Kirchenfusion weckt Ängste
Die städtischen Kirchgemeinden sollen fusionieren – eine emotionale Angelegenheit, die Bedenken hervorruft. Die Selbstständigkeit oder die Nähe zum Quartier könnten verloren gehen. Die Zuversicht überwiegt aber.

Wenn Kirchgemeinden zusammengelegt werden, ist dies stets eine emotionale Angelegenheit. Verständlich, schliesslich geben die Organisationen nicht nur administrative Aufgaben ab, sondern auch ihre Selbstständigkeit.
Auch in der Stadt Bern sieht man sich derzeit mit solchen Ängsten konfrontiert. Aus insgesamt dreizehn reformierten Kirchgemeinden – also den elf Quartierkirchgemeinden, der französischen sowie der Gesamtkirchgemeinde – soll künftig die Kirchgemeinde Bern werden. Seit einigen Wochen liegen Pläne vor, die aufzeigen, wie eine solche Fusion aussehen könnte (wir berichteten).
Das Beispiel Köniz
Wie schwer eine Fusion in der Praxis sein kann, zeigte sich vor einigen Jahren im benachbarten Köniz. Dabei war die dortige Kirchgemeinde schon einen Schritt weiter: Statt über Quartierkirchgemeinden verfügte sie bereits über Kirchenkreise mit weniger Kompetenzen. Als es aber darum ging, die Kreise zu reduzieren, stiess das Vorhaben auf Widerstand. Der Kreis Schliern liess sich nicht ohne weiteres auf die Fusion ein.
Susanne Rickenbacher, ehemaliges Mitglied der Kirchenkreiskommission Schliern, erinnert sich: «Uns ging das Ganze einfach zu schnell. Ohne dass wir die Fusion überhaupt in der Kommission selbst besprochen hatten, wurden uns die Pläne bereits vorgelegt.» Deshalb hätten sie darauf bestanden, genauer hinzuschauen und ihre Vorstellungen miteinzubringen.
Auch wenn es am Ende zu der Fusion mit den benachbarten Kreisen Köniz und Liebefeld kam: Schlierns Widerstand verzögerte den Prozess um einige Monate. Erst letzten Herbst konnte die Fusion definitiv beschlossen werden.
Bedenken aus Bern
Ob Bern wohl aus dem Fall Köniz eine Lehre gezogen hat? Begriffe wie «dezentrale Strukturen» und «Subsidiarität» tauchen jedenfalls in den Papieren immer wieder auf. Wie eine Umfrage in den Berner Quartierkirchgemeinden zeigt, sind aber trotz der vorsichtigen Planung noch Bedenken vorhanden.
So sagt etwa Robert Ruprecht, Präsident der Kirchgemeinde Frieden: «Ich habe in meiner Berufskarriere schon einige Fusionen miterlebt, und der Effekt ist meist derselbe: Es wird nicht nur komplizierter, sondern auch teurer.»
Und auch Wolfgang Lienemann, Präsident der Kirchgemeinde Petrus, äussert Bedenken: «Eine Kirchgemeinde Bern ist sehr gross, meiner Meinung nach zu gross.» Dadurch würde man die basisnahe Verwurzelung in den Quartieren ernsthaft gefährden, was zu einer noch distanzierteren Mitgliedschaft als bisher, wenn nicht sogar zu Austritten führen würde.
Kräfte bündeln
Neben Ruprecht und Lienemann finden sich aber auch viele positive Voten. Die meisten sind sich der finanziell misslichen Lage bewusst, in welcher sich die Berner Kirchgemeinden befinden, und sehen in der Fusion eher eine Chance für die Zukunft.
So fasst etwa Daniel Fischer von der Kirchgemeinde Bethlehem zusammen: «Natürlich wird vielleicht hier und dort die totale Individualität etwas eingeschränkt, aber damit sollte man leben können.» Wichtig sei es, dass die Eigenständigkeit und die Nähe im Quartier gewahrt blieben.
Barbara Zutter, Präsidentin der Kirchgemeinde Heiliggeist, sieht gerade im Bereich der Präsenz vor Ort einen Vorteil im Zusammenschluss der Kirchgemeinden: «Die Fusion nimmt den einzelnen Gemeinden viele administrative Aufgaben ab, wodurch wir uns mehr auf die Arbeit im Quartier konzentrieren können.»
Die Fusion hätte zudem nicht nur einen positiven Effekt auf die Arbeit vor Ort, sondern auch auf die ganze Stadt Bern, ist Beatrice Tobler von der Kirchgemeinde Paulus sicher: «Durch die Fusion können wir unsere Kräfte bündeln und zum Beispiel unsere Präsenz in den sozialen Netzwerken steigern.»
In einem Punkt herrscht bei allen befragten Kirchgemeinden Einigkeit: Bei den bevorstehenden Versammlungen am 20. August werde man sicher zustimmen, wenn es darum gehe, ob man an den Fusionsverhandlungen teilhaben wolle. Ob tatsächlich ein Vertrag zustande kommt, welcher von allen Kirchgemeinden gutgeheissen wird, hängt hingegen davon ab, wie sehr man die noch bestehenden Ängste überwinden kann.
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