Zwei verliebte Trottel und ein Fisch
Äusserst komisch und sehr berührend: In «Die weiteren Aussichten» schildert Robert Seethaler das kuriose Liebesabenteuer zweier Loser, die sich als Traumpaar entpuppen.
Die Natur hat es mit Herbert alles andere als gut gemeint. Viel zu lang ist er geworden, drahtig «wie ein Weberknecht» und auch sonst nicht wirklich schön. Der Hellste ist Herbert leider auch nicht, und als ob er nicht schon genug geprügelt wäre, ist er auch noch Epileptiker. Kein Wunder, dass sein einziger Freund ein Zierfisch namens Georg ist. Natürlich wohnt der 27-Jährige noch bei der Mutter, in einem muffigen Provinzkaff, wo sie zusammen eine unrentable Tankstelle betreiben.
Frau ohne Frisur
Solche Typen haben im Leben quasi von Natur aus keine Chance – doch bei Herbert hatte das Schicksal alias Robert Seethaler ein Einsehen. Der in Österreich geborene und in Wien und Berlin lebende Schriftsteller und Drehbuchautor hat eine grosse Schwäche für handicapierte Aussenseiter. Schon in seinem Debütroman «Die Biene und der Kurt» (2006) hetzte der 42-Jährige einen abgehalfterten Möchtegern-Elvis mit einer extrem kurzsichtigen, geistig verschrobenen 16-Jährigen quer durch die deutsche Provinz. Und nun, in seinem Zweitling «Die weiteren Aussichten», wächst ein liebenswürdiger Nichtsnutz mit einem Schaden im Kopf über sich hinaus – auf der Suche nach ein bisschen Glück. Als Herbert nämlich eines Tages beim Blumengiessen eine pummelige Frau ohne Frisur auf einem Fahrrad vorbeifahren sieht, verliebt er sich auf einen Schlag – und bekommt ob so vieler Aufregung gleich einen epileptischen Anfall. Aber egal, ab da kann ihn nichts mehr aufhalten: Diese fette, wortlahme Putzfrau Hilde ist seine Traumfrau. Ihr Herz gilt es zu erobern, koste es Herbert auch sein beschauliches Leben.
Fressen, schauen, scheissen
Was folgt, ist ein kurios-furioser Befreiungsschlag und gleich darauf ein wunderbar dilettantisches Liebesabenteuer, das allmählich zu einem rasanten Roadmovie in Buchform ausartet. Viel darf man von dieser tragikomischen Odyssee allerdings nicht verraten – vielleicht nur dies: Seethaler hält in jedem Kapitel eine unerwartete, groteske Wendung bereit. Verständlich, wünscht sich da der überforderte Herbert manchmal, ein Zierfisch zu sein: «So ein Fisch hat es gut, schwimmt hin und her, frisst, scheisst, alles im selben Wasser, hängt an der Scheibe, schaut und hat ansonsten keine weiteren Bedürfnisse, schön muss das sein.»
Schön ist auch, wie behutsam Seethaler mit seinen Antihelden in all dem Trubel umgeht, wie liebevoll er die Sprache ihrem beschränkten Horizont anpasst. Es ist eine Mischung aus Naivität und Lakonie, die der Geschichte eine umwerfende Komik verleiht, ohne die Figuren blosszustellen. Und so kommt man am Schluss zur verblüffenden Einsicht, dass Herbert und Hilde nicht nur wahre Helden, sondern auch ein echtes Traumpaar sind.
Robert Seethaler: «Die weiteren Aussichten». Roman, Kein&Aber, 317 Seiten.
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