedenen Rollen zu sehen. Doch nicht jeder Film kann mit der Klasse der australischen Schauspielerin mithalten.

Die Punkige:

Drei grossmäulige Rotzlöffel treffen in einem abgeschiedenen Haus auf eine Gruppe von Aliens in Latexanzügen. Unterdessen ohrfeigt eine Musikmanagerin (Nicole Kidman) ihren krähenden Gesangsschützling und erzählt von ihrer Assistentinnenzeit bei Vivienne Westwood. Äh, was geht hier vor?
«How to Meet Girls at Parties» (Regie: John Cameron Mitchell) ist nicht nur ein komplett irreführender Titel, sondern der durchgeknallteste Film des diesjährigen Festivals von Cannes. Einzig Kidman bewahrt Haltung. Sie trägt eine weisse Bienenkorbpunkfrisur im verdrecktesten Club Englands zur Schau und unterbricht ein Kampfgetümmel mit Verweis auf die britsche Tea-Time. Bester Dialog: Als sich ein weiblicher Alien erkundigt, was Punk sei, antwortet Kidman: «Der Zigarettenstummel des Blues.»
Die Erschütterte:

Eine Prise Horror gefällig? Dieser Film beginnt mit einem freiliegenden Herzen auf dem Operationstisch, und man ahnt: Das kommt nicht gut. Herzchirurg Steven (Colin Farrell) ist Alkoholiker und hat den Vater des 16-jährigen Martin (Barry Keoghan) auf dem Gewissen. Was folgt, ist eine Tragödie klassisch-griechischer Bauart: Stevens Kinder landen auf Martins Betreiben im Spitalbett, worauf die Ehefrau (Nicole Kidman), ebenfalls Ärztin, Gegenmassnahmen fordert. So werden wir Zeugen, wie zwei solide Akademiker allmählich den Boden unter den Füssen verlieren.
«The Killing of a Sacred Deer» von Yorgos Lanthimos ist ein exquisites Psychodrama und eines der besten Werke des diesjährigen Cannes-Wettbewerbs. Kidman weint, zetert und drapiert sich nackt auf dem Bett. Das ist so gruselig wie sexy. Unheimlicher wirkt nur noch die penetrante Nonchalance des Jungstars Barry Keoghan.
Die Gestrenge:

Im Originalfilm von 1971 wurde Clint Eastwood als Manipulator in einem sexhungrigen Mädchenpensionat ein Bein abgesägt. Jetzt serviert Sofia Coppola das Remake von «The Beguiled» als hüftsteifen Edelgähner – mit Colin Farrell als verletztem Nordstaatenoffizier, der in den Südstaaten in besagtem Hennennest landet. Die mitunter Französisch parlierenden Damen agieren zahm, der Deserteur weiss wenig mit ihnen anzufangen. Und als er es dann doch tut, ist von weiblichen Racheaktionen wenig bis nichts zu sehen. Nicole Kidman ist als gestrenge Hausherrin das Beste in einem Film, der keine Dramatik und keine erkennbare Handschrift aufweist – und beim Abspann bereits wieder vergessen ist.
Die Resolute

Was wird denn da von der Klippe gestossen? Die 2. Serien-staffel von «Top of the Lake» von Jane Campion beginnt mit einer toten Nutte im Koffer. Ein klarer Fall für Detektivin Robin (Elisabeth Moss), die gerade eine vermasselte Heirat hinter sich hat, mit Alkohol und Schlafproblemen kämpft und erstmals ihrer leiblichen Tochter begegnen wird. Letztere ist 17 und möchte in Sydney einen schmierigen 40-Jährigen heiraten, was deren Ziehmutter (Nicole Kidman) mit allen Mitteln zu verhindern versucht.
Man darf gespannt sein, wie sich Kidmans resolute Neolesbe mit den grauen Haaren im Lauf der Staffel entwickelt. Härteste Konkurrenz ist eine blonde Zweimeterpolizistin, die Detektivin Robin wie ein Schosshündchen hinterherdackelt. Kurz: «Top of the Lake» ist abermals suchterregend-schräges Topvergnügen – ganz im Gegensatz zu David Lynchs ausgefranster Roter-Vorhang-Revue «Twin Peaks», die nicht nur in Cannes für Ratlosigkeit sorgte.
«The Beguiled»: Ab 29. 6. in den Schweizer Kinos. «Top of the Lake»: Erstausstrahlung am TV noch unklar.
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