Endspiel unter afrikanischer Sonne
Neues vom zornigen Apokalyptiker: Denis Johnson legt mit seinem Roman «Die lachenden Ungeheuer» einen fiebrigen Thriller vor, in dem nichts ist, wie es scheint.

«Weshalb sollten meine Bücher gut ausgehen?» fragt Denis Johnson im Gespräch. «Das Leben geht doch auch nicht gut aus. Wir altern, unsere Freunde sterben, und am Ende müssen wir selbst dran glauben. Was ist daran positiv?»
Dieser eher tristen Einsicht folgend, legt der 1949 als Sohn eines Besatzungsoffiziers in München geborene Amerikaner seit 1983 seine pechschwarzen, zivilisationskritischen Epen vor: Werke, die ihm den Ruf des zornigen Apokalyptikers eintrugen – darunter düster-faszinierende Meisterwerke wie «Engel», «Fiskadoro» oder «Ein gerader Rauch» von 2007, der ihm den renommierten National Book Award einbrachte.
Beinharter Realismus
Denis Johnson ist ein Generationskollege von Anne Beatti, Paul Auster und T. C. Boyle – doch der in Idaho lebende Solitär ging bereits mit dem Erscheinen seiner inzwischen legendären Storysammlung «Jesus' Sohn» einen anderen, eigenen Weg.
Denn wo Auster und Boyle mit ihren eher leicht konsumierbaren Werken das grosse Publikum anvisierten, setzte Johnson konsequent auf beinharten, bisweilen schwer verdaulichen Realismus. So auch in seinem neuen Roman «Die lachenden Ungeheuer», der im Gewand des klassischen Agententhrillers daherkommt – sich bei genauerer Betrachtung aber als fiebriges Westafrican Noir erweist, in dem nichts so ist, wie es scheint. «Denn das alles», so heisst es einmal, «hatte sich wie ein kühner Spielzug in einem regellosen Sport angefühlt».
«Ich schreibe Bücher über Leute, die diese nie lesen würden», sagt Johnson. «Das hat mit meiner Vergangenheit zu tun. Weil ich nie vergessen habe, wie das damals war, versuche ich jenen, mit denen ich mich lange durchs Leben geschlagen habe, eine Stimme zu geben.»
Tatsächlich lassen sich Johnsons Romane als Aufarbeitungen der eigenen frühen Schandtaten und wie literarische Abbitten lesen – blickt der Mann, der grosse Teile seiner Kindheit in Manila zubrachte, doch auf eine veritable Drogenkarriere zurück.
«Ich war ein schwieriger Junge und nahm alles, was ich kriegen konnte, Acid, bunte Pillen, um eine Zeit lang auf einem anderen Planeten zu sein.» Und genau so liest sich sein neuer Roman: als Endspiel unter westafrikanischer Sonne – dabei seltsam erdenfern und so grell und überrissen wie ein Thriller der Coen-Brüder.
Doppelter Bluff
«Die lachenden Ungeheuer» erzählt die rasante Geschichte eines doppelten Bluffs, in deren Verlauf zwei grosse Versteckspieler sich immerzu gegenseitig in ihren Finten und Scharaden zu übertreffen versuchen. Da ist der angeblich dänischstämmige Icherzähler Nair, ein verdeckter Agent, der im Auftrag der Nato arbeitet und der NIIA, der Nato Intelligence Interoperability Achitecture, über seinen ehemaligen Weggefährten Michael Andriko berichten soll, mit dem er einst gemeinsam in Afghanistan kämpfte.
Ihm gegenüber der farbige Andriko, der in Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, dunklen Geschäften nachgeht – und im Begriff ist, seine junge Gefolgsfrau, die geheimnisvolle Davidia St. Claire, eine schwarze Collegestudentin aus Colorado, zu heiraten. Tatsächlich aber gehen die alten Freunde, die sich in Freetown nach langer Zeit das erste Mal wiedersehen, jeweils ganz eigenen Interessen nach.
Nair hat den Plan, Nato-Interna an den Höchstbietenden zu verkaufen, während Andriko versucht, aus russischen Sprengköpfen demontiertes angereichertes Uran an den Mossad zu verdealen.
«Für eine Million Dollar in bar. Es ist brillant, Nair!» Und so führt sie ihr Trip von Sierra Leone aus weiter gemeinsam nach Entebbe, in Uganda, in das Land Idi Amins, aus dessen Clan Andriko einst hervorgegangen ist. Zug um Zug treiben sie ihre risikoreichen Pläne voran – begleitet von Davidia, die mit ihnen über die hitzeflirrenden Schauplätze jagt wie einst Kit Moresby in Paul Bowles berühmtem Roman «Himmel über der Wüste» an der Seite von ihrem Mann Port und dessen Freund Tunner.
Und was als launiges Spiel mit Unbekannten anrollt, verdichtet sich schliesslich zu einem faszinierenden, geisterhaften Endspurt.
Afrikanische Finsternis
«Ich bin zurückgekommen, weil ich das Chaos liebe. Anarchie. Irrsinn. Allgemeinen Zerfall», sagt Nair einmal zu Beginn. Am Ende führt ihn seine Reise ins Herz der afrikanischen Finsternis – denn Johnsons Roman ist eine unverhohlene Verbeugung vor Joseph Conrads Klassiker «Das Herz der Finsternis» –, genauer: in Michaels Heimatdorf in den «glücklichen Bergen», die der Missionar James Hannington einst als «lachende Ungeheuer» bezeichnet haben soll.
So grollt am Ende tatsächlich ein apokalyptisches Lachen durch diesen Roman, dessen philosophische Botschaft lautet: «Die Realität ist ein Eindruck, ein Glaube. Jeder Magier weiss das.» Vom magischen, gleichsam hinterhältigen Spiel mit diesem «Eindruck» handelt dieses Buch.
Denis Johnson:«Die lachenden Ungeheuer», Roman. Rowohlt-Verlag, 258 S.
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