Wahlen in GriechenlandKlarer Sieger, Neuwahlen trotzdem wahrscheinlich
Überraschend klar gewinnt die konservative Nea Dimokratia die Parlamentswahl – allein regieren kann sie dennoch nicht, und eine Koalition ist fraglich. Wahrscheinlich kommt es deshalb zu Neuwahlen.

Mit grösserem Vorsprung als erwartet hat Griechenlands konservative Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) am Sonntag die Wahlen gewonnen. Ersten Hochrechnungen zufolge kam die Partei von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis auf fast 41 Prozent der Stimmen – und liegt damit um etwa 20 Prozentpunkte vor der linken Syriza seines Amtsvorgängers Alexis Tsipras.
Gegenüber ihrem Ergebnis von 2019 verbesserte sich die ND damit noch um etwa einen Prozentpunkt. Alleine regieren kann sie dennoch nicht, denn bei dieser Wahl gilt, anders in der Vergangenheit, das einfache Verhältniswahlrecht – eine Regelung, wonach die stärkste Partei einen Bonus von 50 Parlamentssitzen erhält, hatte die Syriza-Regierung 2016 abgeschafft; die Änderung trat zu diesem Wahltermin in Kraft.
Trotz seines starken Abschneidens braucht Mitsotakis, wenn er weiter regieren will, diesmal also einen Koalitionspartner. In Frage käme dabei realistisch nur die sozialdemokratische Pasok, die sich mit etwa 12 Prozent gegenüber 2019 um fast vier Prozentpunkte verbessert hat. Allerdings ist das Verhältnis zwischen den beiden Parteien stark belastet, seit im Frühsommer vergangenen Jahres bekannt wurde, dass der heutige Pasok-Vorsitzende Nikos Androulakis zeitweise vom staatlichen Geheimdienst abgehört worden war.
Abhörskandal belastet Beziehungen
Mitsotakis hatte im Wahlkampf eingeräumt, dass die Abhörung ein «Fehler» gewesen sei, was Beobachter als Zeichen einer Annäherung im Hinblick auf eine mögliche Koalition werteten. Wenig später allerdings stellte Mitsotakis klar, dass er eine Alleinregierung anstrebe. Und Androulakis machte sich demonstrativ rar, einmal sagte er öffentlich, er sei grundsätzlich für ein Bündnis mit der ND wie auch mit Syriza aufgeschlossen – allerdings nicht mit deren jeweiligen Spitzenkandidaten.
Ein „progressives“ Regierungsbündnis aus Syriza, Pasok und mehreren kleinen Parteien, wie Tsipras es angestrebt hatte, ist rechnerisch praktisch ausgeschlossen. Kommt es binnen zwei Wochen nun zu keiner Regierungsbildung, müssen Neuwahlen angesetzt werden. Es gilt als wahrscheinlich, dass Mitsotakis genau dies anstrebt: Denn bei der nächsten Wahl gilt wieder ein – gestaffeltes – Bonussystem, das der stärksten Partei bis zu 50 zusätzliche Sitze zuschlägt. Dann könnte er wieder alleine regieren. Aus der ND wurde am Sonntagabend bereits ein voraussichtlicher Termin für Neuwahlen genannt: der 25. Juni.
Das starke Abschneiden der Konservativen zeigt, dass diverse Skandale der jüngeren Vergangenheit das Vertrauen in Regierungschef Kyriakos Mitsotakis im eigenen Land nur bedingt erschüttern konnten. Von der Abhöraffäre, die die Opposition als «Griechenlands Watergate» bezeichnete, waren neben Pasok-Chef Androulakis zahlreiche weitere Politiker, Journalisten und hochrangige Militärs betroffen – und sogar eine Facebook-Managerin mit griechischer und US-amerikanischer Staatsbürgerschaft.
Schweres Zugunglück
Ein schweres Zugunglück Anfang März, bei dem mindestens 57 Menschen starben, löste eine Welle von Protesten und vorübergehend sinkende Umfragewerte für Mitsotakis aus; die Katastrophe hatte ein Schlaglicht auf schwere Mängel in der Infrastruktur des Landes und auf die noch immer grassierende Vetternwirtschaft geworfen. Mitsotakis zeigte sich zerknirscht und warb um Vertrauen bei den Wählerinnen und Wählern, um sein umfassendes Projekt für eine Modernisierung des Landes in einer zweiten Amtszeit weiterführen zu können. Er verwies auf die insgesamt positiven Wirtschaftsdaten des Landes: Griechenlands Wirtschaft wuchs zuletzt deutlich schneller als der Durchschnitt der Eurozone, die Arbeitslosenquote hat sich gegenüber 2013 halbiert, und der Tourismussektor boomt nach einer glimpflich überstandenen Corona-Pandemie umso stärker.
Oppositionsführer Tsipras hatte dagegen im Wahlkampf auf wachsende Ungleichheit im Land verwiesen und versprochen, Löhne und Renten zu erhöhen. Die Linke könne im Falle eines Wahlsiegs „mit ihrem echten eigenen Programm regieren“, hatte er geschwärmt, in Anspielung auf seine Regierungszeit in den Krisenjahren 2015 bis 2019: «ohne Memorandum, ohne Troika, ohne Schäuble». Nach dem schlechten Wahlergebnis vom Sonntag – Syriza verlor gegenüber 2019 etwa zehn Prozentpunkte – werden in der Partei Rufe nach einer neuen Führung laut.
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