«Da sind grauenhafte Dinge im Gang»
Morgen erscheint Lukas Hartmanns neuer Roman «Räuberleben». Ein Gespräch über die Lehren der Geschichte, seine Abkehr vom Pazifismus und sein spezielles nächstes Projekt.
Herr Hartmann, warum ausgerechnet Hannikel als Hauptfigur? Mich faszinieren schon seit langem berühmte alte Räuberfiguren, von Robin Hood bis zum Schinderhannes. Sie alle haben eins gemeinsam: Sie wurden erhöht, idealisiert, wurden zu Legenden. An Hannikel ist erstens seine Verhaftung in Chur spannend, der eine lange Flucht mit seinem Clan vorausging. Dann der Ausbruch und eine der grössten Menschenjagden, die in diesem Raum je stattgefunden haben. Was mich zweitens besonders interessierte, war Hannikels Gegenspieler, der obsessive Oberamtmann Schäfer, der zum bekanntesten Räuberfänger Europas avancieren sollte...
... braucht eine Räuberfigur einen solchen Gegenspieler – der Sheriff von Nottingham, der Rivale Robin Hoods, ist ja nur ein Beispiel –, damit sie in die Geschichte eingehen, zur Legende werden kann? Klar. Konflikte sind immer das, was sich am tiefsten einprägt, was am dramatischsten ist. Und drittens: Es ging um eine Sinti-Gruppe, die sich innerhalb des Einzugsgebiets von Herzog Karl Eugen, dem eigentlichen Oberräuber, bewegte. Sie gehörten zu den Ausgegrenzten, den Sanspapiers ihrer Zeit. Diese Konstellation erlaubte es mir, eine Gesellschaft zu porträtieren, die in ihrer Schichtung und ihren Zuweisungen erstarrt war – am Horizont zeigte sich aber bereits die Französische Revolution.