Krawalle mit Blackberrys organisiert
Die Jugendlichen in Grossbritannien haben bei der Koordination der Ausschreitungen offenbar vor allem den Blackberry Messenger genutzt. Facebook und Twitter haben sie bewusst gemieden.
Seien es Proteste im Iran oder die Revolutionen in den Ländern Nordafrikas: All diese Massendemonstrationen und Revolten gingen als «Facebook-Proteste» in die Geschichte ein. Doch diejenigen, die dieser Tage London in Angst und Schrecken versetzen, meiden Online-Netzwerke sogar. Die Ausschreitungen in der britischen Hauptstadt werden nicht auf Plattformen wie Facebook und Twitter koordiniert, sondern vor allem auf den Geräten eines Handytyps: dem Blackberry und dessen eigener Kommunikationsplattform Blackberry Messenger. Im Gegensatz zu Facebook und Twitter werden die meisten Nachrichten verschlüsselt abgeschickt.
Sicherheitskräfte auf Twitter vorgewarnt
Während zunächst reflexartig die Runde machte, der Aufstand werde über die bekannten Plattformen organisiert, analysierten britische Medien: Zwar hätten sich in Gruppen auf Facebook rasch mehrere Tausend Demonstranten und Randalierer zusammengetan. Auch mit Kurzmitteilungen über Twitter hätten einige Aufständische versucht, Ziele zu definieren und zum Angriff zu blasen. Allein: Hier lesen prompt auch die Sicherheitskräfte mit, die so vorgewarnt werden.
Randalierer suchen verdeckte Kommunikation
Randalierer hatten beispielsweise geplant, am vergangenen Sonntag die Karnevalsfeiern in Hackney aufzumischen, einem Bezirk im Norden Londons. «Diese Tweets wurden von der Polizei entdeckt», notierte der «Guardian», der sich mit der Kommunikation der Randalierer befasste. Die Folge: «Die Veranstaltung wurde abrupt abgebrochen.» Der gewaltsame Protest suchte sich einen anderen, einen verdeckten Weg, bei dem die Polizei sich nicht einfach einklinken konnte.
Vom Manager-Handy zur Massenware
Einst waren die eher klobigen Blackberrys die Hochleistungshandys der Manager. Doch spätestens seit Apple vor drei Jahren mit seinem iPhone sogenannte Smartphones für die Masse attraktiv gemacht hat und Google sein Handysystem Android sogar verschenkt, hat Blackberry seine Preise radikal gesenkt. Moderne Handys, die einst Anzugträger schmückten, wurden zur billigen Massenware. So läuft in London heute fast schon jeder Punk mit einem solchen Gerät herum: Weit mehr als jeder dritte britische Jugendliche trägt ein Blackberry mit sich. Dies belegt auch eine Studie der britischen Regulierungsbehörde: 47 Prozent der britischen Jugendlichen benutzen demnach Smartphones, und Blackberrys sind mit 37 Prozent am stärksten vertreten.
Polizei bleibt aussen vor
Die Randalierer, die seit der Nacht zum Sonntag Geschäfte plündern und Polizeiwagen wie Doppelstockbusse anstecken, machen sich dabei eine Besonderheit zunutze: Der Hersteller bietet mit seinem Blackberry Messenger (BBM) einen eigenen Kurznachrichtendienst. Der Unterschied zu offenen Plattformen wie Twitter: Die Nutzer müssen sich gegenseitig als Kontakte bestätigen, um mitlesen zu können – und damit letztlich auch neue Ziele zu erfahren. Die Polizei erfährt von neuen Attacken so im Zweifel erst, wenn der gewaltsame Mob bereits loslegt hat. Die Nutzung des BBM ist kostenlos. Die Nachrichten werden verschlüsselt.
Mike Butcher, Autor des Fachblogs «Techcrunch», hat in London die Kommunikation beobachtet und die Nachrichten auf den Plattformen analysiert. Fazit: «Während Twitter Zuschauer wurde, ist es der BBM, in dem die eigentliche Handlung zu sein scheint.» Twitter, das sonst so sehr als Echtzeitmedium gepriesen wird, erfährt dieser Tage selbst nur zeitversetzt, was in den Aussenbezirken Londons vor sich geht.
Nutzer stechen Nachrichten durch
Gefährlich wird es für die Randalierer immer dann, wenn einzelne Nutzer Nachrichten, die auf ihren Blackberrys auflaufen, in die frei zugänglichen Online-Netzwerke kopieren. So wie am Dienstag die Twitter-Nutzerin @28SHAMA, die für alle frei zugänglich notierte: «BBM-Nachricht: Jeder in Edmont, Enfiel, Wood Green (...) auf nach Enfield Town Station um Punkt 4 Uhr!» Damit wusste auch die Polizei Stunden vor dem Auflauf Bescheid und konnte sich rüsten.
Möglicherweise wird den Ermittlern sogar der Blackberry-Hersteller, der kanadische Konzern RIM, helfen. Der notierte erst am Montag auf Twitter: «Wir haben Kontakt zu den Behörden aufgenommen, um sie so gut wie möglich zu unterstützen.» Was genau RIM damit meinte, blieb offen. Die Polizei dürfte grosses Interesse daran haben zu erfahren, welche Nutzer die Proteste mit ihren Nachrichten aufgeheizt haben.
Dienst abschalten
Ein Unterhausabgeordneter forderte als Konsequenz aus den Krawallen das Abschalten der Messenger-Funktion an BlackBerry- Mobiltelefonen gefordert. Damit solle verhindert werden, dass Randalierer auf diesem Weg zu weiteren Krawallen aufriefen, erklärte der Abgeordnete David Lammy über Twitter und den BBC-Hörfunk.
dapd/ah
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