Kommentar: Die Berner BDP ist keine Kopie der SVP
Das Rätselraten um den Absturz der BDP bei den Grossratswahlen geht weiter. Ist die Berner BDP nur eine Kopie der SVP? BZ-Redaktor Fabian Schäfer zu den Diskussionen um die BDP-Niederlage
Im allgemeinen Rätselraten um die Gründe für den BDP-Absturz vom Wochenende ist eine These immer öfter zu hören: Die Berner BDP habe sich nicht richtig von der SVP emanzipiert, grenze sich zu wenig von dieser ab und sei deshalb austauschbar geworden. Die Verfechter dieser These raten den übrig gebliebenen BDP-Vertretern, nun der Mutterpartei nachzueifern. Auf Bundesebene habe sich die BDP erfolgreich von der SVP distanziert. Diese These lässt sich bei näherem Hinsehen nicht halten.
BDP und SVP sind sich im Grossen Rat überhaupt nicht immer einig. Natürlich stimmen sie oft gleich ab, aber gerade in wichtigen, umstrittenen Fragen weichen sie immer wieder voneinander ab. Das lässt sich mit Beispielen aus den Jahren 2010 bis 2014 illustrieren.
Im wichtigsten Geschäft – der milliardenschweren Sanierung der Pensionskassen – fanden die beiden Parteien nie einen Konsens. Die SVP versuchte stets, die Angestellten stärker an den Kosten der Sanierung zu beteiligen, und unterlag immer. Die BDP zimmerte einen eigenen Kompromiss und setzte diesen auf der ganzen Linie durch, indem sie abwechslungsweise mit Rot-Grün und der SVP stimmte. Dass die BDP auch dem Personal und der Linken weit entgegenkam, zeigt sich daran, dass der Staatspersonalverband nun im Vorfeld der Volksabstimmung im Mai beide Sanierungsvarianten unterstützt – sogar jene, die dem Personal grössere Opfer abverlangt. Das passt schlecht zur These einer stramm auf SVP-Kurs marschierenden BDP.
Sogar in der Finanz- und Steuerpolitik waren BDP und SVP in wichtigen Fragen uneins.Die BDP kämpfte bis zuletzt gegen die massive Reduktion der Motorfahrzeugsteuer, welche die SVP als einzige Partei unterstützte und die das Volk am Ende guthiess. Zum Entsetzen der SVP scherte die BDP in der Auseinandersetzung um die Pauschalbesteuerung reicher Ausländer aus und stimmte mit Rot-Grün: Die Folge ist eine markante Verschärfung der Pauschalsteuer ab 2016, die weit über das hinausgeht, was die Bürgerlichen zum Voraus abgesprochen hatten.
In lebhafter Erinnerung ist auch noch die Budgetdebatte vom November 2011, als die SVP die widerspenstige rot-grüne Regierung mit einer ganzen Reihe gezielter Kürzungsanträge das Fürchten lehren wollte. Sie blitzte dann aber ein ums andere Mal kläglich ab – die BDP versenkte ausnahmslos alle SVP-Anträge gemeinsam mit der Linken (und meist auch mit der FDP).
Natürlich sind SVP und BDP gleichermassen ländlich und konservativ geprägt – doch es gibt Nuancen. Zum Beispiel half die BDP tatkräftig mit, in der Verfassung festzuschreiben, dass der Kanton Bern seine Gemeinden in gewissen Fällen zwangsfusionieren kann. Die geschlossene SVP wollte dies verhindern, unterlag aber an der Urne. In dasselbe Kapitel gehört, dass die SVP ihren Kampf gegen die Tagesschulen ohne BDP führen muss.
Grosse Unterschiede gibt es auch in der Energiepolitik, wo die SVP von Fukushima nachhaltig unbeeindruckt ist. Die Berner BDP verfolgt zwar bisher keine einheitliche Linie, unterstützte aber mehrheitlich den Gegenvorschlag zur Initiative «Bern erneuerbar», den dann das Volk ablehnte – zur Freude der SVP.
Dazu kommt, dass es für die BDP auf Bundesebene viel einfacher ist, sich von der SVP abzugrenzen.Vergleiche zwischen den beiden Parteien zeigen jeweils, dass sie sich durchaus in einzelnen Bereichen unterscheiden. Am grössten sind die Differenzen – in dieser Reihenfolge – in der Aussenpolitik, in Ausländerfragen sowie in der Umweltpolitik. Das Dumme daran: Die ersten zwei Themen spielen in der kantonalen Politik kaum eine Rolle, da hier der Bund das Sagen hat.
Natürlich ist es für die BDP Schweiz ein Leichtes, sich in Debatten um die Bilateralen, bei der Ausschaffungsinitiative oder in Asylfragen sichtbar von der SVP abzugrenzen. Die BDP Bern hat diese Möglichkeit kaum. Wenn sie sie einmal hat – 2013 bei der Einbürgerungsinitiative der Jungen SVP –, stimmt sie geschlossen gegen die SVP.
Für die BDP kommt erschwerend hinzu,dass die Berner SVP manchmal immer noch nachgiebiger politisiert als die Mutterpartei. Zum Beispiel trug die SVP im Grossen Rat in der Spardebatte letzten Herbst stillschweigend eine indirekte Steuererhöhung mit, was im Bundeshaus undenkbar wäre. Umso schwieriger ist es für die BDP in Bern, sich abzugrenzen.
Fazit: Wer die BDP im Kanton Bern als SVP-Kopie abtut, tut ihr unrecht. Zwischen den beiden Parteien gibt es relevante Differenzen. Das heisst natürlich noch nicht, dass die BDP ein eigenes Profil hat – aber dieses Problem hat sie nicht nur im Kanton Bern. Wenig hilfreich war aus dieser Sicht, dass die BDP in den letzten Wochen auf allen Plakatwänden Schulter an Schulter mit der SVP um die Regierungsmehrheit gekämpft hat.
fabian.schaefer@bernerzeitung.ch
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