Kanton Bern will Praxis bei Ausschaffungen klären
Der Nationalrat kritisierte den Kanton Bern jüngst für seine Praxis bei Ausschaffungen von Kindern unter 15 Jahren. Nun soll die zuständige Direktion Klarheit schaffen.

Der Kanton Bern sieht sich mit nationalrätlicher Kritik in Bezug auf die Ausschaffungshaft von Kindern unter 15 Jahren konfrontiert. Die zuständige Polizei- und Militärdirektion gibt sich wortkarg. Man werde die künftige Praxis «mit allen involvierten Stellen zeitnah klären», hiess es am Donnerstag lediglich.
Wegen laufender Abklärungen gebe es keine weiteren Informationen. «Wir gehen davon aus, dass bis zu einem nächsten konkreten Fall die Sachlage geklärt sein wird», teilte das Generalsekretariat der Polizei- und Militärdirektion (POM) auf Anfrage einzig mit.
Tatsächlich kommen Inhaftierungen von unter 15-Jährigen mit ihren Familien im Kanton Bern relativ selten vor. Das zuständige Migrationsamt spricht von ein bis zwei Fällen pro Jahr.
Zum Entscheid des Thuner Gefängnisdirektors Ulrich Kräuchi, die Ausschaffungshaft von Kindern im Regionalgefängnis Thun zu stoppen bis die Rechtslage geklärt ist, nahm die POM auf schriftliche Anfrage hin keine Stellung.
Kräuchi äusserte sich am Mittwochabend in der SRF-Sendung «10vor10», dass er aufgrund der nationalrätlichen Kritik «sofort hellhörig geworden» sei. Er habe die Amtsleitung darüber informiert, dass er nicht mehr bereit sei, Zimmer für Mütter und Kinder anzubieten. Kräuchi geht davon aus, dass das Regionalgefängnis Thun diese Form der Haft nicht mehr anbieten wird.
Kritik aus Bundesbern
Auslöser der Debatte um den Umgang mit Kindern in Ausschaffungshaft war vor rund drei Wochen die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Nationalrats. Sie kritisierte generell die unterschiedliche Praxis der Kantone beim Vollzug der Ausschaffungshaft.
Im Durchschnitt kommt schweizweit ungefähr jede fünfte Person mit einem negativen Asylentscheid in Administrativhaft, wie eine Untersuchung der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle im Auftrag der GPK zeigte.
Doch die Unterschiede zwischen den Kantonen sind gross: in Genf liegt die Haftquote bei 11 Prozent, in Obwalden bei 46 Prozent. Welchem Kanton sie zugeteilt werden, können die Asylsuchenden nicht beeinflussen. Damit stellte sich für die GPK die Frage der Rechtsgleichheit.
Umstrittene Haft für Kinder
Besonders stossend empfand die GPK, dass in manchen Kantonen - namentlich im Kanton Bern - Kinder unter 15 Jahren mit ihren Familien inhaftiert werden. Der Bundesrat solle darauf hinwirken, dass für den Vollzug mit Kindern alternative Möglichkeiten geprüft würden.
Auch hier ist die Praxis der Kantone unterschiedlich. In den Kantonen Genf, Neuenburg und Waadt ist die Administrativhaft bei Minderjährigen gesetzlich oder durch Regierungsbeschluss untersagt.
Auch der Kanton Zürich nimmt keine Kinder mehr in Ausschaffungshaft, wie die Zürcher Justizdirektorin Jacqueline Fehr am Donnerstag auf Twitter bekannt gab. Der Entscheid sei vor zwei Wochen von ihr und Sicherheitsdirektor Mario Fehr getroffen worden, schreibt Jacqueline Fehr.
Wackeliges Zahlenmaterial
In sechs Kantonen kam es 2016 zu einzelnen Inhaftierungen von Kindern. Deutlich aus der Menge hervor stach der Kanton Bern, auf den über 80 Prozent der Fälle zurückgingen. Dass mit diesen Zahlen etwas nicht stimmen dürfte, räumte die GPK bereits in ihrem Bericht ein.
Und auch der Kanton Bern verwies auf «Fehlbuchungen» im Erfassungssystem ZEMIS des Bundes. Konkret wurden Fälle als Inhaftierung vermerkt, bei denen die Polizei Personen lediglich an ihrem Wohnort abholte und zum Flughafen brachte.
Für den Kanton Bern verblieben nach Bereinigung neun Jugendliche, die inhaftiert wurden. Davon gehörten fünf zu einer einzigen Familie und waren nur für eine Nacht im Gefängnis untergebracht, wie das bernische Migrationsamt vor rund drei Wochen auf die nationalrätliche Kritik entgegnete.
Die vier Fälle, in denen Minderjährige über 15 Jahre und ohne Begleitung der Eltern inhaftiert wurden, erklärte das Amt so: Zwei Jugendliche standen kurz vor ihrer Volljährigkeit und wurden aufgrund ihrer Straffälligkeit inhaftiert. Bei den beiden letzten Fällen handelte es sich um unbegleitete minderjährige Asylsuchende, die kurzfristig einen Tag festgehalten wurden, um ihnen Verfügungen auszuhändigen.
Die nationalrätliche GPK erwartet vom Bundesrat bis Ende September eine Stellungnahme zum Vollzugswirrwarr in den Kantonen. Von grüner Seite liegt zudem ein Vorstoss zur Abschaffung der Administrativhaft für Kinder vor.
SDA/chh
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