Kanton will weniger Notfallstationen
Keine Pflicht für Notfallstationen und eine Lockerung der Verfügbarkeit von Fachärzten: Die Gesundheitsdirektion hat diverse Änderungen für die Berner Spitäler beschlossen. Die SP äussert Kritik am Alleingang.

Künftig müssen im Kanton Bern nicht mehr alle Spitäler eine Notfallstation anbieten. Bisher war dies mit wenigen Ausnahmen eine Voraussetzung dafür, dass eine Klinik überhaupt auf die sogenannte Spitalliste aufgenommen wird.
Diese bestimmt, welche stationären Leistungen zuhanden der obligatorischen Krankenversicherung abgerechnet werden dürfen und somit, an welchen Kosten sich der Kanton mit 55 Prozent beteiligt. Neu sollen Spitäler auch auf eine Notfallstation verzichten oder diese zu gewissen Tages- oder Jahreszeiten schliessen können.
Bedingung ist, dass das Spital einen Vertrag mit einem anderen Betrieb mit Notfallstation vorweist.«Heute gibt es insbesondere im Raum Bern zu viele Notfallstationen, die schlecht ausgelastet sind.
Das bindet Fachkräfte und verursacht unnötige Kosten», begründet SVP-Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg die Anpassung. Er hofft deshalb, dass zwei bis drei Notfälle ihre Türen schliessen werden.

Ausgenommen von der neuen Regelung sind versorgungsnotwendige Spitäler wie Zweisimmen oder Frutigen. Dort kann der Regierungsrat nach wie vor eine Notfallstation vorschreiben.
Spitäler wollten Änderungen
Mit der beschlossenen Anpassung kommt die Gesundheitsdirektion (GEF) den öffentlichen und privaten Spitälern im Kanton Bern entgegen. Sie klagen immer wieder, dass Notfallstationen nur defizitär betrieben werden können. Aber auch andere Anforderungen für die Spitalliste werden von ihnen kritisiert.
Dies, seit die GEF 2015 bei Kontrollen herausgefunden hat, dass die Vorgaben nicht überall eingehalten werden. Dabei geht es etwa um Bedingungen hinsichtlich des Personals oder der Infrastruktur. Die in Bern gültigen Anforderungen wurden vom Kanton Zürich erarbeitet und national zur Anwendung empfohlen.
Aufgrund der Kritik hat Regierungsrat Schnegg im letzten Herbst eine Arbeitsgruppe eingesetzt, bestehend aus Vertretern der öffentlichen und privaten Spitälern sowie der GEF. Sie sollte die Zürcher Systematik im Hinblick auf die spezifischen Gegebenheiten im Kanton Bern überprüfen. Jetzt hat die Arbeitsgruppe insgesamt 24 Anpassungen empfohlen, wie gestern mitgeteilt wurde.
Die GEF hat beschlossen, sie alle zu übernehmen. «Wir wollen damit eine grösstmögliche betriebliche Flexibilität für die Spitalunternehmen gewähren, ohne Abstriche bei der Behandlungsqualität zu machen», sagt Schnegg dazu.
Kritik an der Arbeitsgruppe
Die zweite grosse Anpassung neben den Notfallstationen betrifft die Verfügbarkeit von Fachärzten. Insbesondere kleinere Spitäler auf dem Land haben Mühe, genügend Fachkräfte zu rekrutieren.
Die Zürcher Vorgaben schreiben für manche Leistungen wie etwa bei der generellen Neurologie aber vor, dass der Facharzt eine Behandlung selbst durchführen muss. Wird diese Anforderung nicht eingehalten, hätte das den Entzug des Auftrags zur Folge. Das würde laut der GEF im Kanton Bern jedoch die Versorgung gefährden.
Deshalb sollen die Leistungsaufträge künftig auch erteilt werden können, wenn Behandlungen an andere Ärzte delegiert werden. Qualitative Einbussen befürchtet Schnegg nicht. «In den Spitälern gibt es genügend qualifiziertes Personal, auch wenn der betreffende Facharzt nicht immer vor Ort ist», sagt er.
Anders sieht dies SP-Gesundheitspolitiker Patric Bhend (Steffisburg). «Mit dieser Anpassung werden die Standorte über die Qualität gestellt», sagt er. Wenn Spitäler nicht genügend Fachkräfte rekrutieren können, sollten nicht einfach die Anforderungen gelockert werden.

«Die Standorte müssten sich spezialisieren und Leistungen abbauen.» Bhend kritisiert zudem, dass die Änderungen in einem Gremium bestehend aus Interessenvertretern der Spitäler erarbeitet wurden und die GEF alle Vorschläge übernimmt. «Das ist ein deutliches Signal für eine Deregulierung.» Dabei wäre mehr Steuerung in der Berner Gesundheitspolitik dringend notwendig.
«Eine pragmatische Lösung»
In die gleiche Kerbe schlägt Gesundheitsökonom Urs Brügger. «Die Zürcher Leistungsgruppensystematik wurde so ausgestaltet, dass Qualität und Wirtschaftlichkeit im Spitalmarkt gestärkt werden», sagt er. Wenn nun die Anforderungen aufgeweicht würden, «bis sie nicht mehr schmerzen», sei dies problematisch.
Für Barbara Mühlheim (GLP, Bern) hingegen ist diese Kritik unbegründet. «Die Gesundheitsdirektion hat zusammen mit den Spitalvertretern eine pragmatische und fachlich sinnvolle Lösung erarbeitet», findet die Gesundheitspolitikerin.
Die neuen Regelungen gelten für die Spitalliste 2017, die ab Sommer erstellt wird.
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