«Kinder werden nicht erst Menschen»
Janusz KorczakKinder waren der Mittelpunkt seines Lebens. Der Pädagoge, Arzt und Publizist aus Warschau ging mit ihnen 1942 sogar freiwillig in den Tod. Ein Zyklus von Kulturanlässen in Bern widmet sich seinem Leben und Schaffen.
«Kinder werden nicht erst Menschen, sie sind es bereits, ja sie sind Menschen und keine Puppen; man kann an ihren Verstand appellieren, sie antworten uns. Sprechen wir zu ihren Herzen, fühlen sie uns.» Diese respektvolle Grundhaltung des polnisch-jüdischen Pädagogen, Arztes und Publizisten Janusz Korczak gegenüber Kindern veranlasste eine Gruppe von Jugendlichen, Kindern und Erwachsenen der reformierten Kirchgemeinde Johannes, das Theaterstück «Geranien im Ghetto – Janusz Korczak, ein Leben für Kinder» zu schreiben und zu spielen. Das Theater steht zwar im Mittelpunkt, entstanden ist jedoch ein kompaktes Kulturprogramm, das auch zwei Ausstellungen, Konzerte, Referate, Leseabende und Filmvorführungen umfasst und bis 13.November andauert. Wie es dazu kam, erklärt Jürg Liechti, Pfarrer der Johanneskirchgemeinde: «Nach der Inszenierung der ‹Roten Zora› suchten wir von der Religionsschule nach einem neuen, aktualitätsbezogenen Stück.» Korczak sei zwar schon lange tot, doch seine Ideen seien nach wie vor aktuell. «Er stellte Kinder ins Zentrum, und zwar als eigenständige Menschen, drückte seine Liebe zur Schöpfung aus und pflegte interreligiöse Beziehungen. Mit seiner Führung von Waisenhäusern im Warschauer Ghetto setzte er sich für Gerechtigkeit ein.» Tragischer Ruhm Janusz Korczak war in verschiedener Hinsicht ein Pionier seiner Zeit. Kinder waren für den Kinderarzt nicht ein Etwas, das zu Menschen geformt wurde, sondern Menschen vom ersten Atemzug an. Entsprechend forderte Korczak – lange vor der UN-Kinderrechtskonvention – den vollen Respekt gegenüber Kindern. In seinem Werk «Das Recht eines Kindes auf Achtung» forderte er die Achtung der Unwissenheit und der Wissbegierde der Kinder, die Achtung der Misserfolge und Tränen des Kindes sowie die Achtung des Eigentums des Kindes – und schliesslich schlicht und einfach das Recht des Kindes, so zu sein, wie es ist. Aus seiner Feder stammten Ideen wie ein Kindergericht oder ein Kinderparlament. Neben Maria Montessori und Rudolf Steiner gehörte er zu den wichtigsten Reformpädagogen des 20.Jahrhunderts. Ruhm – tragischen Ruhm – erreichte Korczak jedoch vor allem durch seine Leitung eines Waisenhauses mit jüdischen Kindern im Warschauer Ghetto. Im August 1942 stand den Kindern der Abtransport in die Gaskammern von Treblinka bevor. Korczak hätte sich retten können, doch er beharrte darauf, mitzureisen. «Er wollte es ihnen leichter machen», schrieb der Komponist Wladyslaw Szpilmann, der am 5.August 1942 Augenzeuge dieses Abtransports in den sicheren Tod wurde: «Sie würden aufs Land fahren, ein Grund zur Freude, erklärte er den Waisenkindern. Endlich könnten sie die abscheulichen, stickigen Mauern gegen Wiesen eintauschen, auf denen Blumen wüchsen, gegen Bäche, in den man würde baden können. Er ordnete an, sich festtäglich zu kleiden, und so, hübsch herausgeputzt in fröhlicher Stimmung, traten sie paarweise auf dem Hof an.» Kompaktes Programm Erstmals ist der Schweiz ist die Ausstellung «Oneg Schabbat» zu sehen. Das Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos» zeigt das Alltagsleben im Ghetto aus Sicht der Opfer unter anderem anhand von Bildern Kurzfilmen oder Schulaufsätzen. Die zweite Ausstellung widmet sich den 19 Gebeten von Korczaks Zyklus «Allein mit Gott. Gebete von Menschen, die nicht beten». Der Könizer Künstler Walter Loosli hat zu jedem Gebet einen Pavatexschnitt geschaffen. Mit Ausnahme der Filmvorführung «Korczak» vom 8.November sind alle Veranstaltungen gratis. Eine Kollekte kommt vollumfänglich drei Friedens- und Kinderprojekten zugute, die sich um Akzeptanz und Toleranz bemühen: dem arabisch-jüdischen Dorf Neve Schalom, der Evangelischen Schule in Ramallah und dem Kinderheim Neve Hanna. Hannah EinhausTheaterpremiere: Fr, 28.Okt., 19 Uhr. Kirche Johannes, Wylerstrasse 5. Veranstaltungsdaten und Öffnungszeiten sind zu finden unter www.korczak-wochen.ch. Finissage am 13.November. >
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