Kritik am «Scherbenhaufen» der Hollande-Ära
Frankreich-Korrespondent Stefan Brändle zum TV-Streitgespräch vor den französischen Präsidentschaftswahlen.
Nach der abendfüllenden Debatte mit sieben Kandidaten steht eines fest: Die französischen Sozialisten werden sich im Präsidentschaftswahlkampf nicht auf die Errungenschaften der Hollande-Ära berufen. Was die Bilanz des noch laufenden Präsidentenmandates betrifft, zeigten sich die sieben Kandidaten mehr als reserviert.
Ex-Minister Arnaud Montebourg meinte, Parteifreund François Hollande sei bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit «gescheitert», Benoît Hamon vom linken Flügel kritisierte «eine unfertige Amtszeit»; Vincent Peillon äusserte «Unverständnis» gegenüber dem unternehmerfreundlichen Regierungskurs. Deren Anhänger, die sozialistische Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, hatte die Amtszeit Hollandes Stunden vor der TV-Debatte einen «immensen Scherbenhaufen» genannt.
Im Visier hatten sie unausgesprochen Hollandeslangjährigen Premierminister Manuel Valls. Mit verkniffenem Gesicht nahm der Vertreter des rechten Parteiflügels die indirekten Angriffe entgegen.
Vier der sieben Kandidaten, darunter zwei dissidente Grüneund die «Radikallinke» Sylvia Pinel, haben kaum Chancen, Ende Januar in die Stichwahl der parteiinternen Vorausscheidung zu gelangen. In einer ersten Erhebung schnitt Montebourg in der TV-Debatte am besten ab, gefolgt von Valls und Hamon. Das Trio dürfte das Primärwahlrennen unter sich ausmachen.
Wer auch immer als Sieger aus den beiden Durchgängender sozialistischen Primärwahl hervorgehen wird: Für die eigentliche Präsidentenwahl im April und Mai dominieren gemäss Umfragen zwei andere Linkskandidaten, die gar nicht an der Primärwahl der Sozialisten teilnehmen – der Linken-Chef Jean-Luc Mélenchon, der von den Kommunisten unterstützt wird, und der sozialliberale, der Mitte zuneigende Ex-Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. Beide kommen in den Vorwahlerhebungen auf mehr Stimmen als Valls oder Montebourg.
Letzterer meinte in der TV-Debatte, er würde sofort das Gesprächmit Mélenchon suchen, falls er die Primärwahl seiner Partei gewinne. Zugleich schloss er aber aus, sich zugunsten von Mélenchon zurückzuziehen, um einen Einheitskandidaten der französischen Linken zu ermöglichen. Gehen diese getrennt ins Rennen, hätten sie kaum Chancen gegen die zwei Rechtskandidaten Marine Le Pen (Front National) und François Fillon (Republikaner).
Mit der TV-Debatte vom Donnerstagabend ist Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadélis immerhin das Kunststück gelungen, seine Partei einen Monat lang ins Zentrum der politischen Debatte und des Medieninteresses zu rücken.
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