Krawalle in London weiten sich aus
Die Unruhen im Londoner Stadtteil Tottenham sind auf mehrere Quartiere übergeschwappt. Politiker negieren, dass soziale Spannungen eine Rolle spielen. Die Polizei ist überfordert.
Die Krawalle in London haben sich auf mehrere Stadtteile ausgeweitet. Nach den Randalen im Stadtteil Tottenham lieferten sich Jugendliche in der Nacht und heute vor allem in Nord-, Ost- und Süd-London Auseinandersetzungen mit der Polizei.
Bei den Tätern handle es sich offenbar um «Trittbrettfahrer», erklärte Scotland Yard. Die Beamten seien schockiert über das Ausmass der Gewaltbereitschaft. 35 Polizisten seien verletzt worden. Nach Angaben von Innenministerin Theresa May wurden 215 Personen festgenommen, gegen 27 wurde bereits Anklage erhoben. Der stellvertretende Ministerpräsident Nick Clegg verurteilte die Ausschreitungen als nicht hinnehmbar. Es habe sich um nicht mehr und nicht weniger als nackte Gewalt gehandelt.
Polizei überfordert
Die Polizei wehrte sich gegen Vorwürfe, nur unzureichend eingeschritten zu sein. Die Sicherheitskräfte hätten Prioritäten setzen und die Beamten an den grössten Gefahrenstellen konzentrieren müssen, sagte der stellvertretende Polizeichef Steve Kavanagh.
Die Jugendlichen bildeten laut Polizei über das Internet «kleine und mobile» Gruppen. Sie hätten sich mit Smartphones organisiert und seien sehr schnell von einem Ort zum nächsten weitergezogen, berichteten Beobachter. Die Polizei habe daher grosse Probleme gehabt, die Randalierer unter Kontrolle zu bekommen. Die Feuerwehr musste rund 50 Brände löschen.
Flächenbrand in der britischen Hauptstadt
Die Gewalt hatte am Samstagabend im Stadtteil Tottenham im Norden Londons begonnen. Dort hatten Angehörige und Freunde eines 29-Jährigen demonstriert, der vergangene Woche unter bisher ungeklärten Umständen von einem Polizisten erschossen wurde. Die friedliche Demonstration eskalierte: Randalierer setzten Büros, Wohnungen, Polizeiautos und einen Doppeldecker-Bus in Brand und plünderten Geschäfte. Von einigen Häusern blieben nur die Grundmauern übrig.
In der Nacht auf heute breiteten sich die Krawalle über verschiedene Teile der Stadt aus. Im Stadtteil Brixton im Süden verwüsteten mehr als 200 Jugendliche die zentrale Einkaufsstrasse. In Enfield im Norden sowie Stadtvierteln Walthamstow und Waltham Forest im Nordosten griffen Jugendliche Polizisten an, zerstörten Schaufenster und plünderten Läden. Einige dieser Gegenden sind für soziale Probleme bekannt. 50 Jugendliche randalierten aber auch am Oxford Circus – mitten in der Londoner Innenstadt. Heute randalierten dann etwa 100 Jugendliche in Hackney im Osten Londons.
Hintergründe unklar
Die Familie des getöteten mutmasslichen Drogenhändlers distanzierte sich von der Gewalt. Das sei nicht im Sinne des 29-Jährigen, sagte dessen Bruder. Über die genauen Umstände des Todes herrscht weiterhin Unklarheit.
Der Familienvater hatte nach Darstellung der Polizei bei einer Kontrolle aus einem Taxi auf die Fahnder geschossen. Eine Kugel, die das Funkgerät eines Polizisten traf, stammte nach einer ersten Untersuchung aber offenbar aus einer Polizeiwaffe, berichteten mehrere britische Medien.
Sorge um guten Ruf der Stadt
Innenministerin May, die wegen den Krawallen ihre Ferien abgebrochen hatte, erklärte zu den Ursachen der Gewalt: «Ich glaube, es geht hier um blosse Kriminalität.» Beobachter sehen als Hintergrund für die Gewalt aber auch die sozialen Spannungen, die Arbeitslosigkeit sowie Polizeigewalt in den Problemquartieren wie Tottenham.
London ist in einem Jahr Austragungsort der Olympischen Sommerspiele. Politiker versicherten, diese seien nicht in Gefahr. Londons Bürgermeister Boris Johnson äusserte die Hoffnung auf «fantastische Olympische Spiele – ganz gleich, was letzte Nacht passiert ist».
SDA/ami
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