Kerrys Ultimatum, das keines war
Mit seinem rhetorischen Ultimatum hat US-Aussenminister Kerry eine Lawine losgetreten. Moskau will die Chemiewaffen des syrischen Regimes kontrollieren lassen. Syrien begrüsst die Idee. Die USA bleiben skeptisch.
Ein Vorschlag Russlands, das Chemiewaffenarsenal der syrischen Führung unter internationale Kontrolle zu stellen und zu vernichten, hat heute für eine neue Debatte um den Konflikt gesorgt. Die US-Regierung, deren Aussenminister John Kerry die Diskussion zunächst losgetreten hatte, gab sich zurückhaltend und erhielt ihre Drohung mit einem Militärschlag gegen Damaskus aufrecht.
Die syrische Führung begrüsste den russischen Vorschlag, hinter dem die Rebellen in Syrien jedoch eine Finte vermuten. Kerry sorgte zunächst bei einem Auftritt in London mit dem Hinweis für Verwirrung, dass Syriens Staatschef Baschar al-Assad einem Angriff entgehen könne, wenn er «sämtliche» Chemiewaffen «innerhalb einer Woche» der Weltgemeinschaft übergebe. Dies sei «rhetorisch» gemeint gewesen und nicht als «Ultimatum» zu verstehen, stellte seine Sprecherin Jennifer Psaki klar.
Ein «Lügner» und sein «Lehrer»
Russland forderte daraufhin jedoch eine «schnelle und positive» Antwort auf den US-Vorschlag. Moskau erhoffe sich davon, dass ein möglicher Militärschlag gegen Syrien, wie ihn die USA und Frankreich erwägen, verhindert werden könne, sagte Aussenminister Sergej Lawrow nach Gesprächen mit seinem syrischen Kollegen Walid al-Muallim in Moskau.
Al-Muallim schwenkte laut russischen Nachrichtenagenturen auf den Kurs Moskaus ein: Der Vorschlag basiere auf den «Sorgen der russischen Verantwortlichen um das Leben unserer Bürger und die Sicherheit unseres Landes», sagte er und lobte «die Weisheit» der russischen Regierung, die versuche, «einen US-Angriff gegen unser Volk zu verhindern».
Die gegen Assad kämpfenden Aufständischen in Syrien warfen Damaskus und Moskau eine «List» vor. «Wir fordern Militärschläge», sagte der Chef der Freien Syrischen Armee, Selim Idriss, im arabischen Fernsehsender Al-Jazeera. Assad sei «ein Lügner», und der russische Präsident Wladimir Putin «sein Lehrer».
In Kontakt treten
Die US-Regierung teilte später mit, sie werde sich den Vorschlag aus Moskau «genau anschauen». «Wir würden eine Entscheidung Syriens für die Aufgabe seiner Chemiewaffen begrüssen», sagte Tony Blinken, stellvertretender Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama. Das bisherige Verhalten der syrischen Führung flösse aber nicht viel Vertrauen ein.
Ein weiterer stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater Obamas, Ben Rhodes, sagte dem Fernsehsender MSNBC, dass Washington mit Moskau in Kontakt treten werde, um die «Ernsthaftigkeit dieses Vorschlags» zu prüfen. Die USA seien nur an der russischen Initiative interessiert, wenn es sich um ein «glaubhaftes Angebot» handle.
Der Druck auf Assad müsse aufrechterhalten werden, forderte Rhodes. «Was wir nicht wollen ist eine weitere Verzögerungstaktik.» Kerry bezeichnete den von den USA geplanten Militärschlag in London als Zwischenschritt für eine politische Lösung. Mit Obama sei er sich einig, dass «eine politische Lösung» nötig, diese aber derzeit nicht in Sicht sei.
Internationale Reaktionen
Frankreichs Aussenminister Laurent Fabius sagte, der russische Vorschlag verdiene eine «genaue Prüfung». Voraussetzung für weitere Debatten sei, dass Damaskus «klare, schnelle und nachprüfbare Massnahmen» ergreife. Fabius forderte Assad auf, sich «unverzüglich» zur Vernichtung seines Arsenals zu verpflichten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon brachte die Einrichtung von Zonen zur Zerstörung der Chemiewaffen in Syrien ins Gespräch.
Bundesaussenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte der «Passauer Neuen Presse» vom Dienstag, er «begrüsse jede Initiative, die Chemiewaffen in Syrien unter internationale Kontrolle zu stellen». Der britische Premierminister David Cameron erklärte, dies «wäre ein grosser Schritt».
Assad selbst warf Washington vor, «nicht den kleinsten Beweis» für einen Chemiewaffeneinsatz seitens der syrischen Streitkräfte vorgelegt zu haben. Die USA müssten im Fall eines Angriffs auf sein Land «auf alles gefasst» sein, sagte er dem US-Fernsehsender CBS.
sda/AFP/mrs/wid
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