Krabats Zaubermeister in der Disco
Spannung, tolle Bühne, Grusel, Magie – und die Musik der Kummerbuben: Das Weihnachtsmärchen «Krabat» im Stadttheater Bern ist zuerst wunderbar – und wird dann noch besser.

Der böse Zaubermeister (Dominique Jann) schiesst durch die Klappe im Holzsteg, der quer über die Stuhlreihen im Parkett führt. Er nagt an einem Knochen. Wir wollen gar nicht genau wissen, was oder wen er da gerade verzehrt. Und er sagt: «Pause». Brr, da ist das grossartige Gruseln wieder.
Es ist Halbzeit am Mittwochmorgen im Stadttheater Bern. Hat die Crew ihr Pulver bereits verschossen? Die Theatergruppe Vorort, die zuletzt am Wohlensee «Moby Dick» inszenierte und nun erstmals in einem grossen Theater arbeitet, hat dieses Jahr für Konzert Theater Bern das Weihnachtsmärchen produziert. «Krabat», die Geschichte eines Zauberlehrlings von Otfried Preussler, geht mit Vollgas los. Da passt alles.
Die Simon-Jäggi-Show
Da ist eine gefährliche Geschichte. In «Krabat» sucht der gleichnamige Junge (Luka Dimic), ein bettelnder Strassenmusiker, Anschluss in einer Zaubererschule. Harry Potter für Arme? Mitnichten. Otfried Preussler war zuerst und legte eine Welt ganz ohne Zauberbesen und Wohlfühlzonen an.
«I muess di warne, es isch nid ghüür.» Mit diesem Satz weist eine wunderliche Gestalt Krabat den Weg. Bei den Zauberern ist alles neu für den Jungen, es gibt Gegenspieler und Freunde und den liebevollen Klassentrottel Juro (David Berger). Die Schule ist in der schwarzen Mühle im Koselbruch untergebracht. Dort wird nicht nur gezaubert, sondern auch geschuftet.
Die Schüler leiden unter der Knute des Meisters, der sie nicht nur piesackt und verspottet. Er hat sogar einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, dem noch böseren Gevatter (Simon Jäggi): Jede Silvesternacht liefert er ihm einen seiner Schüler – und auf diesen wartet der Tod.

Da ist auch Musik, da ist viel Musik, da ist grossartige Musik. Die Berner Kummerbuben um ebendiesen allerbösesten Jäggi hat den Soundtrack zum Stück komponiert. Das passt, das sitzt, das rumpelt allerliebst – alles live gespielt, auf Gitarre, Kontrabass, Orgel und Schlagzeug.
Aus Jäggi, der sich früher mehr aufs Krächzen in tiefer Stimmlage verstanden hat, ist ein famoser Sänger geworden, Tom Waits lässt grüssen. Und spielen kann er auch! Er gibt den Gevatter nicht etwa doppelt so furchteinflössend wie den Meister, sondern kommt leichtfüssig und androgyn daher, richtig fies (Kostüme: Justina Klimczyk).
Die Musik trägt die Geschichte durch wunderbare, düstere Bühnenbilder, durch die Zaubermühle und den Wald (Bühne: Konstantina Dacheva). Wobei bis zur Pause nicht viel mehr als eine umfassende Einführung in diese wunderliche Zauberwelt passiert. Unter anderem bahnt sich die höchst verbotene Liebelei zwischen Krabat und Kantorka (Sonja Riesen) an.
Alles gut – wie lässt sich das noch steigern? Nach dem Unterbruch nimmt die Geschichte erst richtig Fahrt auf, und die Produktion des Regieteams Jonathan Loosli und Mathis Künzler wird tatsächlich noch besser. Jetzt ist jede Minute spannend. Dummkopf Juro entpuppt sich als cleverer Verbündeter von Krabat. Er hilft dem Helden, die richtige Entscheidung zu treffen und das üble Spiel zu gewinnen. Soll der talentierte Lehrling Krabat der Nachfolger des Meisters werden oder ausbrechen?
«Aute, gang mau hei»
Alles sei an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel: Das Ganze gipfelt, man glaubt es kaum, in einer riesigen Rollschuhdisco. Krabat und Kantorka treffen sich – unbemerkt vom Meister, der in roter Glitzerhose ebenfalls seine Runden dreht. Aus den Boxen dröhnt die Electro-Nummer «Aute, gang mau hei» der Kummerbuben. Mit einem berndeutschen Text zum nervtötenden Eintagsfliegen-Hit «Gangnam Style» des Südkoreaners Psy. Ganz gross. Auf dem ersten Zuschauerrang können sich die Kinder nicht mehr halten, stehen auf und tanzen mit.
Dann kommt der Showdown und schliesslich der Applaus. Das Publikum ist begeistert, der Jubel gross. «Krabat» ist eine runde Sache mit Ecken und Kanten. Es gibt Witze, ja, aber die Abgründe lauern in jeder Szene, unerwartete Wendungen auch. Den Kindern wird etwas zugemutet, es gilt grosse Portionen Furcht und Spannung auszuhalten. Da ist aber auch Magie, etwa wenn sich die Äste im Wald plötzlich bewegen. Das Gruseln kommt auf leisen Sohlen. «Ghüür» ist es nicht. Aber grossartig. Wer das verpasst, ist selber schuld.
«Krabat»: bis 22. Januar, Stadttheater Bern. Ab 8 Jahren. www.konzerttheaterbern.ch
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch